Informantenschutz gefährdet – Medienverbände warnen vor Vorratsdatenspeicherung

Zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung über die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe melden sich große deutsche Medien zu Wort und warnen ausdrücklich vor dem Gesetz, das den Informantenschutz und die journalistische Arbeit gefährde. Der Deutsche Bundestag hatte im November 2007 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD das Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland beschlossen, wonach Telekommunikationsdienstleister nun verpflichtet sind, die bei elektronischer Kommunikation anfallenden Verbindungsdaten ihrer Kunden ohne konkreten Verdacht und Anlass für sechs Monate auf Vorrat  zu speichern. Dies gefährde das Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und potentiellen Informanten „mit bislang nicht gekannter Intensität“, zitiert SPIEGEL Online nun die Medienvertreter aus dem Brief an Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier:

Der Staat erhalte durch die Vorratsdatenspeicherung „erstmals Zugriff auf alle elektronischen Kontakte von und mit allen Journalisten“ für das jeweils zurückliegende halbe Jahr, kritisieren nun Journalisten, Sender- und Verlegerverbände. „Allein diese Tatsache wird Informanten massiv abschrecken“, heißt es nach SPIEGEL-Informationen in dem von den Journalistenverbänden DJV, dju in Ver.di, den Verbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, der ARD, dem ZDF und dem Privatsenderverband VPRT mitgetragenen Schreiben an den Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier.

Der Informant müsse bereits eine Enttarnung fürchten, wenn der Journalist, wie es seine Sorgfaltspflicht gebietet, die von der Information betroffene Organisation konfrontiere – weil sich diese dann zur Ermittlung der undichten Stelle an Strafverfolgungsbehörden wenden könnte. „Gerade in Zeiten des Terrorismus, in denen der Staat Bürgerrechte vermehrt beschränkt und geheim agiert“, heißt es in dem Schreiben, sei aber „die Demokratie auf eine effektive und robuste Pressefreiheit angewiesen“.

Zur Verhandlung am kommenden Dienstag, den 15.12.2009 hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der Zusammenschluss vieler Organisationen und Bürger gegen das Gesetz, eine Spezialseite eingerichtet, auf der sich alle Informationen zum Verfahrensstand und zur mündlichen Verhandlung finden. Für 8:00 Uhr lädt der Arbeitskreis zu einer Pressekonferenz mit Beschwerdeführern (Teilnehmerliste, PDF) ein, die auch live ins Internet übertragen wird.

Um 10:00 Uhr beginnt die mündliche Verhandlung vor dem Gericht (Ablaufplan, PDF) und es wird Live-Updates über den Verlauf geben. Es gibt keinen Live-Stream aus dem Gerichtssaal selbst, sondern nur eine Audio-Übertragung in den Presseraum des Gerichts, daher wird von dort aus berichtet so gut es geht. Außerdem haben sich viele Agenturen, Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsender angekündigt. Im eigens eingerichteten Informationsraum im DGB-Haus Karlsruhe (Ettlinger Str. 3a) werden aktuelle Infos auf eine Leinwand übertragen und können gemeinsam verfolgt werden. Außerdem informiert der Arbeitskreis vor dem Bundesverfassungsgericht und in der Fußgängerzone mit Informationsständen und einer großen Tafel über die Vorratsdatenspeicherung.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-124

21 Ergänzungen

    1. Es gibt keinen Live-Stream aus dem Gerichtssaal selbst, sondern nur eine Audio-Übertragung in den Presseraum des Gerichts (Siehe Pressemitteilung des BVerfG), daher wird von dort aus berichtet so gut es geht. Außerdem haben viele Agenturen, Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsender ihre Berichterstattung angekündigt. Im Inforaum im DGB-Haus können alle Nachrichten via Beamer verfolgt werden. Ich habe die Informationen im Artikel ergänzt.

  1. Gibt es einen Livestream der Verhandlung?

    Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Einzig möglich wäre, dass ARD/ZDF z.B. über Phönix darüber berichten.

    Das BVerfG sollte endlich mal einen eigenen Kanal machen und über ihre Homepage streamen. Aber erklär das mal Juristen. ;-)

  2. Dass die über 34.000 Beschwerdeführer nicht live über die mündliche Verhandlung informiert werden, könnte verfassungswidrig sein. Aber wer stoppt das Verfassungsgericht, wenn es verfassungswidrig handelt. xD

  3. Na super. Als ich mich vor laaanger Zeit mit einem forschen Journalisten (Fachbereich Innenpolitik) darüber unterhielt und erfolglos versuchte, ihm klarzumachen, dass die Vorratsdatenspeicherung SEINEN BERUF gefährdet, tat er das als linke Paranoia ab. (Und dabei bin ich gar nicht links…) Nein, erklärte mir der Angestellte und Polizeiexpertin eines konservativen Verlages, die Polizei wird uns schon nichts böses tun, aber gegen die bösen Linken und Islamisten, gegen die müssen wir uns positionieren!

  4. Das BVerfG hatte schon in der Pressemitteilung erklärt, dass es keine Liveübertragung der gesamten Anhörung geben darf.

  5. @1 VDS-Beobachter

    Eben! Aber die Kritik geht m.E. nicht an fefe sondern mal wieder an das ehem. Nachrichtenmagazin. Wo sind die Quellen? Keine Links. Nichts. Als würde es den Brief an Herrn Papier überhaupt nicht geben (war der jetzt öffentlich oder was?).

    Komische Aktion

    1. Doch, die Kritik geht an Fefe. SpOn hat die Fakten (soweit ich das erkennen kann) korrekt dargestellt. Der Brief muss ja nicht öffentlich sein und (leider) auch nicht gleich mitveröffentlicht werden. Ich nehme an, es handelt sich dabei um deren schriftliche Stellungnahme.

      Fefe hingegen behauptet, dass die sich erst jetzt zum Thema positionieren. Und das ist eben einfach falsch.

      Dieser Zusammenschluss einiger Medien hatte übrigens auch bei Anhörungen zur VDS im Bundestag einen Vetreter, der eine nette Stellungnahme abgegeben hat. Leider funktionieren die alten Links auf bundestag.de nicht mehr, aber mit etwas Googeln sollte man das finden.

  6. Das ZDF berichtet? Na dann wirds natürlich rein sachlich und absolut unpolitisch.

    Bei der ARD ja fast genauso…

  7. die Speicherung der Telekomunikation ist verbrecherisch und erst jetzt beschweren sich die Medien, was wollen denn die Jornalisten? Die schreiben doch nur von einanderen ab und die fünf, sechs die das nicht tun, müssen sich eben persönlich mit den Denunzianten treffen, das ist kein Grund! Der Grund ist: Die generelle Speicherung der Telekomunikationsdaten aller Bürger oder für was halten sich die Jornallien? Dagegen haben sich die Medien zu wehren, aufzuzeigen und nicht für ihre eigenen Interessen.

  8. @VDS-Beobachter
    Nicht Fefes Behauptung ist falsch, sondern Ihre Wahrnehmung der Realität unterscheidet sich von seiner ;-)

    In einer möglichst unvoreingenommenen Rückschau muss man aber leider feststellen, dass die etablierten Medien (heise.de ausgenommen) erst sehr, sehr spät über die VDS zu berichten begannen, und dann auch nur unter dem Aspekt „Ausnahmen für Journalisten“.
    Und dieser „Vertreter“ im Bundetag hatte einzig und allein die Funktion für eben diese Ausnahmen zu lobbieren – und ist gescheitert.
    Erst von da an tauchten kritische Berichte etwas gehäufter auf.

    Insofern ist wohl Fefes leichte Übertreibung deutlich näher an der Wahrheit als Ihre Interpretation derselben.

  9. An D.: da hast Du vollkommen Recht!

    Leider befindet sich Deutschland laut einer Studie aus den USA, einer Universität in Chicago bereits auf Platz 10 weltweit bei der Überwachung seiner Bürger!

    In Google, Yahoo einfach nach:

    Elektronischer Polizeistaat

    suchen.

  10. Problem bei der Vorratsdatenspeicherung ist doch: BEIDE Enden des Kommunikationskontaktes werden abgespeichert!

    D.h. auch wenn man Journalisten, Strafverteidiger, Priester und Aids-Beratungsstellen davon ausnimmt, die Anrufe des einen Anrufers, oder auch whistleblowers
    werden gespeichert!

    Ich muß als Überwachende Instanz nur die Anrufe der einen Partei ansehen bzw. die Nr. die er angerufen hat ansehen und kann dann leicht herausfinden WEM die Tel-Nr. des Kontaktanrufes gehört…!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.