Bericht vom Telekom-Paket Lobbying in Brüssel

Gestern Abend bin ich von unserer Lobby-Aktion zum Telekom-Paket in Brüssel zurück gekommen. Die vier Tagen waren intensiv, etwas anstrengend, haben aber auch Spass gemacht. Die Gespräche mit Europa-Abgeordneten und/oder ihren Mitarbeitern waren aber sinnvoll und auch gut. Wir konnten unsere Bedenken artikulieren und unsere Hilfe anbieten. Mal schauen, wie erfolgreich das war. Die nächsten drei Wochen werden darüber entscheiden. Es war aber offensichtlich, dass der vielfältige Druck aus dem Netz in den letzten Wochen das Bewusstsein für einige schlechte Passagen in den Direktiven erfolgreich war.

Ich kann allen nur empfehlen, bei Sorgen und Bedenken zu laufenden politischen Debatten, diese direkt bei den Entscheidern zu artikulieren. Dies wurde uns auch von allen Abgeordneten bestätigt: Demokratie bedeutet mitmachen. Das kann durch Aktionen vor Ort geschehen, wie in diesem Fall. Ein Anruf, ein persönlicher Brief, Fax oder eine Mail reicht aber auch schon aus, wenn dies viele tun. Dabei sollte man immer darauf achten, dass am anderen Ende auch nur Menschen sitzen: Das heisst, eine höfliche und persönliche Ansprache mit einer Argumentation bringt etwas. Massenmails, Beschimpfungen und Vorurteile sind kontraproduktiv. In unserem Fall hatten wir den Vorteil, dass wir aus der Kampagne gegen Softwarepatente schon einige Kontakte im Europaparlament hatten, die wir in diesem Fall nutzen konnten.

Wie kommt man in ein Parlament?

Ein Problem ist ja immer, wie man ins Europaparlament reinkommt. Über ein Abgeordneten-Büro bekamen wir einen Wochenpass und wurden morgens immer freundlicherweise am Eingang abgeholt und konnten uns dann im Parlament frei bewegen. Dies ist zwar nicht legal, weil immer ein Mitarbeiter auf einen aufpassen muss. Aber wenn man sich unauffällig verhält und den Sicherheitsmenschen aus dem Weg geht, fragt niemand nach. Man kann auch direkt ein Treffen mit einem unbekannten Abgeordneten ausmachen und nur für das Treffen ins Parlament rein und dann wieder raus. Der Weg nach Brüssel lohnt sich dann aber nicht immer. Aber man kann ja auch gleich mehrere Treffen an einem Tag machen. Wichtig ist auch, dass man Bedenken klar artikuliert und im Optimalfall auch Alternativvorschläge gleich dabei hat.

Wie nimmt man Kontakt zu Abgeordneten auf?

Das war in unserem Fall auch recht einfach. Einerseits kannten wir einige Abgeordnete schon aus anderen Zusammenhängen. Andererseits haben wir einfach Mails geschrieben und um einen Termin gebeten. Das hat in den meisten Fällen problemlos geklappt. Eine Handvoll Abgeordnete hat leider überhaupt nicht reagiert, die meisten aber schon. Auch wenn davon einige noch unterwegs waren und teilweise dann nur die Mitarbeiter zur Verfügung standen. Bei drei Abgeordneten haben wir dann auch die Chance genutzt und direkt ein Interview für NetzpolitikTV gemacht. Die liegen teilweise noch auf DV-Tapes, weil eine Kamera anfing zu spinnen und nicht mehr über Firewire konnekten wollte. Muss ich mir nochmal genauer anschauen, ich hoffe, die Kamera ist bei der Aktion nicht zu Schaden gekommen. Da sind auch noch mehr Video-Berichte vom Lobbying drauf.

Wie bekommt man Netz im Europaparlament?

Im Europaparlament gibt es ein geschlossenes WLAN in einigen Bereichen. Hier hat man zwei Möglichkeiten, einen Zugang zu bekommen: Man beantragt einen formell und mit etwas Glück bekommt man nach einigen bürokratie-Schritten auch den Zugang. Wir haben den einfacheren Weg gewählt und uns einen Zugang von einer Person geliehen, die uns vertraute. Das sparte Bürokratie und über den Zugang kamen auch mehrere Notebooks gleichzeitig ins Netz. So konnten wir von dem „Seminar on Internet-Filtering and the telecom-package“ einen Live-Stream senden, twittern, aber auch Videos online stellen. Der Live-Stream war vermutlich nicht legal, die Videos auch nicht, da man einen Antrag auf eine Drehgenehmigung stellen muss. Das war uns aber auch zu kompliziert, zumal wir keinen Presseausweis haben und daher haben wir es gar nicht versucht, sondern einfach gemacht. Die grosse Herausforderung war beim Live-Stream eher, Strom zu bekommen. Man mag ja annehmen, dass in einem Fraktionssitzungssaal ausreichend Steckdosen vorhanden sind. Das ist aber nicht so. Wir haben, abgesehen vom Podium, in einem Raum mit über 100 Plätzen nur zwei Steckdosen ganz hinten gefunden. Zum Glück hat der Stream fast die ganze Zeit geklappt. Nur hat Mogulus.com als Streaming-Plattform leider nur den zweiten Teil gespeichert, der jetzt online zu finden ist. Aber die Aktion war auch nur ein Experiment und beim nächsten Mal können wir auf den Erfahrungen aufbauen. Zum Glück hattenw ir den Netzzugang und mussten nicht über UMTS ins Netz. Ich hätte ja gerne mehr getwittert, aber UMTS ist im Roaming unbezahlbar. Eine Sache, die wir einigen Abgeordneten auch klar artikulieren konnten und die alle gelobten, sich für Verbesserungen einzusetzen.

Die strittigen Punkte im Telekom-Paket

Zum Telekom-Paket muss man erstmal klarstellen, dass wir den gesamten Rahmen gar nicht ablehnen. Der Grossteil ist gut und sinnvoll, um für Europa einen verbesserten Innovationsrahmen und auch die Stärkung von Verbraucherrechten zu bringen. Es gibt aber kleine Punkte, die wir ablehnen und wo wir unsere Bedenken artikulieren.

In der Datenschutzrichtlinie geht es u.a. um die Frage, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind oder nicht. Ich bin da der Meinung, dass diese klar personenbezogene Informationen sind. Andere sagen, dass man IP-Adressen ja noch nicht klar einer Person zuordnen kann und dass man dies erstmal so abbilden muss. Wenn man aber IPv6 und Entwicklungen wie die Vorratsdatenspeicherung ein berechnet, so wird das aber bald der Fall sein und so ein Gesetz hält ja länger.

In der Universaldienste-Richtlinie (Harbour-Report) sind in den letzten Monaten Punkte aufgetaucht, die nicht in der Intention der EU-Kommission waren. Im Direktiven-Vorschlag der EU-Kommission war es gar nicht vorgesehen, dass man Inhalte mit in die Infrastruktur-Gesetzgebung einbaut. Aber auf einmal war in der Diskussion, dass man Regelungen zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (Stichwort Internetsperrungen und Filterungen) einbaut. Die Diskussion ist geprägt von der französischen Initiative, die Strategieempfehlung der Entertainment-Lobby umzusetzen, eine „3 strikes and you are out“ umzusetzen. Dieses Modell wurde erst vor wenigen Monaten vom EU-Parlament abgelehnt. Aber es gibt immer wieder Bestrebungen, dies wieder in anderen Gesetzen wie dem Telekom-Paket doch noch durchzusetzen. Die verwendete Sprache in dem aktuellen Kompromissvorschlag ist daher auch eher schwer zu verstehen. Monica Horten hat in ihrem Analysen-Papier darauf hingewiesen, dass einige Wörter den Rahmen bilden. Und unser Anliegen war und ist, diese raus zu bekommen. Wenn dort in einer „Cooperaton“ zwischen ISPs und Rechteinhabern gesprochen wird, so findet man die Definition von „Cooperation“ vor allem in Lobby-Papieren der Rechteinhaber. Auch wird oft das Wort „lawful“ und „unlawful“ verwendet. Diese wollen wir raus bekommen und es sieht auch ganz gut aus. Denn es ist unklar, wie man rechtmässige Inhalte definiert und in der Regel wird dies in anderen Gesetzen schon getan. Die Gefahr bei diesen Worten ist, dass man Massnahmen trifft, um unrechtmässige Inhalte raus zu filtern. Da bdeutet Zensur und in der Regel stellen sich Rechteinhaber dafür eine technologische Umsetzung vor, die China als Zensurinfrastruktur nutzt. Aus Bürgerrechtssicht ist dies inakzeptabel.

Bei einer anderen Verwendung des Wortes „lawful“ konnten wir darauf aufmerksam machen, dass dies anderes formuliert besser klappen könnte. Es ist nämlich die Rede von „lawul applications“. Gemeint ist damit von Verbraucherschützern, dass man Telekommunikationsunternehmen verbieten möchte, dass Software wie Skype / VOIP in ihren Netzen nicht erlaubt wird. Diese Forderung unterstütze ich voll und ganz. Aber wir befürchten, dass man diese Formulierung auch verwenden kann, um Trusted Computing Infrastrukturen zu legitimieren und aufzubauen. Hier suchen wir gerade noch nach anderen Formulierungsmöglichkeiten, um den ersten Sinn besser zu definieren und das zweite auszuschliessen.

Und sonst?

Sonst waren das vier spannende Tage, die uns auch wieder neue Einblicke in die Arbeit der europäischen Ebene gebracht haben. Und dazu viele neue Kontakte, bzw. die Vertiefung von schon bestehenden Kontakten. Erfreut waren wir auch über die Kooperatonsangebote einige Abgeordneter, ihre Büros und Telefone mit zu nutzen. Und das WLAN. Was es ist für konkrete Diskussion gebracht hat, wird sich in den nächsten Wochen rausstellen. Hinter den Kulissen laufen jetzt die Verhandlungen und die Suche nach anderen Kompromissen und Mehrheiten. Wir planen auf jeden Fall noch weitere Aktionen aus dem Netz, um den Druck aufrecht zu halten, im Sinne von Netzneutralität und Bürgerrechten zu stimmen. Und in einem angemieteten Appartment in Brüssel werden die kommenden drei Wochen noch einige Aktive aus unserem losen Netzwerk unterkommen und vor Ort mit ihren Abgeordneten sprechen. Das verfolge ich dann aber nur noch aus Berlin und im Netz.

16 Ergänzungen

  1. Hier suchen wir gerade noch nach anderen Formulierungsmöglichkeiten, um den ersten Sinn besser zu definieren und das zweite auszuschliessen.

    Wie wäre es mit „Zugangsanbieter dürfen die Geschwindigkweit von Datenübertragung nicht abhängig von Herkunft oder Inhalt machen“ ?

    1. Das ist europäisch betrachtet gar nicht so einfach. Wir schauen immer auf unsere entwickelten Infrastrukturen in Deutschland. Auf EU-Ebene muss man aber auch andere Staaten in Betracht ziehen, die nicht so gut ausgebaut sind. Wir suchen noch eine Möglichkeit, das unterzubringen. Gut möglich, dass es auf eine Formulierung hinaus laufen wird, wonach dies Aufgabe der nationalen Regulierer sein wird. Ich hab gerade noch keine abschliessende Meinung dazu.

      1. Auf EU-Ebene muss man aber auch andere Staaten in Betracht ziehen, die nicht so gut ausgebaut sind.

        Ich verstehe das nicht: Welche Bedeutung hat eine weniger ausgebaute Infrastruktur denn für die Netzneutralität ? Haben die dann etwa Peering-Probleme, wenn massiv Inhalte nicht aus dem „eigenen“ Netz kommen ?

        1. Da gibt es Staaten, die haben wackelige Netz-Infrastrukturen und gut möglich, dass da andere Formen von Netzwerk-Management Sinn machen als ich es hier akzeptabel finde. Es ist etwas tricky, das zu berücksichtigen. Wir suchen da noch nach einer Lösung, da wir gerne ein starkes Bekenntnis zu Netzneutralität unterbringen wollen.

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