BKA löscht Kategorien „Prostitution“, „Landstreicher“ und „Fixer“ aus Datenbanken, „Ansteckungsgefahr“ und „Drogenkonsum“ wird weiter gespeichert

Server beim BKA.
Server beim BKA.

Letzte Woche hatten wir hier zu Zahlen „Personenbezogener Hinweise“ (PHW) bei der Berliner Landespolizei berichtet, diese Woche zu jenen des Bundeskriminalamtes. Hintergrund waren parlamentarische Anfragen im Abgeordnetenhaus Berlin und in Bundestag. Heraus kam etwa, dass beim Bundeskriminalamt (BKA) rund 1,5 Millionen Personen mit Zuordnungen wie „Land/ Stadtstreicher“ und „Fixer“ versehen sind. Weitere Kategorien lauten „geisteskrank“ oder „Ansteckungsgefahr“. Die Zuordnungen seien notwendig, um Polizeikräfte im Einsatz zu schützen. Werden die Personalien der betreffenden Personen kontrolliert, erscheint eine Warnmeldung.

Angeblich wegen eines „Büroversehens“ hatte das Bundesinnenministerium zunächst einige falsche Zahlen zu den „Personenbezogenen Hinweisen“ versandt. Sowohl in der alten wie auch der neuen Version sind jedoch weiterhin 245.000 Personen als „gewalttätig“ markiert, über eine Million Betroffene gelten als KonsumentInnen von Drogen.

Die Meldungen schafften es bis in die Tagespresse, das BKA geriet unter Druck. Noch bevor der fragende Abgeordnete entsprechend informiert wurde, hatte das Bundesinnenministerium gestern eine Mitteilung an die Presse versandt und die Löschung einiger Kategorien versprochen.

Demnach gelten die PHW „Prostitution“, „Landstreicher“ und „Fixer“ mittlerweile als „Altbestände“ und würden entfernt. Dadurch können auch Landesbehörden nicht mehr darauf zugreifen. Angeblich unterlägen die PHW einer ständigen Bewertung durch „Fachgremien der Polizei“ und würden wenn erforderlich stets „modifiziert“. Fraglich ist aber, wieso den „Fachgremien“ nicht aufgefallen war, dass Begriffe wie „Landstreicher“ dem NS-Jargon entstammen und auch SexarbeiterInnen der Polizei bei Kontrollen nicht gefährlich werden.

Das Land Berlin hat – soweit uns bekannt – noch nicht reagiert. Gut möglich, dass die beanstandeten Kategorien dort weiter geführt werden, diese dann aber nicht mehr bundesweit in den Informationsverbund INPOL eingestellt werden. Auch beim BKA möchte man übrigens auf Kategorien wie „Ansteckungsgefahr“ nicht verzichten. Auf welche Weise die fast 18.000 dort gespeicherten Personen zuvor auffällig wurden, ist unklar. Möglich, dass entsprechende Meldungen von Gesundheitsämtern kommen.

Hier der Wortlaut der Mitteilung, die vom BKA gestern an die Presse verschickt wurde:

„Personenbezogene Hinweise“ dienen dem Schutz der von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Personen und der Eigensicherung von Polizeibediensteten. Hierzu zählen zum Beispiel die Bezeichnungen „bewaffnet“, „BTM-Konsument“, „Ansteckungsgefahr“, „Freitodgefahr“ oder „Gewalttätig“.

Insgesamt sind 13 derartige „Personengebundene Hinweise“ vorgesehen. Der PHW „Freitodgefahr“ beispielsweise kann Leben retten, wenn Polizeibedienstete aufgrund einer derartigen Information nach Beendigung polizeilicher Maßnahmen Vorkehrungen zum Schutz der Personen treffen können. Die „PHW“ werden als ergänzende Informationen bei der jeweiligen Lage- und Gefahrenbeurteilung benötigt.

Die Eintragungen zu den „Personenbezogenen Hinweisen“ erfolgen bundesweit durch diejenigen Polizeidienststellen, bei denen die Ursprungsinformationen dazu vorliegen. Ihre Erfassung geht auf gemeinsame Beschlüsse der polizeilichen Bund-Länder-Gremien zurück und wurde unter Beteiligung der Innenministerien entschieden.

Durch eine bundesweit abgestimmte Regelung wird eine möglichst bundeseinheitliche Verfahrensweise bei der Vergabe des „Personenbezogenen Hinweises“ gewährleistet. Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass immer eine Einzelfallprüfung unter Beachtung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Erfassung zu erfolgen hat. So darf beispielsweise der PHW „Betäubungsmittelkonsument“ nur vergeben werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person Betäubungsmittel oder entsprechende Ersatzstoffe konsumiert, die eine erhebliche Gesundheitsgefahr für ihn selbst oder für andere, etwa Polizeibedienstete (z. B. durch die für den Konsum genutzten Geräte oder unvorhersehbare Verhaltensweisen der Person) resultieren können.

Die „Personenbezogenen Hinweise“ wie „Prostitution“, „Landstreicher“ oder „Fixer“ sind nicht mehr als „PHW“ vorgesehen und werden insofern auch nicht mehr erfasst. Noch im INPOL enthaltene derartige Hinweise sind sogenannte „Altbestände“, das BKA wird deren Löschung veranlassen. Die „Personenbezogenen Hinweise“ unterliegen einer ständigen Bewertung durch Fachgremien der Polizei und werden – dort wo erforderlich – modifiziert.

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8 Ergänzungen

  1. Zum Begriff des Landstreichers sollten noch mal Nachforschungen angestellt werden. Dass der aus dem NS-Jargon stammt, wäre mir neu (und den Etymologen unter uns vermutlich auch…).

  2. Ich denke, das Problem sind nicht die Kategorien an sich. Im Grunde sind sie nicht unwichtig und auch andere Berufsstände nutzen ähnliche. Natürlich vermerkt auch ein Arzt auf der Karteikarte oder im PC, wenn ein Patient gewalttätig ist. Auch der Schutz der Mitarbeiter spielt hier eine Rolle.
    Problematisch ist natürlich der Umgang mit den Daten, bzw. der mangelnde Schutz sensibler Daten.

  3. Landstreicher, ein Wort aus dem 15ten Jahrhundert ist also NS-Jargon. Logo, Hitler mit der Reichsflugscheibe schnell mal zurückgedüst mittels Skalarwellen und das Wort eingeführt. Muss man wissen, hm?

  4. Nicht nur der Umgang und die Erstellung dieser Daten sind fragwürdig sondern durch wie viele Hände diese gehen und wie der stille Post Effekt im Ergebnis und in seiner Anwendung und Ergebnis bzw. Konsequenz aussieht.

    Ich selbst wurde beim Kiffen erwischt und fand mich nicht nur als BTM-Konsument in der INPOL-Akte wieder, sondern zusätzlich als Heroin Dealer! Trotz Bemühungen an die vollständigen Daten zu kommen, in welchem Zusammenhang diese Daten erstellt wurden und wer diese Erfasst hat, kann hier niemand kenntlich gemacht werden. Das ganze ist einfach nur ein Daten- Verleugnungapparat mit unseriösen und teilweise falschen Inhalten ohne Quellenangabe und miesem Überraschungseffekt, der sich ganz übel auf einzelne Personen auswirken kann, weil jederzeit eine umfassende Überwachung stattfinden kann und es ja reicht, die im INPOL befindlichen Daten heranzuziehen. Meine Telefone wurden überwacht und ich stand mich einer nicht richterlichen angeordneten Hausdurchsuchung gegenüber die bis heute unbegründet bleibt. Bis heute (2 Jahre) warte ich noch auf den Beschuss, der sich lediglich auf die INPOL-Daten bezieht.

    Nachdem ich die zu meiner Person erfassten Daten im INPOL-System, aufgrund Informeller Selbstbestimmung einsehen wollte, wurde mir diese verweigert. Trotz Kopie von Ausweis und Bestätigung meines Wohnortes vom Bürgeramt. Obwohl jedem dieses Recht nach § 19 und § 34 des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zusteht, auch die Informationen, woher und wer diese Daten erfasst bzw. verfasst hat und in die Datenbank eigepflegt hat. Diese Methoden stammen aus der NS-Zeit und finden zunehmend Anwendung.

    Nach meiner Meinung ist es völlig egal, wie eine Kategorien benannt wird, sondern eher welche Auswirkungen diese Daten auf ein Leben haben können. Mit solch einem Eintrag ist das Vorgehen der Polizeibeamten bei der nächsten Verkehrskontrolle oder Passkontrolle am Flughafen auf unangenehme Art vorprogrammiert, trotz erfolgloser Hausdurchsuchung. Der einzelne Beamte der diese Daten abruft hat keinen Plan wie diese erstellt wurden.

    Das Problem liegt in der Richtlinie zur Erhebung oder Erfassung und steuert die Auswertung solcher Daten durch unfähige Beamte und nicht wie diese in der Datenbank des BKA verschlagwortet sind.

    Stoppt diesen Datenmüll jetzt!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.