Schweigegeld darf man nicht schreiben

Das Hamburger Landgericht hat dem Regensburger Journalisten und Blogger Stefan Aigner verboten, Geldzahlungen und eine „Verschwiegenheitsverpflichtung“ im Fall des sexuellen Missbrauchs an einem Jungen durch einen katholischen Pfarrer als „Schweigegeld“ zu bezeichnen.

Hier gibt es eine Presseerklärung des Netzwerks istlokal.de zum Urteil mit Hintergründen: “Mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbare Entscheidung”.

Und hier gibt es die Hostorie mit Schilderung des Sachverhalts: In eigener Sache: Vor der Entscheidung im Rechtsstreit Diözese Regensburg ./. regensburg-digital.de.

Stefan Aigner will in die nächste Instanz gehen und sammelt dafür Spenden: Landgericht Hamburg gibt Diözese recht! Wir gehen in die nächste Instanz!

32 Ergänzungen

  1. Ich ärger mich ja öfter über die Fehlurteile (jedenfalls in meinen Augen) des LG Hamburg. Aber das hier macht mich echt wütend. Kennen die dort denn gar keine Scham. Man sollte die Praktiken der Katholischen Kirche (ob nun im Ganzen oder nur in Teilen) beim Namen nennen dürfen. Es dient auch dem Schutz vieler Kinder, wenn über Kindesmissbrauch aufgeklärt wird. Und Schlussendlich zu verbieten, es als Schweigegeld zu bezeichnen (was es in meinen Augen definitiv ist)…
    Das macht mich wütend.
    LG Gimbar

  2. Hat sich eigentlich schon mal jemand die mühe gemacht die die nicht nachvollziehbaren Urteil auf Hamburg zu untersuchen. Ich meine damit, die zu sammeln und auszuwerten. Also welcher Richter hat in welchem groben Sachverhalt welches Urteil gefällt. Ich werde das Gefühl nicht los dass das nur zwei, drei Richter sind.

  3. …bin in dem Zusammenhang auch ziemlich vom Spiegel enttäuscht, dass sie nicht weiter dagegen vorgehen…
    und überhaupt: um das (traurige) Thema ist es ja in den letzten Monaten ganz schön still geworden, traurig, traurig…

  4. deny, deny, deny…

    und da fragen mich tatsächlich noch Leute warum ich finde daß die katholische Kirche das personifizierte Böse ist.

  5. “Mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbare Entscheidung”, heißt es also in einer Erklärung des Netzwerks „istlokal.de“.
    Aber die Begründung des Urteils liegt doch noch gar nicht vor.

  6. @10 Medienstreitigkeiten können überall verhandelt werden. Und da wird gerne mal Hamburg genommen weil die als Medienkritisch gelten sollen

  7. Wahrscheinlich darf man auch „kriminelle Vereinigung“ nicht im Zusammenhang mit der katholischen Kriche sagen. Aber ich finde trotz allem, dass eine Organisation, die sich so hinter verurteilte Misshandler stellt, krimnell ist.

    Ich frage mich jetzt natuerlich, wo Steffi mit Innocence in Danger bleibt – hier gaebe es doch mal was zu tun…

  8. Ich frage mich jetzt natuerlich, wo Steffi mit Innocence in Danger bleibt – hier gaebe es doch mal was zu tun…

    pssst… die ist doch selber „gute“ Katholikin, oder?

  9. Sollten die Hintergründe auf http://www.bistum-regensburg.de/default.asp?op=show&id=4534 korrekt wiedergegeben worden sein, so dürfte der Begriff „Schweigegeld“ zumindest objektiv falsch sein und mit „gesundem Menschenverstand“ eine entsprechende Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Dass man sich für diese Entscheidung an ein mittlerweile wohl schon berüchtigtes Gericht gewandt hat, könnte man wohl aber schon als strategische Absicht werten, da ansonsten kein Ortsbezug gegeben zu sein scheint.

  10. @erjkhf Ich bin kein Jurist und kann daher nicht sagen, was ein „Schweigegeld“ ist. Allerdings empfinde ich „Schmerzensgeld“ gegen „Schweigen“ schon als „Schweigegeld“.

    Ich persoenlich habe nach einem Zeltlager von einem Pfarrer einmal einen Geldbetrag bekommen mit dem Hinweis, dass dieser Betrag fuer geleistete Hilfe sei und man ja nichts weiter ueber das Zeltlager erzaehlen solle.

    Das ist juristisch sicherlich auch nur eine Aufwandsentschaedigung wurde von mir aber ganz klar als Schweigegeld verstanden.

  11. @tom: Im geposteten Link liest es sich so, als wäre auf Wunsch der Eltern Stillschweigen vereinbart worden, um psychologische Belastungen der Kinder zu mildern, weshalb offenbar seitens der Eltern auch zunächst auf eine Strafanzeige verzichtet wurde, ohne jedoch dazu gedrängt worden zu sein. Dass daneben auch ein Schmerzensgeld und medizinisch indizierte Therapiekostenzahlungen vereinbart wurden, lässt sich dann also nicht als „Schweigegeld“ betiteln, wenn die Initiative zum Stillschweigen bereits ohne irgendeine Zahlung bestand. Auch aus den im Artikel selbst verlinkten Ausführungen auf http://www.regensburg-digital.de geht nicht schlüssig hervor, dass es anders gewesen wäre.

    Wenn ich den Artikel hier (auf netzpolitik.org) richtig verstehe, wird ja außerdem auch der Begriff „Verschwiegenheitsverpflichtung“ bemängelt. Offenbar wurde aber nichts dergleichen verpflichtend vereinbart, sodass nun verständlicherweise gegenteilige Schilderungen kritisiert werden.

    Sollte der Journalist natürlich recherchiert haben, dass die Abläufe anders als dargestellt waren, so sähe es vielleicht anders aus. Aus dem, was vorzuliegen scheint, ergibt sich das aber zunächst nicht. „Schweigegeld“ wäre also zumindest eine potentielle Verzerrung der Lage, wie sie sich darstellt, zum Nachteil einer Seite.

  12. @erjkhf: Ich gebe zu, ich glaube der katholischen Kriche in diesem Fall absolut gar nicht mehr. Das liegt an folgendem:

    1) Ist das Landgericht Hamburg per se unglaubwuerdig. Jeder, der dort klagt, macht sich in meinen Augen verdaechtig und wird von mir sehr kritisch beaeugt.

    2) Zufaelligerweise kenne ich diesen Fall (vor allem auch) durch diesen Artikel:

    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wie-die-kirche-leute-zum-schweigen-bringt/

    3) Und ich sehe, wie die Kirche hier gegen jede Form der Berichterstattung vorgeht:

    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/dioezese-regensburg-niggemeier/

    4) Grade im Post unter 2) und wenn man den Berichten in der weiteren Presse liest hoert es sich in meinen Ohren doch sehr nach „Schweigegeld“ an – aber wie gesagt, ich bin kein Jurist und kenne keinen der Beteiligten. Schoen ist ja, dass der Spiegel nach wie vor „Schweigen gegen Geld“ titelt (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-52985276.html) aber ein Blogger die ganze Macht der Hamburger um die Ohren gehauen bekommt.

  13. Nun ja, im Spiegel-Artikel liest es sich in der Tat anders (auch wenn ich nur kurz einige obere Abschnitte angeschaut habe). Wie es nun in diesem speziellen Fall war, muss wohl tatsächlich gerichtlich geklärt werden, das heißt, von Leuten, denen die Zeit dafür bezahlt wird. Tragischerweise ist jedoch festzustellen, dass es für entsprechende Angelegenheiten offenbar ein bestimmtes Gericht gibt, dessen Ruf ihm vorauseilt und gefühlt ständig für uneinheitliche Rechtsprechung sorgt. Es liegt möglicherweise ein Systemfehler darin, das dies in dieser Weise stattfinden kann.

    Zum konkreten Fall lässt sich für den Außenstehenden schwer festmachen, wie es sich nun ereignet hat. Die gefühlt verhältnismäßig große Anzahl von Presseberichten über sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche und die kirchenseitliche Außenkommunikation dazu kann kaum anders gewertet werden als als Indiz, eine Publikmachung einzudämmen. Welche Gründe das haben mag, darüber lässt sich viel mutmaßen.

    Was wird jetzt damit gezeigt? Wohl, dass eine öffentliche Diskussion der Kirche nicht beliebt. Aber wem würde es? In der Kirche ist hierzulande letztlich jeder aus freien Stücken. Wem die Probleme damit bitter aufstoßen, soll seine Konsequenzen ziehen.

    Was von der Story des Artikels medienpolitisch relevant bleibt, ist die Zensurmöglichkeit von Äußerungen, sofern sie Tatsachen verdrehen. Prinzipiell hört sich das nicht verkehrt an. Was jedoch immer wieder bedenklich ist, sind die nicht selten existenzgefährdenden Verfahrenskosten (gefährdend häufig vor allem für eine Seite), die mitunter dazu führen dürften, dass eine sich im Recht wähnende Seite ihre Verteidigung nicht durchzusetzen wagt. Entstünden jedoch keinerlei Kosten, würde aber sicher jede Streitigkeit vollinstanzlich ausgetragen (die jeweils unterlegene Seite würde schon dafür sorgen).

    [@tom zur vorangangenen Passage: Ich meine, gelesen zu haben, dass auch dem Spiegel im vorliegenden Fall irgendetwas erstinstanzlich untersagt wurde, der sich eine Verteidigung durchaus leisten können sollte, also nicht nur dem Blogger.]

    Was bleibt? Ein Dilemma. Und die Existenz einer mancherortlich gefühlten Tendenz zu eigenbrötlerischer Rechtsprechung. Ein Schelm, wer einem bestimmten Gericht hier Methode unterstellen möchte.

  14. Tja, selbst mit der Stellungnahme der Erzdiözese wird es schwierig zu sagen, ob es Schweigegeld ist oder nicht. Denn es wäre ein Szenario durchaus denkbar, in dem Schmerzensgeld und Übernahme der Therapiekosten garantiert werden im Gegenzug dafür, dass die Familie öffentlich nichts anderes verlautbaren lässt, sich (auch als mündlicher Zusatz) zur Darstellung verpflichtet, die Initiative sei von ihnen ausgegangen, sowie dazu, auf Verlangen auch nie etwas anderes zu kommunizieren und immer zu betonen, eine Strafanzeige sei vorbehalten, sie aber bis zum Eintreten der Verjährung nie auszuüben. Das WÄRE dann Schweigegeld…
    Aber das ist ja alles nur hypothetisch.

  15. @erjkhf Wir können hier gerne ad infinitum weiter spekulieren. Meiner persönlichen Erfahrung nach ist die Theorie „Schweigegeld“ durchaus sehr glaubhaft, letztlich muss jeder das aber selbst für sich entscheiden.

    In meinen Augen erscheint der Fall jedoch so, als ob die katholische Kirche (bzw. die Verantwortlichen in Regensburg) mit aller Macht, gegen jede Berichterstattung über die kriminellen Machenschaften des katholischen Priesters Peter K. vorgehen. Und für mich sieht es so aus als ob man versucht über semantische Spitzfindigkeiten zu retten, was man für die die katholische Kirche eben noch noch „irgendwie“ retten ist, da man es wohl nicht nicht verbieten kann, darüber zu berichten, dass Priester Peter K. ein Kinderschänder ist.

    Ich bin sehr gespannt, was die Gerichte in der nächsten Instanz zu diesem Fall zu sagen haben, es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Urteil des Landgerichts Hamburg kassiert wird.

  16. Was geht mir das Hamburg LG auf den Sack! Seit Jahren immer wieder glänzend durch völlig weltfremde Fehlurteile (vor allem im Bereich Internet). Da schämt man sich ja als Hamburger schon!

  17. Das Urteil wird natürlich in der nächsten Instanz kassiert. Aber das ist leider nichts Neues aus Hamburg.

    Man fragt ich langsam, welche Leute dort zu Gericht sitzen.

    Wollen die einen Rekord brechen?
    Sie sind auf dem besten Weg.

    Kassiert, kassiert, kassiert.

    Merke: Es lohnt sich in Hamburg immer, in die nächste Instanz zu gehen. Und gerne auch mal zum BGH.

    Elfi

  18. Kopie:

    „Das Hamburger Landgericht hat dem Regensburger Journalisten und Blogger Stefan Aigner verboten, Geldzahlungen und eine “Verschwiegenheitsverpflichtung” im Fall des sexuellen Missbrauchs an einem Jungen durch einen katholischen Pfarrer als “Schweigegeld” zu bezeichnen.“

    Mh…Verschwiegenheitsverpflichtung. Mh.

    Verschwiegenheit?
    Leitet sich ab von Schweigen.

    Verpflichtung?
    Verpflichtet zu Schweigen.

    Geldzahlung?
    Lohn für das Schweigen.

    Also Schweigegeld, steht in jedem Lexikon.

    Wir brauchen für so einen Mist keine Juristen.
    Vor allem keine, die sich ggf. nochmal bilden sollten.

    Ich gebe hierzu gerne Ratschläge.

    Urteil unterirdisch, wird auf jeden Fall kassiert. Der Junge soll sich keine Sorgen machen.

    Elfi

    1. @ Elfi:
      Es geht aber doch gerade darum, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Geldzahlung und Schweigen gibt, und da stehen zwei Ansichten gegenüber: Kirche sagt nein, Aigner sagt ja. Nun mag man das der Kirche zwar zutrauen, aber das kann nicht Grundlage für ein Urteil sein…

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