dradio Kultur Medien-Gespräch zu Censilia-Plänen

Ich war gerade Gast im Mediengespräch des Deutschlandradio Kultur zu den aktuellen Netzzensur-Fantasien der EU-Kommission. Davon gibt es jetzt schon eine MP3 (Transcript kommt evtl später). Eine inoffizielles Transcript hat Larsan freundlicherweise schon in den Kommentaren gepostet.

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17 Ergänzungen

  1. Weil nich gerade ohnehin nichts zu tun hatte, ohne Garantie und Anspruch auf Richtigkeit:

    Nach Zensursula jetzt Censilia. Nachdem die frühere Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen mit der Idee gescheitert ist, Seiten mit kinderpronografischem Inhalt im Netz sperren zu lassen, versucht es nun die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström: Die dunklen Ecken des Internets will sie aufräumen. Und sie löst im Internet auch in den helleren Ecken einen Sturm der Entrüstung aus. Zum Beispiel im Blog von Markus Beckedahl auf netzpolitik.org. Es ist die meistverlinkte Seite im deutschsprachigen Raum mit 30.000 Besuchern pro Tag. Guten Morgen Herr Beckedahl.

    Guten Morgen.

    Hat der Server dem Protesttsunami bisher Stand halten können?

    Ja der Server hat dem Protesttsunami Stand halten können, das war jetzt auch nicht so eine große Aufregung, da haben wir schon heißere Zeiten gehabt.

    Worum dreht sich denn die Diskussion in Ihrem Blog im Einzelnen und vor allem können Sie einen Fortschritt in der Diskussion erkennen oder werden doch nur die alten Argumente erneut ausgetauscht?

    Naja, sehr viele Menschen haben grad ein Déjà-vu. Im letzten Jahr gab es eine sehr heiße Debatte rund um das Zugangserschwerungsgesetz und die Idee von Ursula von der Leyen, Stoppschilder im Internet aufzustellen im Kampf gegen Kinderpornografie. Das hat eine breite gesellschaftliche Debatte darüber ausgelöst und die Schwarz-Gelbe Koalition hat dann das Zugangserschwerungsgesetz gestoppt und jetzt haben wir so ein Novum: Ein Gesetz ist verabschiedet, ist kurz in Kraft getreten, ist jetzt so halbwegs im Delirium und eigentlich möchte es keiner mehr haben. Und dann kommt auf einmal die EU-Kommission um die Ecke und kündigt das Ganze von neuem an. Und das ist jetzt gerad die Situation seit zwei Tagen, seitdem man das halt so konkret weiß.

    Und wie wird das diskutiert?

    Es wird natürlich sehr heiß diskutiert. In Deutschland gab es auch im vergangenen Jahr eigentlich als die Diskussion anfing zwei Lager, die nicht miteinander gesprochen: Die Befürworter von diesen Stoppschildern und die Gegner. Danach gab es eine ganze Menge Dialog zwischen diesen beiden Seiten, was dazu geführt hat, dass viele Befürworter oder ehemalige Befürworter festgestellt haben, dass diese Idee von Stoppschildern und Netzsperren Kollateralschäden verursacht, dass sie schädliche Auswirkungen für Meinungsfreiheit und offenes Netz hat und das es bessere Wege gibt, Kinderpornografie zu bekämpfen. Und diese Debatte fehlte wohl noch auf europäischer Ebene und die muss jetzt dort auch geführt werden, um dieses Gesetz oder diese Richtlinie zu stoppen.

    Der bessere Weg ist Ihrer Meinung nach Löschen statt Sperren, die deutsche Justizministerin ist ja auch dieser Auffassung, wie eben gehört. Was spricht denn Ihrer Meinung nach dafür und vor allen Dingen ist das Löschen nicht eine sehr endgültige Form von Zensur?

    Das Löschen ist ein konsequenter Schritt um das Ziel zu erreichen, nämlich Kinderpornografie aus dem Internet heraus zu bekommen. Diese Stoppschilder, die sind ja nur ein vermeintlicher Erfolg im Kampf gegen diese Bilder. Also Stoppschilder die übrigens in Deutschland vom BKA geführt werden sollten, die quasi ohne demokratische Kontrolle da jeden Tag so eine Zensurliste erstellen sollten, die bringen eigentlich überhaupt nichts – missbrauchten Kindern. Das ist ja das ganze Problem so. Diese Bilder existieren weiterhin, man hängt einen Vorhang davor. Und wir müssen zu den Quellen des Übels herangehen, wir müssen Server schließen, wir müssen hinter die Strukturen blicken, wir müssen diese Strukturen bekämpfen und wir müssen dafür Menschen ins Gefängnis bringen. Und da sollten die ganzen Ressourcen rein gesteckt werden und nicht in eine Zensurinfrastruktur, die dann auch sehr schnell ausgeweitet werden kann auf andere Bereiche als Kinderpornografie.

    Trotz des ernsten Themas, wenn man die Auseinandersetzung, die Diskussion in Ihrem Blog verfolgt, es gibt da ja auch recht witzige, fantasievolle Einträge. Mit Filmen und Karikaturen wird da gearbeitet. Gab es einen Eintrag aus den letzten Tagen, den Sie als besonders gelungen empfunden haben?

    Ich habe ganz gut gelacht, als ich eine schwedische Sache gefunden hab und zwar bietet ein öffentlich rechtlicher Sender in Schweden die Möglichkeit an, ein virales Video zu nutzen. Das heißt es gibt da so einen vorgefertigten Film im Internet, da kann man ein Bild hochladen von einer Person und die wird dann als Star gefeiert. Und da gabs wiederum so ähnliche Pop-Up Bilder sozusagen von Cecilia Malmström, wo sie Censilia genannt wird auf einer Schwarz-Weißen Schablone und dieses Bild hat jemand in dieses Video hineinkopiert und dann wurde halt diese Censilia quasi dort als Held gefeiert. Was natürlich eine gute Persiflage war. Und das war ne sehr kreative Variante, die eigentlich kein Geld gekostet hat, wo einer nur mal kreativ war und die jetzt durch die ganze Welt geht.

    Markus Beckedahl in Deutschlandradio Kultur. In seinem Blog netzpolitik.org wird heftig diskutiert über den Vorschlag der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt sperren zu lassen. Danke Herr Beckedahl, dass sie mit uns gesprochen, und nicht nur gebloggt haben.

    Danke Ihnen auch.

  2. Klasse! Besten Dank für das Transcript. Zum Anhören hab ich nämlich 1. keine Zeit und zweitens auf der Arbeit auch gar keine Möglichkeit.

  3. »…Danke Herr Beckedahl, dass sie mit uns gesprochen, und nicht nur gebloggt haben…«

    Ja vielen Dank, dass Sie nicht NUR gebloggt, sondern wie ein richtiger Mensch mit uns gesprochen haben. Da ist wohl noch viiiiel Aufklärungsarbeit vonnöten.

    Heute morgen im WDR5 erzählt wieder ein deutscher Politiker die Mär vom rechtsfreien Raum und zitiert Frau Censilia, dass Kinderpornografie nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt sei (und ich sehe hunderttausende Hörer entrüstet nickend zustimmem). Ist seit letztem Jahr denn wirklich GAR NICHTS erreicht worden?
    Uff – manchmal ist man nur noch müde…

  4. [Quote=ninjaturkey](und ich sehe hunderttausende Hörer entrüstet nickend zustimmem)[/Quote]

    Ja, so geht es mir auch. Ich Frage mich dann immer, ob die Gefahr einer möglichen Zensur anderer Bereiche bewusst nicht erwähnt wird oder ob es tatsächlich Unwissenheit ist, bzw das fehlende Hinterfragen?

    1. @Alex: In der Regel ist es zweiteres. Diejenigen, die ersteres im Sinn haben, nutzen die Unwissenheit und das mangelnde Hinterfragen von Anderen.

  5. parallel dazu lief im Deutschlandfunk ein Interview mit Silvana Koch-Mehrin. Furchtbar! Journalist und Vizepräsidentin des EU-Parlaments reden an einander vorbei und sie, vor allem, wirr:
    http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/03/30/dlf_20100330_0813_9acf23b1.mp3
    (sinngemäß!)
    1’11“ Sperrung in D akzeptieren?
    1’35“ Nein, wenn ISP „Zugang nicht ermöglichen“, dann ist das keine staatliche Zensur.
    2’22“ Meinen Sie nicht löschen statt sperren?
    Danach redet sie von grenzüberschreitender Strafverfolgung und dass man im Netz ohnehin nichts wirklich löschen kann.
    Wenn man dachte durch die FDP und deren „arbeitsamer“ Silvana Koch-Mehrin wären die Anti-Zensur-Positionen gut vertreten.. Oh weh, oh weh!

  6. Nun also auch die FDP.

    Ich darf daran erinnern, was Patrick Breyer vom AK Vorrat am 20. September 2009 in seinem Blog geschrieben hat:

    In einer schwarz-gelben Koalition würde die FDP […] wichtige Zugeständnisse im Bereich des Grundrechtsschutzes abtrotzen. […] Ende der Totalprotokollierung unserer Telekommunikation (Vorratsdatenspeicherung) […] schwarz-gelbe Koalition ein Quantensprung im Schutz und Ausbau unserer Freiheitsrechte

    und mündet in folgende Wahlempfehlung:

    Wer bei der Bundestagswahl einen besseren Schutz unserer Freiheitsrechte durchsetzen will, muss daher – wohl oder übel – FDP, CDU oder CSU wählen.

    (via)

    Nun kann man natürlich sagen, „okay, Patrick ist Anwalt, der muss für die FDP werben“. Aber das ist natürlich Unsinn.

  7. Für Aufklärung wäre ich als unbedarfter Internetnutzer und neuer Leser dieses Weblogs dankbar. Die neueren Beiträge in diesem Blog helfen mir dabei allerdings nicht, ganz zu schweigen von den super schlauen Kommentaren.
    Der Versuch die Argumente von Sperrengegnern in Kommentaren zu erfassen ist jedenfall gründlich daneben gegangen. Wenn man glaubt, man müsse sich eines solchen Themas annehmen, dann reicht es eben nicht nur über Fernsehjournalismus und Politik abzulästern und ein bisschen im DLF Werbung zu machen.

    Geht es hier nun um die Sache oder nur darum, sich gegenseitig zu bestätigen wie schlau man selbst ist und wie dumm und/oder böse die anderen?

    Wenn die Lösung des Problems die Löschung von KP ist, dann sollte man vielleicht auch einmal klar darstellen, wie und mit welchen Folgen für die Internetnutzer dies in der Praxis umzusetzen ist. Falls dazu hier schon etwas gesagt worden ist,wäre ein Link hilfreich.

    Soweit ich bisher etwas verstanden habe, so ist es dies: Löschung von Servern, unter anderem im Ausland ist eben nicht möglich, daher der Versuch national Sperren aufzubauen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.