Netzpolitischer Wochenrückblick KW37

Hier wieder das Wichtigste aus dem Bereich Netzpolitik dieser Woche. Wer nicht lesen möchte, kann sich das Ganze dank unserer Kooperation mit Bln FM auch hier als Podcast – gesprochen von Tim Thaler – anhören.

 

Neues von der NSA, Prism und Snowden:
Die US amerikanische Bürgerrechtsorganisation ‚Electronic Frontier Foundation‘ hat nun einen Gerichtsprozess gewonnen, in dem es darum ging, ob und in welchem Ausmaß bisher geheime Dokumente des Geheimdienst-Gerichts, dem Foreign Intelligence Surveillance Court, veröffentlicht werden müssen. Der EFF wurde recht gegeben und somit werden mehrere hundert Seiten Text, durch das US Justizministerium veröffentlicht. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, da die Bevölkerung nun erstmals Einblick in die Interpretation und Ratio des Geheimdienst-Gerichts hält.

Eine weitere Enthüllung im Abhörskandal ist die Kooperation Schwedens mit dem US amerikanischen Geheimdienst NSA und der britischen GCHQ. So hilft Schweden beim Abhören der Glasfaserkabel in der Ostsee, da es an einer strategisch günstigen Position sitzt, um jeglichen Datenverkehr zwischen Ost und West abzuhören. Der britische Journalist Duncan Campbell sagte im EU-Innenausschuss, dass Schweden einer der wichtigsten Kooperationspartner der GCHQ sei.

Weiter geht es mit Beweisen aus Snowdens Fundus, dass die NSA natürlich auch SWIFT überwacht. SWIFT ist ein Netzwerk aus über 10.000 Banken in 212 Ländern, für internationale Finanztransaktionen. Seit Jahren wird davor gewarnt, dass SWIFT durch die US Regierung nur eingeführt wurde, um jegliche Transaktionen zu überwachen – nun ist bewiesen, dass die NSA direkten Zugriff auf diese Daten hat. Daher kann man nur hoffen, dass Deutschland und die EU so schnell wie möglich aus dem SWIFT-Abkommen aussteigen.

Zu guter letzt kam dann noch die Enthüllung, dass die NSA direkt mit Israel kooperieren und diesen auch „Raw Signal Intelligence“ – also ungefilterte Rohdaten einer Kommunikation – übersenden. Dies können auch potenziell Daten über US Bürger oder gar Regierungsmitglieder sein. Während Rohdaten über US Regierungsmitglieder sofort gelöscht werden müssen, können Daten über Nicht-US Amerikaner auch an andere israelische Behörden weitergegeben werden.

 

Deutschland: Funkzellenabfrage wird durch Polizei viel zu oft und willkürlich eingesetzt
Auch in Nordrhein-Westfalen werden jeden Tag Handy-Verbindungen von hunderttausenden Menschen an Polizeibehörden übermittelt und gerastert. Das geht aus einer Antwort der rot-grünen Landesregierung hervor. In ganz Deutschland dürften demnach jeden Tag dutzende Funkzellenabfragen stattfinden – statistisch ist jeder Einwohner betroffen. Da bei jeder Funkzellenabfrage teils 10.000nde Handys abgefragt werden, soll diese Maßnahme laut Gesetz nur bei „schwersten Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung“ zum Einsatz kommen. Realität ist jedoch, dass es vor allem bei Eigentumsdelikten, wie Diebstahl, Bandendiebstahl, Raub und Erpressung zum Einsatz kommt. So sagt der Berliner Datenschutzbeauftragte dass die massenhafte Handy-Rasterfahndung “zum alltäglichen Ermittlungsinstrument geworden, das routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird.” Zur Zeit gibt es zwei Klagen vorm Bundesverfassungsgericht gegen Funkzellenabfragen in Dresden.

 

Europa: Netzneutralität immer noch in Gefahr durch neuen Verordnungsentwurf
Die EU-Kommissarin Neelie Kroes hat einen Verordnungsentwurf zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes in der Telekommunikation vorgestellt. Der Verordnungsentwurf würde ein „Zwei-Klassen Internet“ ermöglichen, indem die Internet Provider eine „Überholspur“ anbieten dürfen. Das bedeutet, dass Dienste Geld an den Internet-Provider zahlen müssen, um privilegiert zum Kunden zugestellt zu werden. Bereits etablierte Player wie Skype oder aber YouTube können es sich leisten, auf einer schnellen Überholspur zu ihren Nutzern zu kommen. Sie zahlen dafür gerne eine Mautgebühr, weil neue Wettbewerber dafür schlechtere Zugangschancen haben. So sagt die European Digital Rights Organisation zu Kroes Entwurf: „Wenn man Zugangs- und Inhalteanbietern erlaubt, Verträge untereinander abzuschließen, wird sich die Verordnung sehr wahrscheinlich als kontraproduktiv für Europas Innovatoren entpuppen, da sich nur Großunternehmen diese Spezialverträge leisten können.“ Ein Abkommen dieser Art gibt es z.B. schon zwischen der Deutschen Telekom und Spotify.

 

Berlin: „Freiheit statt Angst“ Demonstration am Samstag war voller Erfolg
Nach Angaben von Veranstaltern und diversen Medienberichten waren ca. 20.000 Menschen gekommen, um gegen private und staatliche Überwachung zu demonstrieren.In fantasievollen Kostümen, mit kreativen Transparenten und markigen Sprüchen protestierten Menschen – unterschiedlichster Vereine, Organisationen und Parteien – in Berlin friedlich gegen die Schnüffelpraktiken der NSA, gegen die andauernde Verletzung ihrer Privatsphäre und gegen die beharrliche Untätigkeit der Regierung Merkel.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.