Die SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan, äußert sich gegenüber „Der Westen“:
Sie empfehlen den Bürgern eine „Skepsis gegenüber staatlichen Regeln“. Kann es sein, dass Sie mit solchen Aussagen gezielt um die Stimmen der Liberalen werben?
Das wäre bestenfalls ein Nebeneffekt. Ich habe diese Aussage in meiner Münchner Rede gemacht, weil ich deutlich machen wollte, dass die Gesellschaft der Bürgerinnen und Bürger ein Bollwerk gegen staatliche Willkür sein kann. Wachsamkeit und – wenn es geboten ist – auch ziviler Ungehorsam gehören zur lebendigen Demokratie. Da stehe ich den liberalen Positionen nahe.
An welcher Stelle ist denn Misstrauen gegenüber dem Staat angebracht?
Immer dann, wenn der Staat versucht, Regeln zu setzen, die gegen die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger gerichtet sind. Aber auch dann, wenn er Freiheit beschneidet oder sich zum über allem schwebenden Super-Staat aufschwingen will. Ein aktuelles Beispiel ist das BKA-Gesetz, das ich wirklich problematisch finde. Klar ist, dass wir den Terrorismus bekämpfen müssen. Doch wie weit wir dabei mit dem Rückbau des Rechtsstaats gehen dürfen, sollten wir zumindest offen diskutieren. Das BKA-Gesetz entmachtet aus meiner Sicht die Bundesanwaltschaft und dreht damit den Grundsatz um, dass im Rechtsstaat Ermittlungen nicht von der Polizei, sondern von der Staatsanwaltschaft ausgelöst werden müssen.
Die SPD-Fraktion im Bundestag wird derweil argumentativ bearbeitet – es gab ja auch hier eine Reihe von Gegenstimmen. Jens Ferner ist ein internes Argumentationspapier pro BKA-Gesetz zugespielt worden, das offenbar aus der SPD-Spitze stammt. Er hat es auch gleich kommentiert. Man wirbt hier ganz offensiv für Vertrauen in die Arbeit des BKA, das seine Kompetenzen schon nicht missbrauchen oder übermäßig nutzen werde. Ein Beispiel:
Die bisherige Arbeit des BKA im repressiven Bereich zeigt, dass es auch mit seinen neuen Präventivkompetenzen, insbesondere denen die schwerere Grundrechtseingriffe nach sich ziehen, verantwortungsvoll umgehen wird. In den letzten zehn Jahren hat das BKA ganze zwei Rasterfahndungen durchgeführt.
Was die SPD-Spitze hier verschweigt: Mindestens eine dieser zwei Rasterfahndungen, bei denen immerhin die Daten von zehntausenden unverdächtigen Bürgern (mit zweifelhaften Chancen auf Erfolg) durch das Datamining gejagt wurden, war verfassungswidrig.
So wird das schwierig mit dem Vertrauen, Herr Wiefelspütz. Die generelle Frage ist darüber hinaus ja auch: Warum sollten die Bürger einem Staat vertrauen, wenn der sie unter Generalverdacht stellt?
„Die Privat- und Intimsphäre (…) der von einer Online-Durchsuchung erfassten Personen wird wirksam
geschützt.“
Eben nicht, denn bevor private Daten als solche erkannt werden können, müssen sie erst mal gelesen werden und schon das ist das Ende der Privat- und Intimsphäre. Man stelle sich eine Mutter vor die ihrem pubertierenden Filius sagt: „Hör mal, ich hab Deine Dateien durchsucht weil ich mir Sorgen um Dich machte. Bei den Pr0nfilmchen mit Deiner neuen Freundin war ich unsicher, also habe ich sie deinem Vater und deiner Klassenlehrerin gezeigt. Die sagten glücklicherweise, das sei alles normal heutzutage und außerdem ginge es mich nichts an.“
„In den letzten zehn Jahren hat das BKA ganze zwei
Rasterfahndungen durchgeführt. Von 2001 bis zum zweiten Quartal 2007 gab es nur sieben
Wohnraumüberwachungen, also im Schnitt eine Wohnraumüberwachung pro Jahr!“
Wenn die dieses Mittel eh kaum nutzen, wozu brauchen sie dann neue Befugnisse?
Meine Freundin sagt „Wie jetzt? Neue Festplatte? Du hast die alte doch nichtmal voll.“ Sie hat recht.
„[…]In den letzten zehn Jahren hat das BKA ganze zwei Rasterfahndungen durchgeführt.[…]“
Lustig ist schon, wie man sich da jetzt schon selbst widersprechen muss in der SPD. Wenn ich mich noch recht erinnere, meinte Hofmann am 12.11.08 während der 186. Plenarsitzung noch behaupten zu müssen, es wären „nur 7 Rasterfahndungen durchgeführt worden“. 2 oder 7, was macht das schon, aber wenn man sich noch nicht mal über die Anzahl einig ist…