AK Zensur zeigt: „Löschen statt verstecken: Es funktioniert!“

Da schau an: In weniger als 12 Stunden konnte der Arbeitskreis Zensur die Löschung von 60 kinderpornografischen Webseiten erreichen. Per Mail! Auch sonst überraschen die Ergebnisse der digitalen Versuchsanordnung:  

Löschen statt verstecken: Es funktioniert!

Innerhalb von 12 Stunden wurden 60 kinderpornographische Internet-Angebote gelöscht

Im Streit um geeignete Maßnahmen gegen im Internet dokumentierten Kindesmissbrauch („Kinderpornographie“) wird von Befürwortern bloßer Sperren angeführt, dass es oftmals nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich sei, die Inhalte zu entfernen oder der Urheber habhaft zu werden.

Jetzt machte Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) die Probe aufs Exempel, analysierte mit automatischen Verfahren die diversen europäischen Sperrlisten und schrieb die Provider an, auf deren Servern sich laut der Listen kinderpornographisches Material befinden soll. Mit beeindruckender Resonanz: Innerhalb der ersten 12 Stunden nach Aussenden der Mails wurden bereits 60 Webauftritte gelöscht.

Weitere Resultate und Erkenntnisse:

  • Die ersten Reaktionen folgten bereits nach wenigen Minuten, unter anderem aus den USA, Holland, Dänemark, Russland sowie Deutschland.
  • Drei der jetzt vom Netz genommenen Webauftritte befanden sich auf Servern in Deutschland.
  • Insgesamt wurden 348 verschiedene Provider in 46 Ländern angeschrieben und über rund 1943 gesperrte illegale Webseiten informiert. 250 Provider haben auf die Anfrage geantwortet, haben aber nur selten illegale Inhalte gefunden: zehn Provider gaben an, ingesamt 61 illegale Inhalte entfernt zu haben. Mit einer einfachen E-Mail kann man also schon viel erreichen.
  • Bei der überwiegenden Mehrheit der Webseiten, darunter einigen aus Deutschland, zeigte sich bei der Überprüfung durch den Provider, dass die Webseiten kein kinderpornographisches, teils überhaupt kein irgendwie beanstandbares Material enthielten – die Webauftritte waren folglich zu Unrecht gesperrt. In Finnland werden zudem auch mehrere inländische Webseiten blockiert, die sich kritisch mit den dortigen Internet-Sperren auseinandersetzen.
  • Die Provider wurden bislang nicht darüber informiert, dass die bei ihnen gehosteten Webauftritte auf einschlägigen Sperrlisten geführt wurden.
  • Wenn sie darauf hingewiesen werden, sind die Provider zur Kooperation bereit und entfernen illegale Inhalte umgehend.
  • Teilweise handelte es sich bei dem gesperrten Material um „gecrackte“ Webauftritte, also solche, die durch Ausnutzen von Sicherheitslücken zur Verbreitung fremden Materials missbraucht wurden. Auch hier zeigten sich die Provider sehr dankbar für die Hinweise.  

Die Abschaltung von Webauftritten mit kinderpornographischen Inhalten dauert nicht länger als die Übermittlung einer Sperrliste. Dies führt die Argumentation der Befürworter des bloßen Sperrens ad absurdum – es gibt keinen sachlichen Grund, strafbare Inhalte im Netz zu belassen und sie für alle einschlägig Interessierten mit minimalem Aufwand weiterhin zugänglich zu halten.

Was für eine Bürgerinitiative wie den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur möglich ist, sollte für die deutsche Regierung und Strafverfolgungsbehörden ein Leichtes sein und die hier erzielten Ergebnisse deutlich übertreffen können.

Löschen statt Sperren – von Beginn an die Forderung des AK Zensur – ist möglich

Über den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren (AK Zensur):

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) spricht sich gegen die von der Bundesregierung geplanten Internetsperren aus und fordert eine effektive Bekämpfung von Kindesmissbrauch anstatt einer Symbolpolitik, die nur das Wegschauen fördert, den Opfern nicht hilft und dafür eine Infrastruktur einrichtet, die Grundrechte der Allgemeinheit einschränkt. Er koordiniert die Arbeit der Sperrgegner, freut sich aber gleichzeitig über die vielen Aktivitäten, die dezentral on- und offline stattfinden.

Dem AK Zensur gehören unter anderem an: der Chaos Computer Club, der FoeBuD e.V, der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF), die MissbrauchsOpfer gegen InternetSperren (MOGIS), netzpolitik.org, die Online-Plattform ODEM.org, der Trotz Allem e.V. und viele Einzelpersonen.

PS: Der – fragwürdige – Verein Carechild kam im März bei einer vergleichbaren Aktion zu einem ähnlichen Ergebnis.

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46 Ergänzungen

  1. UvdL bevorzugt Sperren gegenüber Löschen.
    Plenarprotokoll 16/213 S. 23066
    http://dip21.bundestag.de:80/dip21/btp/16/16213.pdf

    Christoph Waitz (FDP):
    Ich möchte direkt an die vorherige Frage von Herrn
    Kucharczyk anknüpfen. Ein Blick auf die bereits existie-
    renden Sperrlisten zeigt, dass ein Großteil der problema-
    tischen Server nicht in irgendwelchen Ländern steht, die
    die Kinderpornografie nicht verfolgen, sondern sie fin-
    den sich in europäischen Ländern, Australien und den
    Vereinigten Staaten. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund,
    dass es nicht möglich ist, die Server in diesen Staaten ab-
    zuschalten und dafür zu sorgen, dass die Inhalte kom-
    plett aus dem Netz genommen werden?

    Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
    Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
    Bei dem Thema, das wir heute gemeinsam angehen,
    geht es nicht um die Frage des Servers, wo auch immer
    er weltweit steht. Ein Server „hostet“ nur bestimmte Da-
    teien. Es geht vielmehr darum, dass die Websites sehr
    kurzlebig sind. Manchmal bestehen sie nur 48Stunden.
    Sie wechseln sehr schnell den Ort. Es ist im Prinzip ein
    Hase-und-Igel-Spiel. Dabei geht es um einen sehr wich-
    tigen Baustein. Unsere Erfahrung in Deutschland ist,
    dass pro Tag zu jeder gegebenen Zeit etwa 1000 Seiten
    gesperrt werden, wobei jeden Tag neu identifiziert wer-
    den muss, welche Seite aus dem Netz verschwunden ist
    und welche Seiten neu hinzugekommen sind und ge-
    sperrt werden müssen. Wir speisen unser Wissen aus den
    Erfahrungen anderer Länder, die das tagtäglich machen.
    In Beratungsgesprächen mit Skandinaviern haben wir er-
    fahren, dass sie, wenn sie das System zum Laufen ge-
    bracht haben, einen Experten brauchen, der eine Stunde
    pro Tag prüft, ob neue Seiten hinzugekommen sind, ob
    in anderen Ländern neue Seiten identifiziert worden
    sind. Das Abgleichen und die Weitergabe an den Pro-
    vider ist eine tagtägliche Sisyphusarbeit, die aber emi-
    nent wichtig ist, um immer wieder deutlich zu machen,
    dass wir nicht zulassen, dass solche Seiten im Netz frei
    zugänglich sind.
    Es hat also nichts mit der Frage zu tun, wo weltweit
    Server stehen. Wir verfolgen vielmehr den Ansatz, welt-
    weit zu screenen, welche Bilder im Netz vorhanden sind,
    und in Deutschland für diese Bilder den Stecker aus der
    Wand zu ziehen.

  2. Ich bin noch immer auf der Suche nach den Gründen wieso vdL dies so unbedingt durchziehen will.
    Wahlkampftaktik kanns nicht sein, dazu hat sie sich zu viele Feinde mit der Aktion gemacht. Z.B. hatte ich das letztemal CDU gewählt, aber eben zum letzenmal.
    Eine Internetzensur einzurichten kann auch nicht ihr Ziel sein. Das ist sicherlich vom BKA gewünscht, das wohl eine treibende Kraft hinter der Aktion ist. Aber das ist nicht vdLs Art, sie ist eine Überzeugungstäterin.
    Ich nehme ihr auch nicht ab, daß sie glaubt daß Internetsperren funktionieren. Wobei, da bin ich ehrlich gesagt am Zweifeln.
    Aber am meisten Sinn macht:

    Das ganze Gesetz dient als Honigtopfverfahren !!!

    Kipo Seiten können im Netz nicht verhindert werden, da wie Carchild (mit der vdL sehr verbunden ist) zeigte ein Teil der gelöschten Seiten auf anderen Servern wieder auftaucht. Aber man braucht für die Ermittlungen möglichst gute Informationen. Ein Teil kann durch googeln rausgefunden werden, und das passiert wohl auch z.Z. Mit den Infos wird dann versucht die Täter zu verfolgen.

    Aber um zum einen bessere Infos zu kriegen und zum andern auch auf der Konsumentenseite anzusetzen ist es besser, wenn man
    a) weiß wo sich die Kipo-Konsumenten rumtreiben und
    b) diese ausfindig machen kann um sie zu bestrafen

    Beide Punkte werden durch die Stopschilder mit Protokollierung erfüllt. Besser wäre es sogar kein Stopschild anzuzeigen, aber das ließe sich nicht so gut verkaufen. Dieses Gesetz ist nur als Einstieg in die Internetüberwachung geplant. Weitere Änderungen kann man später vornehmen, wenn sich jeder dran gewöhnt hat.

    Somit wird vorsätzlich ein Teil der Kipo Seiten nicht gelöscht, sondern nur auf die Sperrliste gesetzt. Die Honigtöpfe dienen dann dazu die Seiten schneller wieder ausfindig zu machen, die auf andere Server umziehen, indem man schaut wo sich die Stopschild Besucher denn noch so rumgetrieben haben. Oder noch eine Stufe weiter: man schaut welcher Nutzer nicht den Default-DNS-Server nutzt und sieht dem ein wenig beim Surfen zu.
    Ein Nachteil der Löschungen ist ja, daß nach und nach viele Kipo Seiten auf Server in für sie sichere Länder vertrieben werden, daher die Honigtöpfe.
    Oh, oh, ich hoffe vdL damit keine Steilvorlage geliefert zu haben. Komisch, daß das noch niemand gesagt hat.

    @AK Zensur: Bitte verfolgt weiter, wieviel der Server wieder auftauchen.
    Lassen sich Infos über die Betreiber der gelöschten Kipo Seiten feststellen, aber die nutzen wohl Phantasieeinträge im Whois ?

    Somit plant vdL letztendlich keine Internetzensur, sondern eine Internetüberwachung.

  3. Hm, ist eigentlich außer dem Oldman vom http://www.oldblog.de schon mal jemandem aufgefallen, dass der Gesetzesvorschlag von Ursula und Guttenberg ein massiver Rückschritt wäre?

    (1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

    http://dejure.org/gesetze/StPO/163.html

    Bedeutet für mich, wenn jemand KiPo-seiten anzeigt, muss die Polizei/BKA bislang versuchen an den Uploader zu gelangen und ihn der Justiz zuzuführen. Ansonsten macht sie sich der Strafvereitelung schuldig.
    Kommt allerdings dieses “Verhüllungs/Sperrgesetz” von Ursula wäre dies eine “andere gesetzliche Vorschrift” und die Sperrung/Verhüllung würde ausreichen ohne dass weiter ermittelt werden müsste. Ein Persilschein für das BKA bei Meldungen über die Straftat KiPo einfach wegzuschauen und die Seite lediglich auf die Sperrliste zu übernehmen ohne jede weitere Nachforschung.

    Ursula ermöglicht so indirekt Strafvereitelung im Amt.

  4. War zu erwarten, dass die Porvider überwiegend schnell reagiert haben und die verbotenen Seiten vom Netz nahmen.
    Wenn eine staatliches Stelle sich melden würde, ginge es wohl noch schneller.
    Interessanter aber noch finde ich es, dass von den in den Sperrlisten vorhandenen Seiten etliche garkeine verbotenen Inhalte lt. Providern aufwiesen.
    Und diese Seiten wären dann ohne Stopschild und Sperrung weiter zugänglich.
    V.d. Leyen sagt zwar im Spiegelinterview, es gehe hier nur um Kinderpornografie und die Vergewaltigung von Kindern, die sie „unsichtbar“ machen will.
    Aber wer weiss schon, welche Seiten noch gesperrt werden sollen, wenn in diesen Listen, von derer Wirksamkeit sie so schwärmt, Seiten von Sperrgegnern auftauchen die gesperrt werden.
    Zu kontrollieren wäre es ja nicht, da die Listen geheim sind.
    Liebe Grüsse

  5. @ Honigtopf: Gesetzt den Fall, die ISPs sollen/wollen/müssen wirklich nachschauen wer nicht den standard-DNS benutzt … wie einfach lässt sich das realisieren? Fällt das „von alleine“ auf oder muss man danach gezielt suchen?

  6. Wurde im Zuge dieser Aktion auch von irgendeiner Seite Anzeige gegen die Inhaber der Websites erstattet?

  7. @Rayne: Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Ich hatte mir nur mal vorgestellt was so ein Innenminister träumt, wenn er wieder mal eine Flasche Rotwein nicht halb voll übriglassen wollte.
    Das ist definitiv nicht in dem aktuellen Gesetzesvorhaben drin und wird auch nicht so bald kommen – hoffe ich. Aber da DNS Abfragen über den Provider gehen (wie alles andere auch), hätte dieser generell die Möglichkeit dazu. Aber auch dagegen kann man sich vermutlich verstecken.
    Mit den Histories der Surfer die Stopschilder aufrufen kriegen die erstmal schon genug Daten.

  8. Ich habe es so gehofft, dass eine Aktion dieser Art stattfindet und es wurde erhört.

    Vielen Dank an alle die bewiesen haben wie einfach es ist bestehendes Recht unbürokratisch anzuwenden. Ich bin mal gespannt was nun von politischer Seite als Reaktion kommt.

    Weiter so!

    Euer Lukas

  9. Tolle Aktion von AK Zensur.
    Aber IMHO 12 Stunden zu spät veröffentlicht.

    Nachts sind alle Büros der oppositionellen Ausschussmitglieder per Mail über die Aktion informiert worden und gebeten worden, den BKA Vertreter diesbezüglich anzusprechen.
    Aus einer Antwortmail geht hervor, dass das zu kurzfristig war, als dass die Abgeordneten noch hätten Kenntnis von der Mail und der Aktion erlangen können, da manche bereits seit 8:30 an Ausschuss-Sitzungen teilgenommen haben.

    Dass die Bereitschaft besteht, die Argumente von np.org aufzunehmen, hat man an der Frage des DieLinke MdP bzgl. Finnland gesehen (ohne mein Dazutun).

  10. piercyna: Stimmt. Verwertbare Ergebnisse lagen erst gestern gegen Nachmittag vor. Da war es aber noch zu früh für um mit gutem Gewissen eine Pressemitteilung zu verschicken.

    Ich kannte die Ergebnisse zum Teil da bereits (ist ja kein Geheimnis, dass ich Alvar von Odem.org gut kenne), die PM wurde dann aber tatsächlich erst gegen Abend/heute Nacht verfasst.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.