In einer gemeinsamen Pressemitteilung der CDU- nud FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein erklären der datenschutzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dr. Michael von Abercron, und die medienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ingrid Brand-Hückstädt, dass das mit Open Government mehr als wirklichkeitsfremd sei:
„Auch die Forderung, von vornherein alle Daten, Analysen und Gutachten ins Netz zu stellen, ist mehr als wirklichkeitsfremd. Wir stehen für die Entbürokratisierung und nicht für einen Datenfriedhof im Internet“.
Keine weiteren Fragen. Hintergrund ist anscheinend eine Debatte um das Informationsfreiheitsgesetz, bzw. Forderungen der Grünen zum Thema Datenschutz.
Transparenz und nachvollziehbare Entscheidungen aufgrund eines frei zugänglichen gemeinsamen Datenpools sind selbstverständlich vollkommen wirklichkeitsfremd.
Wo kämen wir da auch hin, wenn plötzlich jeder die Möglichkeit hätte, Gutachten selbst zu interpretieren und sich eine eigene Meinung zu bilden? Stellen Sie sich vor, wie viele Hinterzimmer dann abgeschafft werden müssten! Skandal!
Was machen wir dann mit den vielen ungenutzten Hinterzimmern?
Eine Tradition bricht da zusammen.
Nicht nur der zitierte Abschnitt, die gesamte PM ist an Absurdität kaum zu toppen.
„Es ist schon bezeichnend, daß die Grünen Geschäftsgeheimnisse nicht mehr zu den zu schützenden persönlichen Daten zählen wollen.“
Äh, ja, denn das geht in Richtung Unternehmenspersönlichkeitsrecht und ist eine groteske Entwicklung.
Geschäftsgeheimnisse sind Geschäftsgeheimnisse, haben aber mit Persönlichkeits(daten)schutz nichts zu tun.
„Einen Zwei-Klassen-Datenschutz wird es mit uns nicht geben.“
Man muss aber eben doch differenzieren und unterschiedlich gewichten. Unternehmen, natürliche Personen, etc. Alles andere ist Pauschalisierung, die dem Komplex nicht gerecht wird.
„Schon heute nutzten öffentliche Stellen das Medium Internet, um Informationen weiter zu geben, die für die Bürgerinnen und Bürger von großem allgemeinem Interesse sind. Schon deshalb bedarf es dazu keiner weiteren verpflichtenden gesetzlichen Vorgaben.“
Oh, doch, denn diese tolle Medium-Internet-Nutzung zur Informationsweitergabe ist viel zu selektiv, willkürlich und keineswegs umfassend genug. Sieht man ja auch an der Gatekeeper-Haltung „von großem allgemeinem Interesse“. Was ist mit den Infos, die nur eine Handvoll Leute haben wollen? Haben die kein Anrecht darauf? Wer entscheidet, was von „großem allgemeinem Interesse“ ist?
Auch die Frage, in welchem Format (Stichwort: Maschinenlesbarkeit) was zur Verfügung gestellt wird, muss endlich klar und eindeutig geregelt werden. Die PM ist ein tolles Beispiel hierfür. Die ist nämlich ein PNG, so daß ich den Text abtippen musste und sie auch nicht automatisch indexiert und weiterverarbeitet werden kann.
> Auch die Frage, in welchem Format (Stichwort: Maschinenlesbarkeit) was zur Verfügung gestellt wird, muss endlich klar und eindeutig geregelt werden.
Das ist schon geregelt. In SH heißt im Landesbehindertengleichstellungsgesetz: Die Träger der öffentlichen Verwaltung gestalten ihre Internetseiten sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Oberflächen technisch so, dass Menschen mit Behinderung sie nutzen können. Es hält nur keiner dran.
Die Presseerklärung ist übrigens kein PNG, sie gebt es auch als PNG: http://www.ltsh.de/presseticker/2011-12/13/17-13-08-286e/layout.html . Presseerklärungen der Landtagsfraktionen in SH sind einer der wenigen Bereiche, wo es ziemlich gut klappt mit der barrierefreien Darstellung.
Vielen Dank für diesen Hinweis.
Die alternativen Formate habe ich erst entdeckt, nachdem ich meinen Kommentar hier abgeschickt hatte. :/
Es geht wohl ursprünglich um diesen grünen Antrag, auf den die schlawiner-holsteinische CDU empfindlich reagiert:
http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2011/12/13/pm-grune-sl-mehr-informationsfreiheit-wagen/
Die Sache hat ihren Ursprung in unseren Änderungsvorschlägen für die Informationsfreiheit in Schleswig-Holstein. Die Pressemitteilung dazu gibt es hier: http://www.sh.gruene-fraktion.de/cms/presse/dok/399/399203.mehr_informationsfreiheit_wagen.html
Wo bleibt denn die Entbürokratisierung, von der schon seit wie vielen Jahren die Rede ist? Bisher ist es nur immer noch mehr Bürokratie geworden. Oder soll das verheimlichen von Daten, Analysen und Gutachten etwa zur Entbürokratisierung beitragen? Weil dann Politik leichter ist, wenn niemand mehr an diese Daten, Analysen und Gutachten ran kommen würde, auf deren Grundlage vielleicht mal Einwände, Einsprüche und Verbesserungsvorschläge angemeldet werden könnten? Tut mir leid, auf so eine Politik verzichte ich und ich werde sie auch nicht wählen! Die Politik, die ich gewählt habe, die möchte ich auch nach der Wahl in ihrem Handeln überprüfen können! Dazu benötige ich freien Zugang zu allen Daten, Analysen und Gutachten, auf deren Grundlage Politik gemacht wird! Das ist meine Form der Entbürokratisierung, weil die Politik dadurch gezwungen wird, vernünftig zu arbeiten und Fehler in ihren Handlungen von vornherein zu vermeiden!
Naja, zum glück wird die FDP wohl bald von der Politischen Bühne verschwinden ! So eine Partei ist einfach nur völlig unnütz.
Die CDU- und FDP-Deichschäfer in Schleswig-Holstein müssen wohl Analphabeten sein. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die bis heute nicht begriffen haben, warum Open Data ein hilfreiches Mittel auch für sie sein kann. Beispiele dafür gibt es genug. Aber wer lesen kann ist klar im Vorteil….
Nanü? Niemand stört sich an „nicht für einen Datenfriedhof im Internet“ ?
:D
Klingt für mich: die Daten sind langweilig und niemand wird die sich anschauen und um wertvollen Speicherplatz im Internet zu sparen, laden wir des erst gar ned da hin! Basda!
„Wir haben in den letzten 10 Jahren ja auch diese dutzende PDF-überfüllte Portale gebaut wo keiner kommt…..also sparen wir uns das ganze“ ;)
ganz klar: die haben Angst, dass das Internet irgendwann voll ist!!!111
da gabs doch neulich ein nettes Interview mit der CDU, was passiert, wenn das Internet voll sei. Die haben sicherlich nur Panik ;)
Auch wenn es mich beim genannten Zitat inwendig durchschüttelt, weil es sich um typische Abblockrethorik handelt – so ganz unrecht haben die Burschis ja nicht. Um aus Aktendaten Open Data zu machen, sind viele Fragen abzuhandeln. Eine der heftigen davon ist z.B. die Vergleichbarkeit von Daten aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen mit unterschiedlichen Erhebungsgrundlagen.
Ohne die Jungs aus der Verwaltungswissenschaft ist Open Data nicht zu stemmen! DIE müssen uns helfen, die grundlegenden Datenstrukturen, semantiken, etc. zu erarbeiten. Die müssen entscheiden, welche Freiheitsgrade zu bewältigen sind. Und DIE sind mit in die Pflicht zu nehmen, damit egovernment endlich den Schritt von Powerpointfolien in die Realität macht.
Und DIE sind in Haftung dafür zu nehmen, dass Deutschland fast jedes Verwaltungs-IT-Projekt verkackt – und sei es auch nur die Schulbuchausleihe (ist echt wahr!).