NetzDG-BerichtTikTok löscht und sperrt am häufigsten politische Inhalte

Mobbing und Hassrede gibt es auch auf dem sozialen Netzwerk TikTok. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht der Betreiber der Video-App jedoch vor allem gegen Inhalte vor, die einen politischen Bezug zu haben scheinen. Auf Vorwürfe der Beleidigung reagiert das Unternehmen einem an diesem Freitag veröffentlichten Bericht zufolge selten.

Was fällt bei TikTok unter das NetzDG?
Was fällt bei TikTok unter das NetzDG? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Gian Cescon | Bearbeitung: netzpolitik.org

50 Videos oder Kommentare haben nach der Auffassung von TikTok im zweiten Halbjahr 2019 gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verstoßen. Das geht aus dem ersten Transparenzbericht hervor, den das Unternehmen an diesem Freitag veröffentlicht hat. Auffällig ist: TikTok hat vor allem Inhalte gelöscht oder für Menschen in Deutschland gesperrt, die einen politischen Bezug zu haben scheinen.

Die Video-App, die sich durchweg unpolitisch gibt, ist das am schnellsten wachsende soziale Netzwerk weltweit: Sie wurde inzwischen 1,5 Milliarden mal installiert. In Deutschland sollen sie 5,5 Millionen Menschen mindestens einmal im Monat nutzen. Das geht aus einer internen Präsentation hervor, die das Marketingmagazin Digiday im November veröffentlicht hat. TikTok selbst veröffentlicht keine Nutzerzahlen.

Wenn diese Größenordnung stimmt, würde TikTok nicht nur zur ernstzunehmenden Konkurrenz für Marktgrößen wie Instagram. Es würde auch längst unter die Pflichten des NetzDG fallen. Dieses Gesetz soll strafbare Inhalte wie Hassrede und Hetze im Netz bekämpfen und verpflichtet Plattformen mit mehr als zwei Millionen Nutzer:innen zu besonderen Maßnahmen.

NetzDG-Meldung in der App

Eine solche Auflage – die Möglichkeit, strafbare Inhalte au der Plattform zu melden – hat TikTok bereits umgesetzt. Wer ein bestimmtes Video melden möchte und bei dem sozialen Netzwerk angemeldet ist, kann dies seit Kurzem mit wenigen Klicks direkt aus der App heraus tun.

TikTok bietet als einen Meldegrund an: „Fällt unter das NetzDG“. In der Folge müssen Nutzer:innen auswählen, um welchen Straftatbestand es geht, etwa Üble Nachrede oder Terrorismus. Ähnlich funktioniert es auch auf Facebook oder Twitter.

Noch im vergangenen Jahr war eine solche Meldung nur über ein NetzDG-Formular auf der Homepage möglich. Faktisch war sie damit für viele Nutzer:innen schwer zugänglich, denn TikTok wird vor allem als mobile App auf dem Smartphone genutzt.

Von Juli bis Dezember gingen zwei Drittel der Meldungen nach dem NetzDG dem Bericht zufolge wohl auf Nutzer:innen zurück, ein Drittel auf Beschwerdestellen. Die Gesamtzahl liegt bei 1050 und damit über den 665, die etwa Instagram bekanntgegeben hat.

Verfassungsfeindliche Organisationen und Volksverhetzung

In 22 Fällen wurden bei TikTok nach eigenen Angaben Propagandamittel von verfassungswidrigen Organisationen verbreitet oder deren Kennzeichen verwendet. Darunter fallen könnten zum Beispiel Hakenkreuze oder der sogenannte Hitlergruß. Bei diesem Tatverdacht überragt TikTok damit Instagram, das bei den entsprechenden Paragraphen lediglich fünfmal Maßnahmen ergriffen hat.

Auf Anfrage konnte eine Sprecherin von TikTok am Freitagnachmittag jedoch nicht sagen, um welche verfassungswidrigen Organisationen es sich dabei gehandelt hatte.

Sechsmal ging das soziale Netzwerk zudem gegen Volksverhetzung vor, außerdem je einmal wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und sowie wegen der Anleitung zu einer solchen.

Mit 155 sind die meisten Beschwerden eingegangen, weil angeblich „beweiserhebliche Daten“ gefälscht worden waren. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Urkundsdelikt. Die Aussichten auf Erfolg waren gering: In genau einem Fall ergriff TikTok darauf Maßnahmen.

144 Inhalte wurden moniert, weil Nutzer:innen oder Beschwerdestellen der Ansicht waren, der „höchstpersönliche Lebensbereich“ von Menschen sei durch Bildaufnahmen verletzt worden – etwa, weil diese heimlich gefilmt worden waren. Achtmal zog TikTok daraus Konsequenzen.

TikTok reagiert selten auf Beleidigungsvorwürfe

Im vergangenen Jahr hatte netzpolitik.org aufgedeckt, dass hinter der App ein ausgeklügeltes System stand, um Inhalte zu unterdrücken. Recherchen zeigten, wie Menschen mit Behinderungen durch Moderationsregeln diskriminiert wurden. Auch queere und dicke Nutzer:innen wurden gezielt versteckt. Angeblich sollten sie dadurch vor Cybermobbing geschützt werden. Das Unternehmen versprach Besserung. Die neuen Zahlen zeigen nun, wie selten TikTok gegen Inhalte vorgeht, die Nutzer:innen gemäß dem NetzDG als beleidigend gemeldet hatten.

Zum Vergleich: Instagram ist im zweiten Halbjahr 2019 vor allem wegen des Vorwurfs der Beleidigung gegen Inhalte vorgegangen und stimmte dabei mehr als jeder zweiten Beschwerde zu. TikTok dagegen gab entsprechenden Meldungen in lediglich drei Fällen Recht – einer Quote, die mit rund 3 Prozent auch unter den Werten von Facebook und Twitter liegt. Zweimal reagierte TikTok auf den Vorwurf der üblen Nachrede, einmal auf den der Verleumdung.

In dem Bericht schreibt TikTok, es habe ein spezielles Team zur Moderation von NetzDG-Beschwerden eingerichtet, das besonders geschult werde. Von Juli bis Dezember hätten sich elf Menschen mit den Meldungen befasst. Eine Sprecherin des Unternehmens gibt an, sie alle sprächen Deutsch und säßen in Berlin sowie in Barcelona.

42 der Meldungen, in deren Folge TikTok Maßnahmen ergriffen hat, wurden laut dem Bericht innerhalb von 24 Stunden bearbeitet. In vier Fällen sind brauchte das Unternehmen offenbar mehr als zwei Tage, um zu reagieren.

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