Im Schwitzkasten der Nerds

Die Brandeins schreibt ausführlich darüber, wie Programmierer die Welt verändert haben und wie alle davon abhängig wurden. Gleichzeitig gibt es aber laut Brandeins auch Hoffnung, dass die Macht der Programmierer schwindet: Im Schwitzkasten der Nerds. Im letzten Teil des umfangreichen Artikels geht es dann auch etwas um Netzpolitik und Bitkom ist not amused, dass sie nicht mehr die Kommunikationshoheit hätten:

Just in diesem Moment betritt eine neue Generation Experten die Bühne und setzt zum Klammergriff an. Thomas Mosch nennt sie „netzpolitische Nerds“. Der Geschäftsleiter Politik und Wirtschaft des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) sagt: „Acta ist in Deutschland an vielleicht 50 bis 100 Leuten gescheitert, die sich erfolgreich als netzpolitische Experten positioniert haben, sehr effizient online kommunizieren und darüber die öffentliche Meinung in ihre Richtung lenken können.“ Namen nennt der Lobbyist keine, aber es ist unschwer zu erraten, dass er Leute wie den Blogger Jens Best, den Netzaktivisten Markus Beckedahl oder die Sprecherin des Chaos Computer Clubs Constanze Kurz meint. Sie seien in rechtlichen Fragen rund um die Nutzung von Informationstechnik extrem bewandert. „Mit diesem Expertenwissen haben sie eine echte Kommunikationsmacht aufgebaut.“

Man könnte auch sagen, manchmal schlagen Grundrechte einfach Partikularinteressen. Aber keine Sorge, Hoffnung ist in Sicht!

So wiederholt sich auf politischer Ebene das alte Machtspiel der IT-Spezialisten. Wenige Kundige nehmen viele Unkundige in den Schwitzkasten. Doch auch hier deuten sich die ersten Abnutzungseffekte des Expertentums an. Mosch formuliert es vorsichtig: „Mit etwas Zeitverzögerung baut die Politik nun das nötige Fachwissen auf.“ Ein Branchenkenner sagt es etwas drastischer: „Politiker haben keine Lust mehr, sich von Leuten ohne Mandat am digitalen Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen. Der Trick wird nicht mehr lange funktionieren. Aber dafür müssen zumindest Fachpolitiker endlich selbst zu Experten werden.“ –

14 Ergänzungen

  1. Repräsentative Demokratie 101:

    “Politiker haben keine Lust mehr, sich von Leuten ohne Mandat am digitalen Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen.“

    Das erinnert an Statements à la Bürgerproteste (etwa gegen ACTA) seien demokratisch nicht legitimiert.

    Siehe: https://netzpolitik.org/2012/eu-kommission-sieht-antidemokratische-motive-hinter-acta-protesten/
    Und auch: https://netzpolitik.org/2012/wenn-acta-scheitere-sei-dies-die-schuld-der-internet-gemeinde/

  2. Kommt es mir eigentlich nur so vor oder schlaegt sich tatsaechlich aktuell die Mehrheit der „Fachpolitiker(, die) endlich selbst zu Experten werden“ eher auf die Seite der Nerds?

    1. wir bescheurten querköpfe mit inselinteressen haben lediglich ein paar jahre vorsprung und unsere dummheiten im usenet zurechtstutzen lassen.

      oder so.

      ach ja, und noch was: wir sind natürlich kein bisschen eingebildet, einfach nur realisten. (scnr)

      .~.

  3. Hach, ich hoffe doch, dass sich Politiker endlich mal mit den Netz auseinander setzen und sich dort Fachwissen anschaffen. Dann gibt es vielleicht irgendwann auch Gesetze, die die Realität des Internets auch tatsächlich annehmen.

  4. Hilfe, Hilfe! Die Digitale Gesellschaft hält mich im Schwitzkasten! :D

    Meinungsbildung war ja auch auf diesem Wege gar nicht vorgesehen! Alle Macht geht vom Volke aus – die Lobbyverbände übernehmen in Abwesenheit von Herrn Volke diese Position.

  5. “Politiker haben keine Lust mehr, sich von Leuten ohne Mandat am digitalen Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen.”

    Es wird Zeit, dass die Angesprochenen von Leuten am digitalen Nasenring durch die Manege gezogen werden, die ein Mandat haben. Leider gelingt es faktisch nicht, gute Netzpolitiker in die Mandate zu bekommen. In Köln spielt sich gerade wieder so ein Fall ab. 33jährige, bekannte Netzpolitikerin der SPD gegen 60jährige Parteisoldatin.

  6. „Politiker haben keine Lust mehr, sich von Leuten ohne Mandat am digitalen Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen.“

    Aber: Politiker haben immer mehr Lust, sich von Lobbyisten ohne Mandat an jedwedem Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen.

  7. Seltsam, dass der Bitkom-Experte annimmt, die Wirtschaft sei für ACTA positioniert gewesen, und die öffentliche Meinung zentraler als technische Lobbyeinwirkung zu diesem Projekt. Das überlegene Argument und das höhere Vertrauen gewinnt mittelfristig.

  8. Absatz 2 sagt doch alles was man wissen muss:

    Die Politiker haben weiterhin keine Lust, sich mit diesem komischen Internetz zu befassen, merken aber, dass sie beim Wahlvieh damit immer öfter wie Idioten dastehen.
    Und die eigentlich einzig sinnvollste Lösung („selbst Kompetenz aneignen“) ist ungeliebt. Das merkt man an „zumindest“ und „Fachpolitiker“.

  9. Achtung Satire

    Wir geben den Menschen Globalisierung und vernetzen alles, um sie besser ausnehmen zu können und was macht das undankbare Pack? Fängt an selber zu denken, Wissen zu verbreiten und global zu reden. Katastrophe. Was wird aus den einseitig darstellenden Massenmedien? Dem Hinterzimmergemauschel mit den Lobbyisten? Was wird aus unserer Macht, wenn wir die Realität nicht mehr definieren können, weil andere mehr wissen?

    Politiker und Lobbyisten fürchten die Macht einiger weniger, weil diese die Meinung der Massen beeinflussen könnten in einer demokratischen Gesellschaft? Aah jaaa…..

  10. “Acta ist in Deutschland an vielleicht 50 bis 100 Leuten gescheitert, die sich erfolgreich als netzpolitische Experten positioniert haben, sehr effizient online kommunizieren und darüber die öffentliche Meinung in ihre Richtung lenken können.”

    Hey sorry, aber wann hat Politik nicht so funktioniert? Wie wird momentan das Leistungsschutzrecht versucht durchzubringen? Ein paar wenige Lobbyisten vom Springerverlag lenken „die öffentliche Meinung in ihre Richtung“. Und egal worüber wir politisch reden, es geht immer von ein paar wenigen politischen Aktivisten (Politikern/Lobbyisten/sonstigen Aktivisten z.B. mal Anonymous) aus, die dann versuchen die Masse zu überzeugen, wer das kann hat Macht, ich wüsste nicht was jetzt so unglaublich daran ist, dass das auch über das Internet funktioniert…

  11. Was Herr Mosch nicht berücksichtigt, netzpolitische Lobbyisten (im positiven Sinn) wie die Digitale Gesellschaft oder Campact haben einige tausend Unterstützer im ganzen Land. Dass der Bürger auf einmal selbst sehr gute Lobbyisten hat, damit kommt die Industrie noch nicht klar.

    Das heißt doch, dass ihr eure Arbeit gut macht.

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