Im Mai hatten die Oppositionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus gefordert, die Stigmatisierung von Personen in polizeilichen Datenbanken beenden. Seitdem ist die Speicherung der sogenannten „personengebundener Hinweise“ (PHW) in mehreren Landtagen und im Bundestag hinterfragt worden. Gemeint sind ergänzende Angaben zu Personendaten, die angeblich zur „Eigensicherung“ von Polizeibediensteten herangezogen werden können.
Heraus kam, dass mindestens 1,5 Millionen Menschen in deutschen Polizeidatenbanken mit bestimmten Merkmalen versehen sind. Einige der Kategorien sind bundeseinheitlich und werden beim Bundeskriminalamt (BKA) in die Verbunddatei INPOL eingestellt.
BKA streicht drei Kategorien
Eine Anfrage im Bundestag ergab, dass dort auch Merkmale wie „Fixer“, „Prostituierte“ und „Landstreicher“ geführt werden. Das BKA teilte mit, dass es sich dabei um „Altbestände“ handele, die Anfrage sei zum Anlass genommen worden diese endgültig zu löschen. Damit bleiben laut dem Bremer Senat auf Bundesebene folgende PHW:
BEWA bewaffnet
GEWA gewalttätig
AUSB Ausbrecher
ANST Ansteckungsgefahr
GEKR geisteskrank
BTMK Betäubungsmittelkonsument
FREI Freitodgefahr
REMO Straftäter rechtsmotiviert
LIMO Straftäter linksmotiviert
AUMO Straftäter politisch motivierte Ausländerkriminalität
SEXT Sexualtäter
EXPL Explosivstoffgefahr
ROCK Rocker
Aus „Zigeuner“ wird „wechselt häufig den Aufenthaltsort“
Die Einrichtung der Kategorien und die damit verbundene Verarbeitung der Informationen sind in einem bundesweiten Leitfaden geregelt, der aber als Verschlusssache unveröffentlicht bleibt. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, eigene PHW anzulegen und die Löschungen des BKA dadurch zu umgehen.
Hierzu gehören etwa die Kategorien „Gefährder“, „geisteskrank“, „Ansteckungsgefahr“, „Land- und Stadtstreicher“ oder „Zigeuner“. Letztere war etwa in Baden-Württemberg eingerichtet, nach Protesten aber in „wechselt häufig den Aufenthaltsort“ umbenannt worden. Um die Gesamtzahl aller in Deutschland mit PHW versehenen Personen zu ermitteln, müsste in jedem Bundesland eine Anfrage gestellt werden und die Zahlen mit denen des BKA zusammengeführt werden.
PHW können tödlich enden
Betroffene werden über die ihnen zugeordneten PHW nicht benachrichtigt und erfahren davon erst, falls sie ein Auskunftsersuchen stellen. Allerdings gibt es immer wieder Hinweise auf eine Speicherung. Wenn etwa Personen bei Kontrollen auffällig oft auf Drogenkonsum untersucht oder durchsucht werden, könnte die Vergabe des PHW „Betäubungsmittelkonsument“ vorliegen. Dies wäre aber eine Zweckentfremdung, denn es dürfte sich bei solchen Kontrollen kaum um eine „Eigensicherung“ von PolizistInnen handeln. Problematisch ist aber auch die Speicherung als „Straftäter“: Betroffene geraten auch in dieses Raster, ohne jemals verurteilt worden zu sein.
Die behauptete Notwendigkeit „Eigensicherung“ für PolizistInnen kann mitunter sogar eine Gefährdung der Betroffenen bedeuten: Wird eine Person als „geisteskrank“ oder „Gefährder“ gelabelt, könnte dies den tödlichen Einsatz von Schusswaffen begünstigen. Es ist bislang nicht untersucht, bei wie vielen Todesschüssen die polizeilichen TäterInnen vorher von dem Hinweis erfuhren und erst deswegen die Waffe entsicherten und schließlich zogen.
„Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ werden umbenannt
Nun steht eine weitere kosmetische Änderung an. Auf Druck der Opposition hat der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) bei der heute beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) einen Antrag eingebracht, die PHW „Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ zu überarbeiten. Damit erfüllt Henkel eine Forderung, die das Landesparlament bereits 1988 erhoben hatte, über die sich der Innensenator aber wieder hinwegsetzte (O-Ton Henkel: Ein Parlamentsbeschluss ist „weder rechtlich noch politisch bindend“).
Gruppen wie die AIDS-Hilfe fordern ebenfalls die komplette Abschaffung des PHW „Ansteckungsgefahr“, der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte dies bereits in seinem Datenschutzbericht 2012 angemahnt. Im Oktober gab es dazu eine lange Debatte im Abgeordnetenhaus. Henkel zog sich darauf zurück, dass die hierunter erfassten Krankheiten einer jährlich überprüften Einordnung durch das Robert-Koch-Institutes folgen. Allerdings sei über eine zeitgemäße Umbenennung zu beraten.
Rechtliche Grauzone wird neu geregelt
Die Angelegenheit war zuvor in der für das INPOL-System zuständigen Kommission „INPOL-Fachlichkeit“ erörtert worden. Sollte sich die IMK für eine Überarbeitung der PHW entscheiden, wird eine Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und dem BKA (die sogenannte AG Kripo) beauftragt, bis zum Frühjahr 2015 einen Entwurf ausarbeiten. So geht es aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Berliner Piratenfraktion hervor, die Netzpolitik vorab einsehen konnte.
Laut einer weiteren Antwort hätten sich einige PHW „in der Praxis auch als ermittlungsunterstützende Hinweise (EHW) erwiesen“. Damit bestätigt der Senat den Verdacht, dass die PHW zunehmend zweckfremd genutzt werden.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist derzeit mit einer Überprüfung beauftragt, dies sogar rechtlich abzusichern. Es ist unklar, ob eine neue Datensammlung zu den EHW eingerichtet oder der Zweck der existierenden PHW lediglich erweitert wird. Laut Henkel sei eine „zukünftige Doppelfunktion einzelner Hinweise“ möglich.
Solch eine Datenbank kann durchaus sinnvoll sein, wenn sie richtig abgestimmt und gepflegt wird. Da liegt vermutlich der Knackpunkt.
Geisteskrank heißt nicht immer, dass diese Person ausrastet.
Aber zum Beispiel eine Kombination von BEWA, GEWA und GEKR wäre durchaus gefährlich für Polizisten.
Jäger und Hobbyschützen sind auch irgendwie bewaffnet, aber sie schießen damit nicht auf Menschen.
Als Polizist sollte man schon wissen, ob die Person hinter der Tür bewaffnet ist und auch mit der Waffe handeln würde.
Eine Folge dieses Unwissens ist und wäre auch, dass jeder Mensch als potenziell BEWA, GEWA und GEKR angesehen wird, bis das Gegenteil festgestellt wurde.
Welche Folgen das hat, sieht man in den USA, wo vorsorglich die Leute (überwiegend Schwarze) erstmal erschossen, erwürgt oder elektroschockt werden.
Ich denke, dass der Umgang mit der Datenbank das Problem ist, dass nicht korrekt gepflegt und einsortiert wird. Man muss auch mal löschen können.
Und manches ist wirklich Stigmatisierung, hat mit Gefährdung nichts zu tun sondern dient lediglich der Gängelei.
Die Prüfer (Datenbankeinpfleger) muss man überprüfen, ob sie rechtens sind.
Und die Politiker dahinter, die ihre Suppen damit kochen.
Die Polizei führt illegale schwarze Listen in Form von „Personenhinhinweisen“. Wahrscheinlich ist das ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil die Betroffenen nicht einmal von dieser Kategorisierung erfahren und ein Verstoß gegen die gesetzliche Unschuldsvermutung. Das Denunziationsprinzip ersetzt das Rechtsstaatsprinzip
lt aussagen eines mir namentlich nicht bekannten, betrunkenen polizisten in einer kneipe wird alles festgehalten, auch sexuelle ausrichtung, nehmer-qualitäten, ob sich jemand wehrt oder nicht, demo-teilnehmer, ob jemand die gesetze kennt oder nicht usw.
Wird Zeit für eine Polizisten Datenbank, am besten mit Foto/Gesichtserkennung und Wohnort.
Nur um Grundrechtsverstößen vorzubeugen versteht sich :(
So ein Elend auch. Da hat sich George Orwell glatt um 30 Jahre vertan. :(