Medienkompetenz, quo vadis? Teil III: Interview zum Projekt „Chaos macht Schule“

cmsIm letzten Beitrag ist deutlich geworden, dass Schulen beginnen, sich mit dem Thema Medienkompetenz auseinander zu setzen und es auf dem Papier oft gar nicht so schlecht aussieht, wenn man sich anschaut, welche Inhalte vermittelt werden sollen. Aber die technische Entwicklung des Internets ist schneller als die Anpassung von Lehrplänen und oftmals sind Lehrer und Eltern mit der Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Medien überfordert. Da liegt es nahe, sich kompetente Unterstützung von außen zu holen. Die wird zum Beispiel vom Projekt „Chaos macht Schule“ angeboten, einer Initiative mehrerer Lokalgruppen des Chaos Computer Clubs mit dem Ziel, Schüler, Eltern und Lehrer in den Bereichen Medienkompetenz und Technikverständnis zu stärken.

Wir haben dazu Marius Melzer interviewt, der sich neben seinem Informatik-Studium an der TU Dresden in diversen Projekten für einen gesellschaftlich verantwortungsvollen Umgang mit Technik engagiert. Er ist im Dresdner CCC und im lokalen „Chaos macht Schule“-Projekt aktiv. Außerdem ist er einer der Entwickler von palava.tv, dort momentan auch Vorsitzender des gemeinnützigen Trägervereins und Mitglied bei den Zwiebelfreunden / torservers.net.

Wie ist das Projekt Chaos macht Schule entstanden? Was war eure Anfangsmotivation dafür, in Schulen zu gehen?

Marius Melzer: Der Chaos Computer Club, in dessen Dunstkreis auch Chaos macht Schule entstanden ist, ist dezentral organisiert und einige Erfas (Erfahrungsaustauschkreise, die lokalen Ableger des CCC) haben vor mittlerweile fünf Jahren das Projekt gegründet. Wir Dresdner sind seit etwa vier Jahren dabei. Zuerst gab es nur einen Einzelnen, der bei den bundesweiten Treffen war und in Dresden und Umgebung Aufklärung in Schulen betrieben hat. Mittlerweile sind wir deutlich gewachsen und auch in vielen anderen Städten ist Chaos macht Schule angekommen – das ist schön zu sehen.

Unsere Motivation ist, unser Wissen und unsere Einstellungen an „die nächste Generation“ heranzutragen und da liegt es Nahe, Workshops in Schulen zu gestalten. Außerdem finden wir, dass die entsprechenden Inhalte in der Schulausbildung wichtig sind und leider noch wenig Beachtung finden.

Ihr bietet Schulungen und Workshops für Kinder, Eltern und Lehrer zum Umgang mit Technik und Medien an. Wie oft werdet ihr angefragt und von wem?

Momentan haben wir recht viele Anfragen. In diesem Monat sind es 5 Termine, die teilweise unterschiedlicher nicht sein könnten. Mit dabei sind Lehrerfortbildungen, Schulbesuche und Löten mit Kindern. Die meisten Anfragen kommen dabei von Lehrern, oft direkt oder indirekt über die Lehrerworkshops.

Welche Inhalte versucht ihr zu vermitteln und wie geht ihr dabei vor?

Die meisten Leute besitzen heute gleich mehrere internetfähige Geräte, wissen aber gar nicht, wie das denn alles unter der Haube funktioniert. Das führt auch dazu, dass eine bewusste Einschätzung der Technik gar nicht möglich ist. Oft beginnen wir deshalb mit einer sehr grundlegenden Einleitung über die Funktionsweise des Internet. Darauf aufbauend behandeln wir dann Datenschutzrelevantes wie Verschlüsselung, Tracking und Gegenmaßnahmen, Tor, dezentrale Dienste oder Datenschutz in sozialen Netzwerken, aber auch Themen wie Freie Software und Creative Commons Lizenzen kommen ab und zu vor. Obwohl das alles sehr konkrete Inhalte sind, ist dabei unser Hauptanliegen, ein allgemeines Bewusstsein und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium zu fördern.

In welcher Form werden eure Angebote in den Lehrbetrieb integriert?

Ganz wie es die Schule bzw. der Lehrer möchte. Meist gestalten wir eine Doppelstunde mit einer Mischung aus Vortrag und Diskussion. Wir setzen auch, insbesondere mit jüngeren Schülern, praktische Elemente ein. Zum Beispiel bilden wir mit Schulklassen das Internet nach, wobei die einzelnen Schüler Router sind, die Nachrichten weitergeben, um das dezentrale Prinzip des Internets und die daraus entstehenden Probleme zu veranschaulichen – ein sehr cooler Ansatz, den wir mal auf einem der bundesweiten Chaos-macht-Schule-Treffen mitbekommen haben. Ansonsten haben wir auch schon Projekttage begleitet oder selbst Workshops unabhängig von einer konkreten Schule organisiert.

Wo liegen eurer Meinung nach die Hauptprobleme bei der Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule?

Die Inhalte, die wir vermitteln und die wir für sehr wichtig halten – das Verstehen und Hinterfragen der für uns alltäglichen Geräte und Dienste – sind, zumindest in Sachsen, leider in der Form wenig bis gar nicht im Lehrplan zu finden. Ob und wie Medienbildung in den Unterricht integriert wird, hängt dabei von der Schule und dem konkreten Lehrer ab und ist nicht selbstverständlich.

In welcher Form könnte der Umgang mit Technik und Medien besser vermittelt werden? Ist es sinnvoll eine extra Schulstunde einzuführen oder sollte das Thema ganzheitlich aufgeteilt werden?

Das Thema aufzuteilen und beispielsweise in den Gemeinschaftskunde-, Ethik- und Informatikunterricht zu integrieren wäre sicher der einfachere Ansatz, aber viele Inhalte, wie jene in Richtung Datenschutz und Privatsphäre passen meiner Meinung nach nicht wirklich in bestehende Fächer. Eine zusätzliche Schulstunde „Medienbildung“ wäre da eventuell sinnvoller.

Das Dresdner Chaos macht Schule Projekt erreicht man per Email unter schule@c3d2.de. Die Kontaktseiten für andere Städte sind hier verlinkt. Es gibt auch einen CRE-Podcast zum Thema mit Tim Pritlove, der mit  Peter Hecko und Florian Grunow vom CCC Mannheim spricht.

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2 Ergänzungen

  1. In Thüringen liest sich der Lehrplan ziemlich gut. Leider fehlt es dann an jungen Fachkräften, die dies umsetzten. Ein befreundeter Lehrer ist mit Jahrgang 1971 der jüngste an der Schule.
    Dazu kommt noch die schlechtere Bezahlung von Lehrern und das das TMBWK auf Bewerber idR zu spät reagiert haben und die Leute dann schon in Bundesländern waren, in den der Job besser bezahlt wird und sie ggf. verbeamtet sind.

    1. Ergänzung: es gibt zwar auch in Thüringen vereinzelte Vereine, die einem das besser beibringen, nur sollte es nicht dazu führen, dass das TMBWK sich entspannt zurück lehnen kann.

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