Niedersachsen: Mehr Open-Data, keine Vorratsdatenspeicherung

In Niedersachen haben SPD und Grüne ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Darin finden sich auch viele netzpolitisch relevante Stellen. Insgesamt ist der Koalitionsvertrag recht solide, aber besser geht auch noch.

Man möchte „den weitgehenden Einsatz von Freier Software und Open Source in allen Behörden und Bildungseinrichtungen fördern“ und „darüber hinaus prüfen, wie dort der Einsatz von Tablets und Laptops zu verstärken ist“.

Die zuvor ausgeweitete Videoüberwachung soll eingeschränkt werden und „für die verbleibenden Überwachungsanlagen wird ein öffentlich einsehbares „Anlagenkataster“ geschaffen“.“ Anlasslose Überwachungen von Großveranstaltungen“ sollen eingeschränkt werden, der „Einsatz von Drohnen als technisches Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen bei Veranstaltungen oder Ansammlungen im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen“ wird generell abgelehnt. Drohnen sollen „lediglich bei der Verfolgung von schweren Straftaten wie Geiselnahmen, Entführung mit erpresserischem Menschenraub oder Verfolgung nach Bankraub kann im Einzelfall ein Einsatz von Drohnen in Betracht kommen“. „Personenbezogene Daten und Abbildungen einer Person dürfen vorerst nicht in sozialen Netzwerken eingestellt werden. Die polizeiliche Fahndung und Ermittlung mit und in sozialen Netzwerken werden datenschutzrechtlich überprüft und dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen.“

Man möchte „mit einem neuen Landesdatenschutzgesetz einen unabhängigen, bürgernahen und effizienten Datenschutz verwirklichen“ und „im Bundesrat einen weitergehenden Datenschutz für Beschäftigte einfordern.“ Man will „die Landesbehörde für den Datenschutz, Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte durch geschultes Personal und technische Ausstattungen für diese Aufgaben wappnen“ und „sich im Bundesrat für hohen datenschutzrechtlichen Standard auch auf der EU-Ebene einsetzen“.

Man will „gemeinsam mit den Hochschulen und Universitätsbibliotheken eine Open-Access-Strategie entwickeln“ und „die Hochschulen auffordern, im Bereich von Risikotechnologien und Forschungsvorhaben mit militärischer Relevanz eigene Plattformen für einen ethischen Diskurs zu schaffen.“

Man setzt sich „für eine flächendeckende Grundversorgung mit schnellen breitbandigen Internetverbindungen ein und drängt darauf, diese durch Universalverpflichtung abzusichern“. Außerdem
sollen für den „Breitbandausbau gezielt EU-Mittel“ eingesetzt werden. Mein Lieblingssatz ist ja:
„So hat „IT made in Niedersachsen“ das Potenzial zum Exportschlager.“

Man verspricht, „gegen Straftaten im Internet den Ansatz „Löschen statt Sperren“ konsequent“ zu verfolgen. „Es sollen tragfähige Lösungen zur Rechtsdurchsetzung im Internet entstehen, die die Grundrechte wahren und Rechtsverletzung nach dem Verursacherprinzip behandeln. Warnhinweismodelle im Internet, flächendeckende Überwachung der Netzkommunikation, Netzsperren oder Internetzugangssperren werden als unwirksame und tief in die Grundrechte eingreifende Symbolpolitik abgelehnt. “
Man unterstützt „die Initiativen der Länder Hamburg, Berlin und des Bundestages, das Haftungsrisiko für WLAN-Betreiber (Störerhaftung) zu beschränken“. Welche Initiative man auch immer im Bundestag verortet (Ich hoffe ja, sie meinen den Gesetzesentwurf der Linken).

Man wird „endlich auch in Niedersachsen eine umfassende Open-Data-Strategie mit einem modernen Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorlegen. Es soll staatliche Stellen verpflichten, alle relevanten Informationen digital in einem Transparenzregister zu veröffentlichen. Nur in begründeten Ausnahmetatbeständen – so zum Schutz von personenbezogenen Daten oder zum Schutz öffentlicher Belange – soll der Informationszugang im Einzelfall verwehrt bleiben.“

Man will „die öffentliche Mitzeichnung von Petitionen auf einer Internetplattform ermöglichen“ und „sich auf Bundesebene für ein Exportverbot von Soft- und Hardware einsetzen, die zur Überwachung
und Vorbereitung von Repressionsmaßnahmen in Diktaturen genutzt werden kann und in Deutschland
nicht verwendet werden darf“. Dazu will man „sich auf Europa- und Bundesebene, im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz, gegen die derzeit diskutierten Varianten der Vorratsdatenspeicherung einsetzen“, da man „dieses Verfahren für einen hochproblematischen Eingriff in die Grundrechte“ hält. „Auch die heimliche Onlinedurchsuchung von Computern wird als massiver Eingriff in die Grundrechte abgelehnt.“

Nicht fehlen darf das Bekenntnis, sich für ein „faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ einzusetzen. Das „soll einen gerechten Interessenausgleich für Urheberinnen und Urheber, Verwerterinnen und Verwerter sowie Nutzerinnen und Nutzer herstellen und das Recht mit neuen digitalen Nutzungspraktiken in Einklang bringen“. Dazu soll es „bildungs und wissenschaftsfreundlich sein“. „Ein eigenständiges Leistungsschutzrecht für Presseverlage, das bereits kleine Ausschnitte aus Zeitungsartikeln für ein Jahr ab Veröffentlichung gesetzlich schützt, bezeichnet der Koalitionsvertrag als „überflüssig“.

Apropos Rot-Grün und Leustungsschutzrecht?

Wie ist das eigentlich, wenn Rot-Grün unerwartet die kommende Bundestagswahl gewinnen sollte. Versprechen SPD und Grüne bereits jetzt, dass sie dann das vermutlich bis dahin beschlossene Leistungsschutzrecht wieder zurücknehmen? Wenn nein, warum nicht?

8 Ergänzungen

  1. Das klingt gut. Ich würde mich freuen hier nach Ende der Regierungsperiode ein Fazit vorzufinden, was davon inwiefern umgesetzt wurde.

  2. Eine Überprüfung von Open Source Migration ist ja schon mal ein gutes Zeichen, dass es in meinem Bundesland aufwärts geht.

    Ich erinnere mich nur zu gut an die europaweit beachtetete, verheerende Rolle von niedersächsischen Ministerien während der Open XML Standardisierung.

  3. Ich bin dann mal gespannt, was wirklich passiert. Solche Hoffnungen hatte ich für Baden-Württemberg auch, und herausgekommen sind automatische Kennzeichenüberwachung, der Grosse Lauschangriff sowie das Abschalten von Handy und Internet im Krisenfall.

    Grün-Rot hat in Baden-Württemberg das von der CDU vorgegebene Polizeigesetz noch wesentlich verschärft. Ich hoffe, das läuft dann in Niedersachsen anders.

    Warten wir’s ab.

  4. @ Markus: „besser geht auch noch“ – wo denn genau? Das bist du uns hier schuldig geblieben.

    Danke dennoch fuer die gute Zusammenfassung anhand des Originaltextes. Allein das war super, nur bei der kritischen Eingangsbemerkung haette ich gerne Butter bei die Fische, wie man hier im Norden sagt.

    Dass wir alle den Druck aufrecht erhalten muessen, damit das auch wirklich so umgesetzt wird und nicht der jahrelang CDU-gefuehrte Apparat oder die Sozen am Ende de facto schlechte Politik machen, ist eh klar und davon unbenommen.

    1. @Ralf Bendrath: Die Ablehnung des Leistungsschutzrechts geht zu sehr in eine explizite Richtung als dass man darauf die generelle Ablehnung eines Leistungsschutzrechts herauslesen kann. Die Störerhaftungsinitiative im Bundesrat ist gut gemeint, aber führt unserer Meinung in die falsche Richtung. Andere Themen wie Open Educational Ressources fehlen z.B. komplett, es fehlt eine explizite Forderung, das Abmahnunwesen bei Urheberrechtsverletzungen auch bekämpfen zu wollen, etc. Insofern ist das alles ganz ok, aber besser geht immer.

  5. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sieht im Koalitionsvertrag in Punkto Vorratsdatenspeicherung noch eine Hintertür und vermisst hier eine klare Ansage: http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/2013/02/14/rot-gruner-koalitionsvertrag-in-niedersachsen/

    In dem Blogpost heißt es unter anderem:

    1. Zur Vorratsdatenspeicherung

    “Die rot-grüne Koalition wird sich auf Europa- und Bundesebene, im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz, gegen die derzeit diskutierten Varianten der Vorratsdatenspeicherung einsetzen. Sie hält dieses Verfahren für einen hochproblematischen Eingriff in die Grundrechte.” (Seite 80)

    * Was ist mit “derzeit diskutierte Varianten der Vorratsdatenspeicherung” genau gemeint?
    * Folgte die niedersächsische SPD der im Dezember 2011 zementierten Linie der Bundes-SPD, so würden wir mit einer vollständigen Speicherung aller TK-Verbindungsdaten und deren Speicherung für sieben Tage sowie mit einer 90tägigen Vorratsdatenspeicherung der besonders sensiblen IP-Daten konfrontiert werden.
    * Warum schafften es Rot-Grün nicht, sich grundsätzlich gegen das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung auszusprechen? Die Grünen haben so etwas vor der Wahl postuliert und selbst die sozialdemokratischen Jurist*innen, Richter*innen und Staatsanwält*innen bewerten jede Form der Vorratsdatenspeicherung als Paradigmenwechsel und lehnen diese ab. Hier soll es aber nur “gegen die derzeit diskutierten Varianten” gehen?
    * Es wäre schön, wenn sich die niedersächsische SPD an dieser Stelle ähnlich wie in der Gorleben-Standortfrage eine eigene durchdachte Meinung zulegen könnte und zu dieser stehen würde. (Wir stehen gerne zu Gesprächen und Diskussionen zur Verfügung!)

    1. unabhängig vom inhalt der kritik auf dem akv-blog:

      das ist die ausdrückliche meinung eines einzelnen menschen vom ak vorrat und nicht die meinung des arbeitskreis vorratsdatenspeicherung.

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