Selbstamputation von ARD und ZDF auf gutem Weg

Heute trafen sich Vertreter von ARD und ZDF, namentlich die ARD-Vorsitzende Monika Piel, ZDF-Intendant Markus Schächter sowie Ulrich Wilhelm (BR) und Lutz Marmor (NDR), erneut mit Interessenvertretern der Zeitungsverleger, um die weitere Beschneidung des Online-Angebots der Öffentlich-Rechtlichen zu besprechen. Dem Vernehmen nach sollen sich diese in Zukunft weitestgehend auf Video- und Tonbeiträge beschränken, während die Verlage sich auf Textbeiträge konzentrieren wollen.

Allen an den Gesprächen Beteiligten dürfte gemein sein, dass sie sich schwertun, den Unterschied zwischen Druckerzeugnissen und textbasiertem Online-Journalismus zu erkennen (bzw. im Fall der Verleger so gemein sind, ihn den Gesprächspartnern zu verschweigen). Stefan Niggemeier nennt das Ganze „vorauseilende Selbstverstümmelung“:

Unklar ist schon einmal, warum ARD und ZDF überhaupt mit den Verlegern über ein solches Kompromisspapier verhandeln. Im Streit um die Tablet-Version von tagesschau.de, gegen die mehrere Verlage geklagt haben, hatte der Richter zwar angeregt, dass beide Seiten miteinander reden. Aber erstens geht es in den Gesprächen, die nun geführt werden, gar nicht um die »Tagesschau«-App, sondern ein viel fundamentaleres Abstecken der Grenzen öffentlich-rechtlicher Online-Angebote. Und zweitens spricht wenig dafür, dass die ARD diesen Rechtsstreit am Ende verloren und deshalb ein Interesse daran hätte, den Verlegerforderungen vorsorglich weit entgegen zu kommen.

Der Deutsche Journalisten-Verband hat unterdessen erklärt, was er von diesen Plänen hält. Der Bundesvorsitzende Michael Konken meint:

[ARD und ZDF] würden den eigenen Online-Journalismus unzumutbar amputieren und den Anforderungen an ihre journalistische Tätigkeit in diesem Feld nicht mehr gerecht.

2012 wird übrigens als das Jahr der Einführung von Online-Bezahlmodellen ausgerufen. Mehrere Verlage planen, ihr Webangebot nicht weiter nur durch Werbung zu finanzieren, und wollen verstärkt Leser finden, die bereit sind zu bezahlen. Vorher den Markt beschneiden ist ein cleverer Schritt, auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen mit Depublizierungspflicht und Verzicht auf nutzerfreundliche Lizenzierung sowieso schon Richtung Lächerlichkeit lobbyiert wurden.

26 Ergänzungen

  1. Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen Auftrag, und das ist Unabhängige Information. Um eine freie unabhängige Politische Meinungsbildung des Volkes zu ermöglichen. Dem sollten sie endlich mal nachkommen. Rateshows, Schnulzenfilmchen, Stundenlage Sportübertragungen und so Zeug. Haben damit reichlich wenig zu tun, und kostet unnötig viel Geld. Momentan sehe ich da auch viel zuviel Parteieinfluss. Also bitte ARD u. ZDF Sender Anzahl reduzieren weniger Wiederholungen und auf den Auftrag beschränken. Dafür alles was gesendet wurde in einem öffentlich zugänglichen Archiv belassen. Und Text im Web gehört heutzutage auf jeden Fall auch zur Informationspflicht. Statt 8 Milliarden dürfte es dann auch locker die Hälfte tun, und das bei Qualitativ besserer und mehr Information.

    1. Das stimmt nicht ganz, was du zum Auftrag der ÖR schreibst.
      Sie haben natuerlich die Aufgabe, uns unabhaengig zu informieren und so weiter. Aber ihr Auftrag geht weit darueber hinaus, Unterhaltung und Sport gehoert auch dazu. Ob man das gut findet und ob man wirklich soviel Schrott (auch noch parallel auf ARD und ZDF) senden muss, steht auf nem anderen Blatt.

    2. Ich kenne kein demokratisches Land auf der Welt, wo es zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsysteme gibt. Nirgends gibt es so hohe Zwangsabgaben für TV und Radio.
      Insofern stimme ich Andy voll und ganz zu.
      Wieso stellt sich die Piratenpartei eigentlich nicht gegen die GEZ? Damit wäre doch ihr Einzug in den Bundestag voll und ganz gesichert.

    3. Es ist wohlfeil, gegen Zwangsgebühren und Programmverflachung bei ARD und ZDF zu polemisieren. Und es stimmt ja: So manches im öff.rechtl. Programm ist – auf Deutsch gesagt – Schrott. Und auch den Einfluss der Politik muss man beklagen (ZDF/Brender). Dennoch: Ich halte zwei so starke öff.rechtl. Fernsehsystem für einen Segen. Nur ein paar Stichworte: Tagesschau, Heute, Auslandskorrespondenten, Kinderprogramme, Co-Finanzierung von (Kino)filmen, Phoenix und anderes mehr. Und janosch hat Recht, Unterhaltung und Sport gehören auch dazu, auch wenn’s manchmal weh tut. Aber ein nur intellektuelles und avantgardistisches Programm für eine Bildunselite rechtfertigt auch keine Gebühren.

    1. Die Weltsicht der Nachdenkseiten teilt lediglich eine Minderheit. Diese Weltsicht sollte auch im Programm des WDR nicht unberücksichtigt bleiben. Aber der WDR sendet für einen viel größeren Kreis. Auch diese Bevölkerungsgruppen haben einen Anspruch auf Berücksichtigung.

  2. Vor ein paar Tagen waren die ÖR noch die Bösen ( http://netzpolitik.org/2012/zdf-und-ard-fur-acta-und-privatisierung-der-rechtsdurchsetzung/ ) und jetzt sind sie auf einmal die Guten und die Opfer der bösen Verlegerlobby?

    Amputieren von ÖR Online-Journalismus? ÖR und Journalismus? Welcher Journalismus?
    Meint ihr etwa die Pro ACTA ( http://www.heise.de/tp/artikel/36/36454/1.html ), Pro VDS ( http://www.daten-speicherung.de/index.php/ard-politkampagne-fur-vorratsdatenspeicherung/ ) und Anti-Killerspiele ( http://www.youtube.com/watch?v=9c5rwlKFsLE ) Propaganda?

    Das gesamte Prinzip des Gebührenfinanzierten ÖR Rundfunks ist ein Irrweg.
    Schlechter, zwischen Parteipolitik ( http://de.wikipedia.org/wiki/ZDF-Verwaltungsrat ) und mächtigen Interessengruppen ( http://de.wikipedia.org/wiki/ZDF-Fernsehrat ) aufgeriebener Journalismus (Propaganda), miserabelste Unterhaltung und Wissensfernsehen auf Kindergartenniveau braucht im Internetzeitalter niemand.

  3. Vermutlich haben Piel, Schächter & Co. für die Zeit nach dem Amt bei ihrem jeweiligen Sender schon weitergehende Karrierepläne. In der marktkonformen Bananenrepublik Deutschland tritt man eine solche öffentliche Stelle doch nicht an, um seine Aufgaben treu und verantwortlich zu erfüllen, sondern um das anvertraute Kapital dazu zu nutzen, sich weitere Freunde in Politik und Wirtschaft zu machen. Das ist doch schon so eine Binsenweisheit, da werde ich doch nicht der einzige sein, der auf diesen Gedanken gekommen ist?

  4. wenn es keinen kritischen fernsehjournalismus mehr gäbe, könnten die videos dann nicht eigentlich wieder länger übers netz zur verfügung bleiben?

    tut mir leid, aber seitdem ich über den letzten medienstaatsvertrag zu weinen aufgehört habe, bekomme ich den sarkasmus bei dem thema nicht mal mit kernseife von der zunge.

    vielen dank, dass sie sich ernsthafter damit auseinandersetzen. den hervorragenden artikel von herrn niggemeier kann man gar nicht oft genug verlinken.

    .~.

  5. War schon klar, dass ihr hier jegliche Kritik an der Gebührenfinanzierung von Prenzlbergers iÄpfelchen-Spielzeugen für Besserverdiener wegzensieren würdet, und nicht nur das, sondern jegliche Beiträge des selben Autors, nur weiter so!

  6. So ein Stuss. So ein Kommentar wie „Tja, der Kapitalismus will sich nun auch endgültig das Internet unter den Nagel reißen !“ passt hierher. Als wäre es nicht der Kapitalismus, der das Internet hervorgebrachte und der Kommunismus der, der es ideologisch vereinnahmen möchte.

    Das Problem an den Inhalten von ARD und ZDF ist die Gebührenkrake, die dahinter steckt. Im ersten Moment werden Inhalte, die bereit gebührenfinanziert sind, in das Netz gestellt. Im zweiten Schritt verlangt man Gebühren für den internetfähigen PC, weil man schließlich die Inhalte damit erreichen könnte.

    Dort sitzen keine selbstlosen Heiligen. Die Berichterstattung ist stark Interessengesteuert, nämlich von den Handelnden selbst. Die den ganzen Milliarden-Apparat zur persönlichen Selbstdarstellung nutzen, um sich als die einig wahrheits-wahrende Instanz zu verkaufen und ihre Gebühren-Kuschelwelt aufrecht zu erhalten.

    Alle anderen der Medienwelt kämpfen mit sinkenden Umsätzen. Dort passt man halt die Gebühren an. Es ist ein beliebtes Spiel, ähnlich des Kettenbriefs, sich als kleine Gruppe großzügig aus den Taschen der anderen zu bedienen. Und dies dann als positives Beispiel staatlich gelenkten Wirtschaftens zu verkaufen. Klappt nur nicht, wenn sich alle großzügig aus den Taschen der anderen bedienen wollen.

    1. Ein schöner Hinweis, dem man mal nachgehen sollte. Wer profitiert von den GEZ-Geldern am meisten? Die Zuschauer? Oder die festen und freien Mitarbeiter der Anstalten sowie die vielen Produktionsfirmen?
      Was ist mit den Nicht- oder Kaum-Zuschauern, die hauptsächlich Privatfernsehen gucken? Warum müssen die genauso viel zahlen wie die ARD- und ZDF-Nutzer?

    2. Falls sie es noch nicht mitbekommen haben, werden die GEZ-Gebühren in Zukunft sowieso pro Haushalt und nicht mehr pro Gerät abgerechnet (was ich imho auch sinnvoller finde):

      http://www.heise.de/newsticker/meldung/Weg-frei-fuer-Rundfunk-Haushaltsabgabe-1397473.html

      Und das ERWARTE ich dann auch, dass sämtliche Inhalte auf allen Plattformen verfügbar sind!

      Wenn es nach mir ginge, müssten die ÖR sowieso noch ihr gesamtes Filmangebot für GEZ-Zahler im Internet zur Verfügung stellen!

      Dann wäre der Terz um „kinox.to“ und co. vermutlich auch nicht so groß, wenn sich die Leute James Bond ect. auch jederzeit im Netz anschauen könnten, statt nur dann wenn der ARD-Programmdirektor das so entscheidet, was eben ein Konzept aus dem letzten Jahrhundert ist…

      1. Na, vielleicht wäre das die Lösung: Jedem GEZ-Zahler wird ein persönlicher Zugang auf die ÖR Mediatheken gegeben (aka eigenes Login) und die sind damit per-se nicht „frei zugänglich“. Somit entgeht man der Diskussion der Publikationsdauer und folgender De-Puplikation.

  7. Wurde in den Kommentaren bei netzpolitik.org nicht irgendwann (vor Monaten/Jahren) mal ein Projekt verlinkt, bei dem die Mediatheken von ARD/ZDF gespiegelt wurden?

    Ich hab das so im Hinterkopf, finde aber nichts entsprechendes … :-/

  8. Wann stellen ARD und ZDF ihr Fernsehprogramm ein?

    Schließlich beeinträchtigt die „Konkurrenz durch die öffentlich-rechtlichen“ die Einschaltquote von Pro7! Vor allen wenn „Wetten dass?“ läuft…

    Skandal!!

    Wie wäre es damit: ARD und ZDF dürfen im Internet nur noch Filme und im Fernsehen nur noch Videotext anbieten… Wenn es nach den Pappnasen der Medien-Industrie ginge…

  9. Merkt überhaupt jemand den Unterschied? Auf news.google ist die ARD/ ZDF ja hin und wieder noch zu finden, aber auf Rivva doch schon wesentlich seltener.

    Außerdem könnte ARD/ ZDF ja auf die Idee kommen sämtliche Textbeiträge zu vertonen. Das könnte sogar der jeweilige Redakteur/ Journalist tun. Ein Headseat anzustöpseln dürfte ja wohl nicht die Welt kosten.

    Das könnte sogar noch Vorteile haben. Wenn man da zum Beispiel einen Radio-Sender draus machen würde, hätte die Off-Line-Gemeinde auf diese Weise ebenfalls Zugang zu On-Line-Inhalten.

  10. Zuerst war ich schockiert über diese Nachricht, aber mittlerweile mehren sich meine Zweifel, ob nicht eine Selbstverstümmelung der öfftl.-rechtlichen Onlinemedien doch sein Gutes hat.
    Wenn man sieht, wie die ÖR gerade versuchen die ACTA-Kritik zu verwässern und Propaganda der Content-Industrie zu pushen, dann wäre es fast besser, sie würden sich ganz aus dem Netz zurückziehen.

    Dabei wird ein alter Trick genutzt: Per Pro-/Kontra-Meinung wird Neutralität suggeriert, aber de facto Fehlinformationen und Instustriepropaganda auf den Status einer durch Fakten legitimierten Meinung erhoben.

    In der Tagesschau überlässt man in einer Pro-Meinung dem abgebrühten GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy das Feld und verwehrt den Usern in diesem Format generell die Partizipation ( Kommentare oder Bewertungen):
    http://www.tagesschau.de/inland/acta178.html

    In einem, sinnentstellend auf 8 Minuten herunter gekürzten, BR-„Streitgespräch“ diskutiert ein schlecht informierter GEMA-Verantwortlicher mit einem unerfahrenen jungen Piraten:
    http://blog.br-online.de/report-muenchen/2012/4771/streitgespraech-um-das-gesetzesvorhaben.html

    Statt Recherche und informierter Kommentierung eines Journalisten bekommt man, die ungefilterte PR wird mitunter dem Faktum 1:1 entgegen gestellt

    Dass ist miese Meinungsmache zu Gunsten von Lobbyisten, die ohne diese erzwungene Gleichgewichtung der Behauptungen auf verlorenem Posten stünden.
    Simulierte Gleichwertigkeit der Argumente genügt völlig, wenn man sonst über genügend Einfluss und finanzielle Mittel verfügt.

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