Kurzes Update zu „Überraschung aus dem BKA: “Löschen statt Sperren” funktioniert nicht.“ von gestern: Silvio Duwe bestätigt bei Telepolis meine Vermutung, dass das gestern via dpa verbreitete BKA-Statement im Kontext der Fraktionsveranstaltungen zum Thema “Lösungen und Wege im Kampf gegen die Kinderpornographie” zu sehen ist:
Sowohl CDU/CSU als auch die FDP hatten zu einer offenen Anhörung mit Experten geladen – in getrennten Räumen. Ein Versehen, wie aus Koalitionskreisen zu hören war. Man habe die Termine untereinander schlecht abgestimmt.
Weisse Bescheid, Schätzelein (Das Treffen der CDU-/CSU-Fraktion war allerdings nur fraktionsoffen, nicht offen für die interessierte Allgemeinheit)!
Bemerkenswert – und Grund für dieses Update – ist übrigens einmal mehr die Position von BKA-Chef Ziercke, der Gast der CDU-/CSU-Fraktion war:
Außerdem handele es sich beim BKA um eine Behörde, die sich an Regeln halten müsse, weswegen es ihm unmöglich sei, direkt an ausländische Privatanbieter heranzutreten. „Also ich glaube, wir würden es uns auch verbitten, wenn der CIA oder das FBI oder der chinesische Nachrichtendienst oder wer auch immer hier in Deutschland dafür sorgen will, dass bestimmte Dinge gesperrt oder gelöscht werden sollen. Nur noch einmal vom Grundprinzip her: Dass eine Behörde einen Privaten im Ausland auffordert, etwas zu tun, das kann ich schlicht nicht“, so Ziercke. Es sei lediglich möglich, über Verbindungsbeamte in den entsprechenden Ländern auf eine Löschung hinzuwirken.
[Update, um Missverständnissen vorzubeugen] Niemand hat vom BKA verlangt, im Ausland von Providern die Löschung von Inhalten zu fordern. Ein informelles Anschreiben („Abusemail“), wie u.a. vom AK Zensur vorgeschlagen und erfolgreich getestet, ist keine Forderung, sondern ein Hinweis auf einen potentiellen Rechtsverstoß, bei dem das BKA nicht hoheitlich tätig würde.
Die Entscheidung, ob und welche Schritte nach einem solchen Hinweis einzuleiten sind, bleibt dem angeschriebenen Provider überlassen. Jugendschutz.net, technischer Dienstleister der Kommission für Jugendmedienschutz, praktiziert dieses Verfahren bei jugendgefährdenden Inhalten seit Jahren. Nach eigenen Angaben recht erfolgreich.
Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat keine Bedenken, was informelle Anschreiben durch das BKA betrifft. In der Ausarbeitung zur Frage der „Zulässigkeit des Versendens von sog. „abuse-emails“ durch das Bundeskriminalamt an
außereuropäische Host-Provider“ heißt es zusammenfassend (PDF, 144kb):
Solange eine Email des BKA nur eine Benachrichtigung an den Host-Provider darstellt, und diesen auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server hinweist, wird das BKA nicht hoheitlich tätig, da es dem Host-Provider kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt, sondern diesen lediglich informiert. Solche rein informativen Emails des BKA an außereuropäische Host-Provider wären demnach zulässig. Unzulässig wären hingegen derartige Emails durch das BKA an Host-Provider, die diesem eine Löschung der inkriminierten Inhalte vorschreiben würden.
[/Update]
Das BMI, dem das BKA untersteht, hat in seiner Dienstanweisung – letztendlich auch aus prozessualen Gründen, was durchaus sinnvoll ist – kürzlich den offiziellen Dienstweg vorgegeben:
Als eine erfolgsversprechende Maßnahme in diesem Sinne bitte ich die Benachrichtigung des Staates anzusehen, in welchem die identifizierten kinderpornographischen Inhalte physikalisch vorgehalten werden. Die Benachrichtigung ist mit der nachdrücklichen Bitte um Löschung des Inhalts und um entsprechende Rückmeldung nach Löschung an das BKA zu versehen. Diese Verfahrensweise ist erforderlich, um insbesondere den betroffenen ausländischen Stellen die Möglichkeit zu geben, sich auf das Verfahren einzustellen und auf entsprechende Meldungen des Bundeskriminalamts zeitnah durch Löschung der Angebote zu reagieren.
Klingt schon deutlich anders als „Es sei lediglich möglich, über Verbindungsbeamte in den entsprechenden Ländern auf eine Löschung hinzuwirken“, oder?
Wie auch immer, eigentlich kann man sich nur bedanken, wenn Ziercke derart unmissverständlich deutlich macht, dass das BKA definitv ungeeignet ist, um geheime Zensurlisten zu führen.
War doch klar: Die können einfach kein „Ausländisch“ sprechen und schon gar nicht schreiben.
Vor solchen Peinlichkeiten würde ich mich auch ziercken ;)
Ich verstehe Herrn Ziercke durch aus, es geht nicht das der BKA an private im Außland heran tritt.
Das ist aber noch lange kein Grund nicht mit den ausländischen Behörden ein Konzept zur Löschung zu erarbeiten.
Der Austausch persönlicher Daten funktioniert doch auch prächtig zwischen den Ländern.
@Ingo: Warum „geht das nicht an“?
Meiner Meinung nach trifft es der wissenschaftlichen Dienst des Bundestags in der Zusammenfassung seiner Ausarbeitung (PDF, 144kb) des Problemfelds recht gut:
Ein Problem sehe ich allenfalls, falls das BKA einen rogue provider anschreibt, der seinen Kunden vor den Ermittlungen der lokalen Polizeibehörde warnt. Aber das ist wohl ein reichlich theoretisches Szenario. Insbesondere, wenn man den Fokus auf die Beseitigung legt und davon ausgeht, dass die Kunden gegenüber ihrem Hoster anonym auftreten.
Ich sehe es so, wie Jörg-Olaf es in seinem Kommentar geschrieben hat:
Das BKA scheint derart verhaftet in herrischen Strukturen, dass ein Herr Ziercke nicht ansatzweise auf die Idee kommt, den betroffenen Provider informell und auf dem kleinen Dienstweg zu kontaktieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser das Material schnellstmöglich zu entfernen trachtet, geht wohl gegen 100%.
Server in den Staaten? Gut, dort ist KiPo ebenfalls strafbar. Wie in 99% der restlichen Welt auch. Kein seriöser Provider kann es sich leisten, als KiPo-Schleuder zu gelten.
Eine erschreckende Geisteshaltung!
Ich kann nachvollziehen, warum Herr Ziercke keine Lust hat, Emails an ausländische Provider zu schreiben: Das passt halt nicht zum Image einer coolen schlagkräftigen Behörde, die das BKA werden will.
Wir erinnern uns: KiPo ist nur ein Vorwand. Eigentlich geht es hier um Kompetenzerweiterungen der Wiesbadener Behörde.
Ach, und ich dachte wenn es um Kindesmissbrauch geht welcher im Internet veröffentlicht wird, sollten alle Mittel und Wege recht sein damit dieser Schmutz aus dem Netz verschwindet. Aber anscheinend gilt das nicht wenn es das BKA direkt betrifft. Da wird stock und steif auf eine überholte Kommunikationstruktur gesetzt.
Ich fasse es nicht.
Das krasse ist doch dies:
Was?! Wenn uns das FBI sagen würde das in München ein Server voll Kinderporno steht würden wir uns doch wohl herzlich bedanken und die Inhalte vom Netz nehmen. Wie kann dieser Mann sagen, dass wir oder Leute in anderen Ländern nicht froh um solche Hinweise wären? Will er die Sachen etwa schützen? Sollen die im Netz bleiben?
Selbst wenn das BKA angeblich mit den Info Mails sich in interessen fremder Länder einmischen würde… sowas kann man ja auch vorher mal mit den dortigen Behörden mal klären.. ich denke die Wenigsten hätten damit Probleme wenn eine deutsche Behörde Infomails wegen Kipo verschickt… sorry das lässt sich Regeln.. Es ist Kipo und keine politischen Dinge die man gerne löschen lassen möchte
Typisch Behörde: Server steht im Ausland -> da sind wir nicht zuständig.
man stelle sich vor das bka ermittelt seit geraumer zeit gegen einen drogendieler/menschenhändlerring, es ist kurz davor zuzuschlagen, es fehlt legendlich der kopf der bande, aber man ist optimistisch, schließlich soll bald ein wichtiges treffen stattfinden und die bösen wissen von nichts und fühlen sich sicher. plötzlich und unerwarteterweise taucht die ganze gruppe ab. keiner weis warum, bis sich herausstellt, das ein ausländischer dienst, eine emailanfrage an den hausbesitzer/autovermieter stellte, sie hätten da von etwas gehört usw… ;-) nur mal so als idee, warum sich das bka da zieren könnte. das ziel sollte ja schließlich sein, die bösen hinter solchen seiten zu stellen und nicht nur die provider zum kündigen der verträge zu animieren ;-)
@rToljok
Ja, da hast du vieleicht recht. Aber redwolf2222 hat ja schon gesagt warum das kein Argument für Sperren ist.
Aber ausserdem geht es ja auch darum den Behörden anderer Länder bescheid zu sagen. Die würden sich hoffentlich freuen über solche hinweise und gegebenenfalls sofort den Provider kontaktieren. Anders als Herr Ziercke, der von solchen Dingen wohl lieber nichts wissen will :-(
@Toljok
Da hast du recht. Wenn die aber per STOPP-Schild die Täter vorwarnen, passiert das selbe. Insofern kann das nicht die Argumentationsbasis für die Netzsperren sein.
Das kommt halt raus, wenn man sich selbst evaluieren soll bei einer Sache, die man machen will.
Wette jetzt eine Kiste Champagner, dass nach einem Jahr rauskommt, dass der BKA nichts löschen kann.
Wir sollten den Ziercke mal bei den IT-Abteilungen der großen Privatbanken vorbeischicken, ist ja auch nicht soweit für ihn.
Äh Korrektur: „… bei einer Sache, die man *nicht* machen will.
@wolf
sehr schöne Wortschöpfung:
ziercken – sich zierend zicken, den Anschein erweckend, man würde sich zieren, in Wirklichkeit zicken.
Der ganze Plan ausländische Kinderpornoseiten zu löschen ist doch im Ansatz schon Schwachsinn, als wenn die Seitenbetreiber alle innnerhalb der EU ihre Server zu stehen hätten, die kommen zu 99% aus dem Offshore Bereich und die scheren sich bekanntlich einen Dreck um deutsche Gesetze.
Ich stimme Ingo (#2) zu: Meinem Verständnis nach kann eine Behörde ausschließlich innerhalb ihres Hoheitsgebietes handeln, egal ob durch Hoheitsakte oder anderweitig. (Ein „informelles Anschreiben“ einer Behörde ist außerdem ein Oxymoron.)
Es ist natürlich evident, dass eine Behörde im Ausland nicht hoheitlich tätig sein kann, aber dennoch bleibt es das Handeln einer Behörde und damit des Staates innerhalb eines anderen Staates, was dessen Souveränität berührt. Der wissenschaftliche Dienst scheint mir daher etwas kurz zu springen, da er lediglich die Auswirkungen eines Hoheitsaktes auf die Souveränität anreißt, aber die Auswirkungen anderweitigen behördlichen Handelns überhaupt nicht prüft.
Für das Handeln in fremden Hoheitsgebieten sind die dortigen Behörden zuständig. Anders wäre es, wenn beide Staaten gegenseitig offiziell die Zulässigkeit solcher behördlicher Abusemails vereinbaren.
(Was nicht heißt, dass das BKA keinen innerstaatlichen hoheitlichen Arschtritt verdient hätte, um endlich in die Puschen zu kommen.)
Ihr seht das alle falsch. Dem BKA wäre es ja, wenn es denn wirklich den kleinen Dienstweg nutzen und Provider in anderen Ländern einfach nur informieren würde, nicht möglich, die Schließung dieser Seiten als eigenen Erfolg zu verbuchen – es wäre ja nicht „offiziell“ gelaufen.
Sie hätten demnach kostbare Zeit damit verschwendet, die Arbeit anderer Leute (bzw. Länder) zu machen. Zumindest kann ich mir gut vorstellen, dass dies der wahre Gedankengang hinter der „Löschen geht aber gar nicht, wenn der Provider im Ausland steht“-Heulerei ist.
Warum das Ganze dann aber nicht über Interpol laufen kann, ist mir schleierhaft.
@Bernd: Sorry, aber das ist falsch auf ziemlich vielen Ebenen.
a) Weil ein Großteil der auf den Sperrlisten im Ausland gelisteten Server tatsächlich in westlichen Industrieländern steht. Übrigens gerade auch in Deutschland und in den USA.
b) Gerüchten nach sind insbesondere die USA und auch Deutschland auf Grund ihrer blendenden technischen Infrastruktur recht beliebte Serverstandorte sind
c) Diese Erkenntnis hilft dummerweise nicht, da an den Servern kein Namensschild angebracht ist. D.h. es ist praktisch unmöglich, den tatsächlichen Standort der interessanten/ kommerziell/ kriminell relevanten Server zu tracken, da sie sich am Ende komplexer Verschleierungsketten befinden
… und dann stellt sich zu allem Überfluß d) noch die Frage, welchen Marktanteil (sorry, für die unemotionale Bezeichnug) über das WWW kommerziell angebotene Kinderpornographie überhaupt hat. Das wäre ja nicht völlig uninteressant zu wissen, bevor wir den großen Kärcher rausholen, oder?
Erste Erkenntnisse aus einem im Rahmen der „White IT“-Initiative unterstützten Forschungsprojekts des kriminalwissenschaftlichem Instituts der Uni Hannover deuten darauf hin, dass es, ich zitiere einen Mitarbeiter von einer Podiumsdiskussion des Heise-Verlags auf der Cebit: „keinen kommerziellen Markt für Kinderpornographie-Material im Web“ gibt.
Und nun? Eben. Mit WWW-Sperren, inbesondere auf DNS-Basis, kommen wir nicht weiter. Das schreiben wir hier seit einem Jahr.
@Andi: Anderer Ansicht: Die Rechtsexperten des Deutschen Bundestags.
Viel interessanter finde ich die Frage, warum sich das BKA so vehement gegen eine der wenigen effektiven Methoden stemmt, den Dreck zumindest temporär aus dem Netz zu bekommen bzw. Konsumenten von ihren Quellen abzuschneiden.
Bei Wyrd Sister findest du ein Argument. Es gibt noch weitere. Um die Opfer geht es dabei offenbar weniger.
@ Jörg-Olaf (24):
Wenn du mit den „Rechtsexperten des Deutschen Bundestags“ den wissenschaftlichen Dienst meinst: Meine Kritik an dessen Ausarbeitung habe ich ja extra in meinem Kommentar formuliert.
@ Bernd (20)
Das halte ich für Unsinn. Wenn von den Servern Bilder und/oder Videos übertragen werden sollen, dann braucht man auch eine passable Netzanbindung, die wohl nur in Industrie- und vielleicht noch Schwellenländern zu finden sein wird. Außerdem ist Kinderpornographie in fast alle Staaten der Erde verboten. Die knapp 90 Länder, die laut Zensursula keine Gesetze gegen Kinderpornographie im speziellen haben, verbieten Pornographie fast alle komplett. Bleiben noch die Länder, die keine funtionierende Regierung o.ä. haben:
Denkbar schlechte Standorte für Server!
(Stromversorgung, Netzanbindung, Lebensgefahr für das Wartungspersonal…)
Da kommt die nächste Steilvorlage des BKA binnen weniger Tage und auch diese weiß man leider ebenfalls nicht für die eigenen Zwecke zu gebrauchen.
Hat sich schon mal wer hier die Frage gestellt, ob es umbedingt das BKA sein muss, dass die Abuse-Emails schreibt? Oder gibt es hier vielleicht Alternativen?
Das hoffe ich doch! Also, wenn sich der gute Hr. Ziercke zu fein für diese Sache ist, gut so, dann darf er mit seinem Verein in Zukunft halt gar nicht mehr mitspielen, um so besser. Der behindert die ganze Aktion doch eh nur.
Dann verschickt halt eine Stabsstelle in irgend einem Ministerium, die Beschwerdestelle der Internetwirtschaft oder die NGO unseres Vertrauens diese Emails. Es kommt doch nur darauf an, dass sie verschickt werden. Wer sie verschickt, es in der Sache doch vollkommen irrelevant!
Also, haltet euch doch bitte nicht immer derart mit jedem noch so kleinen Nebenkriegsschauplatz auf und schaut lieber, dass man in der Sache endlich mal einen Schritt voran kommt.
P.S.: Ich entschuldige mich gleich im Vorhinein dafür, dass ich mit diesem Kommentar eventl. irgend jemands Zeit stehlen könnte.
Tja, Bender, dass ich/wir/wer auch immer da angesprochen sein soll, schon wieder „eine Steilvorlage“ nicht nutzen, liegt wahrscheinlich daran, dass ich/wir/wer immer da angesprochen sein soll, einfach nicht über deine visionäre Naivität verfügen. Es könnte allerdings auch ganz anders sein.
Super Idee! Solltest du aber vielleicht nochmal drüber nachdenken. Vielleicht auch gleich über die Realität und das große Ganze. Bitte nicht hier. Danke. Wir melden uns dann.
Das BKA hat mir doch erst vor wenigen Monaten gegenteiliges versichert, das hab ich schwarz auf weiß. Jetzt lügt der Ziercke also, oder weißt er einfach nicht was er da sagt?
http://blog.ready2host.de/2010/03/bka-hat-wieder-angst-vor-auslandischen-providern/
@Julian Kornberger: Ich habe mir gerade das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem VG Wiesbaden bei dir durchgelesen.
Aus der geht nicht hervor, dass sich das BKA an Provider im Ausland wenden wird. Man könne sich lediglich vorstellen, sich bei „Beziehungen zu Deutschland“ an den technischen Kontakt zu wenden.
Ebenfalls könne man sich vorstellen, mit (deutschen?) Providern in Kontakt zu treten, die quasi proaktiv ihre im Ausland befindlichen Server beim BKA registriert hätten („sich im Vorfeld mit entsprechenden Daten gemeldet hätte“).
Allerdings kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass nun weltweit Provider ihre Server beim BKA registrieren lassen, um im Fall des Falles direkt vom BKA über einen KP-Fund benachtrichtigt zu werden …
Oder habe ich was übersehen? ,)
@Andi: Sorry, aber ich finde deine Argumentation im direkten Vergleich mit der des wissenschaftlichen Dienstes wenig stichhaltig. Im Gegensatz zum BKA möchte dir aber keine politische Intention unterstellen.
Wie auch immer, wir haben mit Jugendschutz.net ja ein konkretes Bespiel, dass es geht. Jugendschutz.net mag (inzwischen?)* zwar formal eine privatrechtliche GmbH sein, verschickt als technischer Dienstleister der KJM (die als Organ der Landesmedienanstalten unstreitig behördlichen Charakter hat) aber seit Jahren entsprechende informelle Anschreiben.
(Nachtrag: Ich finde ich ja bereits die deutschsprachige Variante der js.net-Anschreiben auf interessante Art und Weise – nun – nachdrücklich. Hat jemand evtl. ein Exemplar aus dem Ausland?)
Die Vorbehalte des BKA halte ich daher für vorgeschoben. Alternativ möchte ich (abermals) anregen, entsprechende Schreiben durch js.net verschicken zu lassen.
Deal?
*jugendschutz.net wurde 1997 von den Jugendministern aller Bundesländer gegründet, um jugendschutzrelevante Angebote im Internet (so genannte Telemedien) zu überprüfen und auf die Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen zu drängen.
— http://www.jugendschutz.net/jugendschutz_net/Auftrag/index.html
@ Jörg-Olaf (32):
Der wissenschaftliche Dienst stellt fest, dass ein Hoheitsakt einer deutschen Behörde in einem anderen Land dessen Souveränität verletzt, und untersucht dann die Frage, ob eine Abusemail einen Hoheitsakt darstellt. Mehr nicht. Und das ist mir viel zu wenig.
Vielleicht gehe ich ja zu abstrakt bzw. formalidealistisch an die Sache heran, aber Staaten sind souveräne und in sich geschlossene Entitäten. Bürger (und Privatunternehmen) eines Staates sind für Behörden eines anderen Staates daher grundsätzlich komplett tabu, solange der betreffende andere Staat für den konkreten Fall nicht sein Einverständnis gegeben hat. Wenn also z.B. die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik vereinbaren, dass Beamte des einen Landes Abusemails direkt an Unternehmen im anderen schicken dürfen, ist das in Ordnung, sonst nicht. Für zwischenstaatliche Kommunikation gibt es nicht umsonst spezielle Wege.
Pragmatisch kann man zweifellos sagen „ist doch bloß ’ne mail“, aber es verletzt in meinen Augen die Grundsätze der staatlichen Souveränität und der Verantwortung den eigenen Bürgern gegenüber.
Das ist jetzt auch völlig losgelöst vom konkreten Anlaß. Diesbezüglich hielte ich entsprechende bilaterale Vereinbarungen für sinnvoll bzw. würde mir bevorzugt wünschen, dass die bestehenden offiziellen Kanäle effizienter genutzt und soweit erforderlich verbessert würden. Ich sehe keinen Grund dafür, warum ein Hinweis des BKA an (um im Beispiel zu bleiben) die französischen Strafverfolgungsbehörden weniger wirksam sein sollte als eine direkte Abusemail an einen französischen Provider, ganz im Gegenteil. Schlimmstenfalls dauert es ein oder zwei Tage länger. In der Realität ist das offenbar anders, und genau dort liegt der politische Handlungsbedarf, nirgendwo sonst.
@Andi:
Ok, ich habe es mir natürlich einfach gemacht und habe dem hysterischen Geschrei von mit Besenstielen vergewaltigten Kleinstkinder eine pragmatische Lösung gegenübergestellt.
Und hier müssen wir uns/entsprechende Staaten sich einfach fragen, was wichtiger ist: Die Gefahr, die von informellen Hinweisen an lokale Provider für ihre staatliche Souveränität ausgeht, oder das Wohl der Kinder.
Klar. Aber auch die sollten im Rahmen des Möglichen liegen (Wenn nicht andere Regulierungsziele verfolgt werden).
Probleme sehe ich da übrigens eher im Bereich unterschiedlicher nationaler Gesetze. Da müssen wir nun gar nicht einmal fürchten, dass China uns das Internet weggrätscht oder arabische Staaten mit der Scharia kommen …
Bereits die unterschiedlichen Regelungen in den USA, oder auch nur innerhalb der EU, dürften da für ein mittleres Chaos sorgen.
Mitunter drängt sich der Eindruck auf, es ginge gar nicht um die zeitnahe Beseitigung entsprechender Angebote, sonder primär um die Generierung von Fallzahlen. Aber das ist sicher falsch.
@ Jörg-Olaf:
Der Staat kann nur handeln, wenn er für diese Handlung legitimiert ist. Eine Rechtsgrundlage für Abusemails an ausländische Firmen ist mir aber nicht bekannt (vielleicht gibt es sie ja – aber hier ist eben gerade das Loch im Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes). Dass es möglich ist, reicht nicht. Dass es funktioniert, auch nicht.
Muß ich jetzt extra dazuschreiben, dass ich Mißbrauch widerlich finde und mir die Strafverfolgung nicht schnell und gründlich genug sein kann? Ich bestehe „nur“ darauf, dass sie sich absolut innerhalb der Grenzen des Rechtsstaates bewegt. Ich glaube nicht, dass das zuviel verlangt ist.
@Andi:
Natürlich nicht.
Ist es auch nicht. Aber wie gesagt, ich mag die „Grenzüberschreitung“ nicht zu erkennen. Bzw. werte ich ein informelles Anschreiben nicht als solche.
Aber du hast Recht, auch die Kette BKA-> Interpol-> Lokale Behörde -> Provider bzw. BKA -> Inhope -> Provider sollte sich beschleunigen lassen.
Ich habe allerdings zunehmend Zweifel, ob diesbezüglich überhaupt Interesse besteht. Und das wäre der eigentliche Skandal.