Update, 22.06.: Frau Krogmann hat sich sehr viel Mühe gegeben meine Frage nicht beantworten.
Liebe mitlesende Delegierte auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin, das hier ist vielleicht auch für Sie interessant.
Ich weiß, die unten zitierte Aussage der ehemaligen Internet-Beauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Martina Krogmann ist schon etwas älter. Von Anfang Juni, um genau zu sein. Was im Internet ebenso wie bei Politikeraussagen ja Lichtjahre sind. Auch hier in den Kommentaren bei Netzpolitik.org gab es bereits recht heftige Diskussionen, aber: Mich bewegt das Thema immer noch.
Warum sollte dem BKA (oder einer entsprechend legitimierten Stelle) nicht möglich sein, was Jugendschutz.net nach eigenen Angaben seit Jahren erfolgreich praktiziert: Durch sachlich formulierte Hinweisschreiben Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten vom Netz zu nehmen? „Löschen statt Sperren!“ funktioniert schließlich prima.
Immerhin handelt es bei Jugendschutz.net ja nicht um einen ehrenamtlich tätigen Kleingärtnerverein, sondern um eine über die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebundenen Stelle innerhalb der Medienaufsichtsstruktur der Länder (Bei denen das Thema ohnehin besser aufgehoben wäre).
Und genau das habe ich Frau Krogmann nun bei Abgeordnetenwatch gefragt (noch nicht online, die Links gibt es ohnehin nur hier):
Sehr geehrte Frau Krogmann,
sie schreiben, dass das BKA „aus Achtung vor der Souveränität der Staaten“ mit Hinweisen auf kinderpornographische Inhalten nicht an „die in diesen Staaten ansässigen host-provider“ herantreten würde.
Das verstehe ich nicht, schließlich reden wir nicht von einem Polizeieinsatz, sondern von informellen Hinweisschreiben. Vor allem aber frage ich, warum „Jugendschutz.net“, immerhin eine der KJM angegliederte halbstaatliche Stelle der Länder, diese Achtung zu fehlen scheint? Diese schreibt bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2007 (PDF) über ihre Tätigkeit:
„Im Ausland lässt sich die Einhaltung des Jugendschutzes am besten über die Kontaktaufnahme zu Host-Providern durchsetzen, die den Speicherplatz im Internet zur Verfügung stellen. Mit Hinweis auf deren Geschäftsbedingungen konnte jugendschutz.net 2007 insbesondere die Entfernung rechtsextremer Angebote erreichen. In 80 % der Fälle war das so genannte Notice-and-Take-Down-Verfahren erfolgreich.“
Der „kleine Dienstweg“ scheint also durchaus zu funktionieren. Offenbar selbst bei rechtsextremen Angeboten, wo die Rechtslage im Ausland ja weit weniger eindeutig als bei Kinderpornographie ist. Siehe dazu auch den Punkt “Internationale Zusammenarbeit” auf der Webseite von Jugendschutz.net:
„jugendschutz.net hat in den letzten Jahren internationale Kontakte aufgebaut und geht auch gegen jugendschutzrelevante Angebote im Ausland vor, indem Provider über Verstöße informiert und um Schließung gebeten oder unzulässige Angebote an zuständige Stellen im Ausland gemeldet werden. Diese Praxis ist insbesondere bei schweren Verstößen (z.B. Rassismus, grenzwertiger Kinderpornografie) durchaus erfolgreich.“
Daher meine Frage: Wäre eine solche Regelung nicht auch für das BKA denkbar? Könnte das BKA ggf. nicht bei „Jugendschutz.net“ um „Amtshilfe“ bitten? Mir scheint eine solche Lösung jedenfalls sinnvoller, als mit Rücksicht auf doch eher theoretische Befindlichkeiten im Ausland Hand an unsere Verfassung zu legen.
Schaun‘ mer mal.
PS: Oh, und natürlich würde ich mich auch sehr freuen, wenn mir noch jemand erklären könnte, was „nicht grenzwertige Kinderpornografie“ ist. Danke.
Bjoern Böehning hat gerade getwittert das der PV den Initiativ-Antrag abgelehnt hat. Bedeutet für mich Wahlkampf gegen SPD wird forciert.
@till: Ist ein bisschen komplexer, warten wir erstmal den modifizierten Antrag ab. Auch der kann durchaus noch zum Showstopper für das Gesetz werden.
Auch könnte Bjoern Boehning wohl versuchen, lieber seinen ursrpünglichen Antrag durchzubringen. Welche Chancen der dann noch hat, ist nochmal eine andere Diskussion.
Aber wie gesagt, warten wir’s einfach ab. Noch ist es vielleicht ein bisschen früh, um die Mistgabeln zu polieren ,)
@Jörg-Olaf Schäfers: Die Mistgabeln sind schon poliert. Sie wurden nur beiseite gelegt um der SPD eine Chance zu geben. Nagut lass ich meine noch ein wenig stehen. Bis nach dem Parteitag.
Ich bezweifle, daß Jugendschutz.net, das ja wohl hoheitlich tätig ist, dies im Ausland tun darf.
Jens, da zweifele ich auch; aber der Gesetzgeber könnte das über eine Umgestaltung der Rechtslage (zB über multilaterale Staatsverträge) ermöglichen. Da sollte es IMHO hingehen.
Tja, Jens: Deine Zweifel in allen Ehren, aber sie tun es trotzdem. Seit Jahren schon.
Da sie die Maßnahmen zudem als Erfolgsmodell in ihren öffentlichen (Rechtfertigungs-)Berichten (da geht’s ja nicht zuletzt um die Finanzierung) anführen, darf man wohl annehmen, dass es nicht nur im Wissen, sondern auch im Auftrag übergeordneter Stellen geschieht.
Aber schaun‘ mer mal, evtl. teilt Frau Krogmann ja deine Zweifel.
Was genau ist eigentlich die Rechtsform von jugendschutz.net? Was ist deren Rechtsgrundlage, wenn sie hoheitlich tätig sind?
@till: Sagen wir mal … nach einer Mail direkt aus dem Willy-Brand-Haus gerade scheint noch nicht alles verloren. Ein bisschen Resthoffnung bleibt. Daher: „Kerzen statt Mistgabeln!“ (Erstmal ,)
Dass nur noch eine recht geringe Chance besteht, um das Thema nach der Wahl in aller Ruhe zu behandeln, war nach der Äusserung von Martin Dörmann (quasi dafür verantwortlich, das Kind für die SPD im Wirtschaftsausschuss nach Hause zu schaukeln), gegenüber Heise Online ja ohnehin klar.
@Jörg-Olaf Schäfers: Ich kann den Parteivorstand ja durchaus verstehen. Kippen sie das Gesetz wird die SPD von Springer, CDU und weiteren Schergen als die Partei der Kinderschänder hingestellt. Davon kann man wohl ausgehen. Ich halte es trotzdem für notwendig und alternativlos das sich die SPD, gerade auch mit diesem Thema, klar gegen die CDU/CSU positioniert. Sie sind als Sozialdemokraten, geschichtlich, geradezu verpflichtet für Bürgerrechte und Rechtsstaat einzutreten. Da es aber berechtigte Zweifel gibt das die SPD vor der Bundestagswahl wieder ein Profil bekommt, haben sie es sich verdient bekämoft zu werden. Schließlich hat auch die SPD die mindestens verfassungsrechtlich bedenklichen Gesetze mitgetragen.
Beschluss des SPD-Parteivorstands ist da:
http://www.meinespd.net/media/downloads/090613__pvbeschluss_loeschenvorsperren.pdf
a)
Kennen wir alles schon; Löschen VOR Sperren, nicht Löschen STATT Sperren, wie eigentlich vernünftig wäre…
Aber grundsätzlich kann man damit schon eher leben als mit dem alten Entwurf *schauder*
Trotzdem, in Ordnung geht das immer noch nicht, da geht noch was!
b)
Das Gesetz soll nun (sollte es ein eigenes werden, keine Änderung des TMG) 3 Jahre laufen, nicht zwei wie bisher, und dann evaluiert werden. Hmpf. Fiel mir nur so auf.
(Sorry für Doppelpost)
Beim nochmal Durchlesen fällt mir erst auf, was für ein Heile-Welt-Beschluss das eigentlich ist.
Da geht die Autorenschaft doch tatsächlich davon aus, dass das BKA brav jede beanstandete Seite bei dem Gremium meldet und immer den umständlichen Weg des Meldens von Seiten bei den Providern in In- und Ausland geht und erst dann eine Seite auf die Sperrliste setzen lässt wenn alle Mittel, und sei es noch so schwierig, erschöpft sind.
Genau.
Mir wird auf einmal klar, wie die Wahlergebnisse der SPD zusammenkommen… Naivität und der Glaube, dass alle nach den Regeln spielen. Zumindest lässt dieser Text mich das glauben.
@Meep: Nun lass mich doch erstmal schreiben (Hee, eigentlich wollte ich schon seit einer Stunde am Grill stehen ,)
Nun, der eigentlich Showstopper ist das Spezialgesetz. Das war, soweit ich die Aussagen von Dörmann richtig deute, ja bereits Streichergebnis bei der Kompromissfindung im Ausschuss (schlicht, weil vor der Sommerpause eigentlich nicht mehr sinnvoll umsetzbar).
@Jörg-Olav Schäfers
den hast Du Dir bis heute Abend aufgehoben, Du Schelm!
Deine Frage an Frau Krogmann ist jetzt online: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_martina_krogmann-650-5576–f194702.html#q194702
@Meep @Jörg-Olaf Schäfers
Nun, ,,Löschen statt Sperren“ ist der Punkt; ,,Löschen vor Sperren“ ist die Position, die mit von der Leyen/Schäuble und der Einführung der Zensur verträglich ist. Der Parteivorstand stimmte also für von der Leyen in der Substanz.
Politisch m.E. hirnrissig: die Mainstream-Medien werden ohnehin versuchen Schwarz/Gelb herbei zu schreiben. Sie haben ja längst damit begonnen. Und sie werden das noch (!) intensiver tun als 2005. Da gibt es nichts kriercherisch zu besänftigen oder zu vermeiden.
Mit dem Beschluß, doch eine Zensur zuzulassen, macht sich die SPD aber zu einer Art Franz-Josef Strauß für alle an Grundrechten interessierte Leute. Denn Jeder weiß dass ohne die SPD das nicht durchgekommen wäre. Die SPD macht sich nicht nur viele zusätzliche Gegner, sondern motiviert die auf das Äußerste.
Jetzt braucht nur noch die Piratenpartei genügend Unterschriften, damit sie zur Wahl antreten kann: dann hat von der Leyen gewonnen.
Nach diesem Beschluß habe ich persönlich nicht mehr das geringste Verständnis für Irgendeinen, der SPD-Plakate kleben wird – und auch kein bißchen Toleranz.
@tunichtgut: Nein, ehrlich nicht. Ich bin ja nur ehrenamtlicher Teilzeitnetzaktivist und muss ansonsten ganz normal arbeiten. Da fallen auch nahe liegende Ideen manchmal unter den Tisch ,(