Sammlung Wissenschaftlicher Paper zu Zensur und Kontrolle im Internet (2/5): Zensur und Klarnamenpflicht bei chinesischen Microblogs

Quelle: Tech In Asia

Teil 2/5 einer kleinen Sammlung wissenschaftlicher Paper zu „Internet Censorship and Control“, zusammengestellt von Steven Murdoch und Hal Roberts.

Quelle: Tech In Asia
Quelle: Tech In Asia

King-wa Fu, Michael Chau (University of Hong Kong) und Philip C.H. Chan (Hong Kong Polytechnic University) thematisieren in ihrem Paper „Assessing Censorship on Microblogs in China: Discriminatory Keyword Analysis and Impact. Evaluation of the ‚Real Name Registration‘ Policy“ die Nutzung von Mikroblogs in China sowie den Einfluss verschiedener Zensurmethoden und der Klarnamenpflicht auf chinesische Mikrobloggerinen und -blogger.

Bei anderen Studien bezüglich der Zensurmaßnahmen in China, zum Beispiel der von Gary King, Jennifer Pan, und Margaret Roberts, sehen Fu, Chan und Chau gleich drei Schwierigkeiten, die die Aussagekraft der Studie gefährden. Zum einen das hohe Spamaufkommen, vor allem beim größten chinesischen Mikroblogging-Dienst Sina Weibo, das einerseits den Traffic künstlich erhöht und andererseits häufig zensiert wird. Weiterhin ist es zu kurz gegriffen, nur die zensierten Begriffe zu betrachten – in China werden häufig Inhalte von bestimmten Personen zensiert, von Dissidenten, Journalisten, Akademikern oder Aktivisten. Die drei Wissenschaftler schlagen daher vor zu fragen, wieso einige Aussagen gewisser Personen zensiert werden und andere nicht, und wie diese Zensur beschaffen ist. Der dritte Punkt, den Fu, Chan und Chau anmahnen, ist die Definition chinesischer Begriffe. Anstatt sich nur an festgelegten Begriffslisten zu orientieren, sollten Forscherinnen und Forscher auch Wortspiele, Homophone und umgangssprachliche Schreibweisen berücksichtigen. Sie könnten sonst den Umfang ihrer Ergebnisse limitieren.

Die drei Wissenschaftler entwickelten für ihre Forschung ein System namens Weiboscope. Durch die offene Sina Weibo API konnten sie eine Liste aller ‚populären‘ Mikrobloggerinnen und -blogger (solche mit mehr als 1000 Followern) seit Ende 2012 erstellen, insgesamt etwa 350.000. Deren Timelines (Posts) speicherten sie in einer Datenbank, so kamen zwischem dem 1. Januar 2012 und dem 30. Juni 2012 insgesamt 111 Millionen Posts zusammen. Durch die Beschränkung auf ‚populäre‘ Nutzerinnen und Nutzer soll die Anzahl an Spam Accounts minimiert werden.

Da zensierte Inhalte sehr schnell verschwinden, erstellten die Forscher drei priorisierte Gruppen: Gruppe 1 besteht aus weniger als zehn Akademikern der Universität Hong Kong, die sich regelmäßig zu Chinas Medienindustrie äußern. Die Timelines dieser Gruppe werden alle drei Minuten aktualisiert und kontrolliert. Gruppe 2 besteht aus Freunden (Followern?) der ersten Gruppe, überwiegend Dissidenten, Journalisten und Wissenschaftler. Dieser Gruppe werden ebenfalls Nutzerinnen und Nutzer hinzugefügt, bei denen festgestellt wird dass Posts gelöscht werden. Sie besteht aus circa 5000 Personen und wird alle sechs Stunden aktualisiert. In Gruppe 3 befinden sich 38.000 Personen mit mehr als 10.000 Followern, sie wird ein Mal täglich aktualisiert.

Die Forscher verglichen also die aktualiesierte Timeline mit der Version zuvor. Fehlt ein Post, gibt es zwei mögliche Fehlermeldungen: „weibo (Post) does not exist“ oder „permission denied“. Tests ergaben, dass „permission denied“ dann angezeigt wird, wenn der Post von einem Zensor gesperrt wird – bei Sina Weibo gibt es für Nutzerinnen und Nutzer selbst keinerlei Möglichkeit, Posts zu verbergen oder nur bestimmten Menschen zugänglich zu machen. Wird hingegen „weibo does not exist“ angezeigt, kann entweder derjenige Nutzer seinen Post selbst gelöscht haben, oder er wurde von einem Zensor komplett gelöscht. Da die Forscher keine Möglichkeit sehen, bei der zweiten Fehlermeldung zwischen Zensur und selber löschen zu unterscheiden, werden diese Fälle nicht aufgenommen. So wurden insgesamt 17.594 zensierte Posts von 4667 Personen erfasst.

Die am häufigsten zensierten Begriffe thematisierten den Skandal um Bo Xilai, die Ereignisse rund um Chen Guangcheng, die Ein-Kind-Politik, die Wohnungspolitik und das Rentensystem.

Other major keywords included political terms „two meetings“ (the two annual meetings that make national-level political decisions), National People’s Congress (leaders in the Communist Party, officials, refuting rumors, content deletion and profanity. Furthermore, we discovered a number of terms that were created by Chinese microbloggers to circumvent the censors. For example Pingxi Wang (literally „King who pacifies the west,“ referring to Bo Xilai), CGC (initials of Chen Guangcheng), „crown prince“ (referring to Xi Jinping, China’s new leader) and „grass“ (an obscure alternative writing of a homophone of a vulgar word).

Die genaue Analyse der Schlüsselwörter findet im Paper auf den Seiten 10-12 statt.

Evaluation des Einflusses der Klarnamenpflicht

Fu, Chan und Chau legten zwei Zeitperioden fest: Die erste, T1, vom 8.12.2011 bis 15.03.2012, die zweite, T2, vom 16.03.2012 bis 22.06.2012. T1 beschreibt die 99 Tage vor Durchsetzung der Klarnamenspflicht, T2 die 99 Tage danach. Insgeamt 166.725 Mikrobloggerinen und -blogger, die während T1 mindestens einen Post abgesetzt hatten, wurden berücksichtigt. Die untenstehende Grafik zeigt die tägliche Post-Frequenz, die an drei Stellen einbricht. Einmal vor dem chinesischen Neujahrsfest, einmal direkt nach dem 16. März und einmal am 20. April (wegen eines „Internet Crackdown“).

weibo

Da die Wissenschaftler jedoch keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Durchsetzung der Klarnamenspflicht und dem Einbruch in den Posts der beobachteten Nutzerinnen und Nutzern feststellen konnten, konzentrierten sie sich auf die „potentially affected microbloggers“ (PAM) – also diejenigen Nutzerinnen und Nutzer, die sich von der Klarnamenspflicht womöglich haben beeinflussen lassen. 34.3 Prozent der knapp 167.000 Testpersonen wurden als PAM identifiziert, da sie alle während T2 nichts gepostet haben.

In summary, despite an absence of evidence of significant changes in overall activity after the RnR (Real-Name Registration, Anm. d. Red.), when comparing those microbloggers who did not post after the RnR to those who posted as usual by scrutinizing their contents published before the RnR, we discovered that the best discriminatory terms between two groups were mostly related to political and social issues. We therefore suspected if the RnR were not enforced, some PAM microbloggers could have posted weibos related to politics as usual after the RnR.

Fu, Chan und Chau sehen ihre Forschung nur als vorläufig, weitere Studien mit längeren Zeitperioden seien notwendig, um Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Despite the fact that China is an authoritarian state and the contexts are totally different, this result should have global implications as recently more international social media companies, including Youtube and Google, have expressed interest in forcing their users to disclose real names to minimize trolling.

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