Das subsuboptimaledeite Einheitspatent Europas

Am Dienstag stimmen die Europaabgeordneten über das Einheitspatent ab. Zu feiern gibt es für Berichterstatter Bernhard Rapkay (SPD) wenig. Ein Einheitpatent wird verabschiedet aber kein einheitlicher EU-Patentschutz. Was überhaupt und wie patentiert werden darf („materielles Patentrecht“), bleibt im EU-Rechtsrahmen unharmonisiert. Subsuboptimal – oder gar nichts, beschrieb Rapkay vor einem Monat die beiden Alternativen den Kollegen im Rechtsauschuss.

Früher einmal nannte sich das Einheitspatent EU-Gemeinschaftspatent, und bei unseren Urgroßeltern sprach man vom Großraumpatent. Von den großen Plänen bleibt eine extrem komplizierte Selbstenthauptung der EU übrig. Zwar soll alles Erteilte grenzüberschreitend rechtskräftig und durchsetzbar sein, aber von demokratischer und höchstrichterlicher Einwirkung hübsch abgeschirmt bleiben.

  • Das Einheitspatent ist ein neues gemeinsames Etikett von einer Koalition europäischer Mitgliedstaaten („Erweiterte Zusammenarbeit“) für ein Bündelpatent der Europäischen Patentorganisation. Die Europäische Patentorganisation steht außerhalb von EU-Recht, und steht einem echten EU-Patentschutz im Weg.
  • Eine neue EU-Sondergerichtsbarkeit (Berichterstatter Klaus-Heiner Lehne(CDU)) wird mit Fallrecht Fakten schaffen. Der Europäische Gerichtshof soll keine Letztinstanz für das Sondergericht werden.
  • Der EU-Gesetzgeber kann weder demokratisch kontrollieren noch Patentrecht mit EU-Industrie-, Verbraucher- u. Wettbewerbspolitik verzahnen. Das Vorschlagsrecht liegt bei der EU-Kommission.

Mit anderen Worten: „Es ist kompliziert“. Dabei weckt Patentierung durchaus Emotionen. Hitzige gesellschaftliche Debatten zur aktuellen und zukünftigen Vergabepraxis der Patentämter haben wir bei Software, Leben und Saatgut verfolgt. Es sind allgemeinpolitische Themen, die auch religiöse Werte und Menschenrechte ansprechen. Darüber wird quer durch die Lager gestritten. Da war das ACTA-Handelsabkommen (zur Patentdurchsetzung) in diesem Jahr, das Jugendliche massenhaft auf die Straßen brachte.

Die Patentprüfer und technische Richter können, dürfen und sollen solche gesellschaftlichen Aspekte nicht berücksichtigen. Aber ihre Entscheidungen betreffen die weitere Entwicklung der digitalen Dienste, die an allen Stellen in unser Leben drängen. Sie bestimmen mit, wer sich ein Smartphone leisten kann. Sie bestimmen, was wir (nicht) mit dem Internet tun können. Sie bestimmen mit, was Bioingenieure auf unseren Teller zaubern werden.

Weise erscheint der Antrag spanischer Abgeordneter, den aktuellen Rapkay-Bericht nach der Aussprache in den Rechtsausschuss zurück zu überweisen. Dann könnten die Abgeordneten im Rechtsausschuss die Konsequenzen aus einer erfolglosen Deckelung der Diskussion ziehen. Auf jeden Fall erwartet uns eine spannende und folgenreiche Debatte morgen im Europäischen Parlament. Dort gehört sie hin.

Zum Hintergrund (in englischer Sprache):

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