Grundrecht auf Zugang zu Information: Österreichs Große Koalition für Open Government in Verfassung

In der finalen Version des Arbeitsprogramms (PDF) der großen Koalition in Österreich findet sich neben zahlreichen eher allgemeinen Formulierungen auch eine Passage, die einen endgültigen Bruch mit dem bislang immer noch verfassungsgesetzlich verankerten Prinzip des „Amtsgeheimnisses“ darstellt. Konkret heißt es in der Passage wie folgt:

Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis

Ziel:

Staatliches Handeln soll transparenter und offener gestaltet werden.

Herausforderung:

Das Amtsgeheimnis in seiner derzeitigen Form ist überholt.

Maßnahmen:

Das Amtsgeheimnis wird, unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Datenschutz, ersetzt durch

  • eine verfassungsgesetzlich angeordnete Pflicht aller Staatsorgane, Informa­tionen von allgemeinem Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen (Open Government) und
  • ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen unter materiellem Gesetzes­vorbehalt.

Dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen unterliegen alle Organe der Gesetz­gebung und Verwaltung sowie Unternehmungen, die der Kontrolle der Rechnungs­höfe unterliegen.

Um notwendigen Schutzinteressen in gewissen Bereichen zu entsprechen, müssen Begleitregelungen auf einfachgesetzlicher Ebene erlassen werden. Gleichzeitig sollen von einem Strafverfahren Betroffene in ihren Persönlichkeitsrechten geschützt werden.

Umsetzung:

Vorlegen eines Begutachtungsentwurfs zur B‑VG Novelle 1. Halbjahr 2014.

Klarerweise wird es bei der Umsetzung darauf ankommen, dass die einfachgesetzlichen „Begleitregelungen“ das neue Grundrecht auf Zugang zu Information nicht unterlaufen. Die verfassungsgesetzliche Ausgestaltung als Grundrecht ist aber jedenfalls zu begrüßen und impliziert auch eine weitreichende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs in diesbezüglichen Angelegenheiten.

Abgesehen von Open Government bleibt der Koalitionsvertrag netzpolitisch vage, die Bedeutung des Themas ist verglichen mit dem Koalitionsvertrag in Deutschland signifikant geringer. Die in Österreich bereits eingeführte Vorratsdatenspeicherung wird genauso wenig erwähnt wie digitale Lehrmittelfreiheit, Open Source Software oder Netzneutralität. Und der Absatz zum Thema Urheberrecht ist nur eine Langform von „Wir müssen darüber reden“:

„Das volle Potential des geistigen Eigentums ausschöpfen durch Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie für geistiges Eigentum unter Einbeziehung aller Stakeholder und unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite des geistigen Eigentums. Bewusstseinsschärfung der breiten Öffentlichkeit für den Schutz und die Funktion des Urheberrechts. Reform des Urheberrechts und sonstiger rechtlich relevanter Bestimmungen unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes, sowie der Interessen von kunstschaffenden Konsumenten und in Österreich tätigen Unternehmen. Anpassung des Filmurheberrechts an die europäische Judikatur, Bedarfsanalyse für urhebervertragsrechtliche Regelungen, Prüfung von Sonderregelungen für digitale Publikationen von Sammlungsbeständen.“

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass aus netzpolitischer Sicht die Ablösung des Amtsgeheimnisses durch ein Grundrecht auf Zugang zu Information ebenso wichtig wie überfällig ist. Ansonsten ist Netzpolitik im 124 Seiten starken österreichischen Koalitionsvertrag vor allem eines: eine Leerstelle.

3 Ergänzungen

  1. Je nun, ohne in den Ruch zu kommen, das Papierl und diese unernste aber hoffnungslose Regierung Faymann Zwo verteitigen zu wollen, ist von Digitalisierungsprojekten und E-Learning an einigen anderen Stellen durchaus offen die Rede. Hohe Erwartungen sollten diese eingesprenkelten Projektvorstellungen jedoch nicht wecken.

    1. Digitalisierung und E-Learning sind aber eben nicht digitale Lehrmittelfreiheit/Open Access. Während im deutschen Koalitionsvertrag explizit von freien Lizenzen und Formaten die Rede ist, kommen diese im österreichischen Vertrag gar nicht vor.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.