JMStVCamp: Interview mit Kai Schmalenbach, Piratenpartei NRW

Zum Abschluss unserer kleinen Reihe zum JMStVCamp in Essen veröffentlichen wir heute gleich drei Interviews. Die Gespräche mit Marc Jan Eumann, Medienstaatssekretär in NRW und Alexander Vogt, medienpolitischer Sprecher der SPD im Landtag NRW, sind bereits online.

Last, but not least, folgt ein Interview mit Kai Schmalenbach von der Piratenpartei. Kai Schmalenbach ist 2. Vorsitzender im Landesverband Piraten NRW und Mitautor des lesenswerten Readers „Die 14. JMStV–Novelle: Eine technische Betrachtung“ (PDF).

Netzpolitik.org: Ich muss mich noch einmal für den tollen Reader „Die 14. JMStV–Novelle: Eine technische Betrachtung“ (PDF) bedanken, den Sie zusammen mit Achim Müller verfasst haben. Ich glaube, der Reader hat in der Debatte des letzten Jahres durchaus einiges bewegt und vielen Kritikern des Staatsvertrags die Argumentation erleichert.

Wir sind eigentlch Ihre Erfahrungen mit weniger netzbegeisterten Mitmenschen, kann man die mit derlei abstrakten Themen überhaupt erreichen?

Kai Schmalenbach: Das Ziel der Politik sollte meiner Meinung nach nicht sein, Themen danach auszurichten, wo gerade die meisten Stimmen zu ziehen sind, sondern immer dort anzupacken, wo man es gerade dringlich gegeben sieht. Als im letzten Jahr das Thema JMStV auf meinem Radar auftauchte, nicht zuletzt durch Netzpolitik.org dort positioniert, sah ich dringenden Handlungsbedarf.
Zusammen mit einigen Mitstreitern haben wir dann versucht, das Thema auf die Agenda zu bringen. Neben daraus resultierenden Aktionen auf der Straße hatte Achim Müller die Idee, das Thema auf unsere Kernkompetenzen heruntergebrochen in einem Papier zu verarbeiten.

Im Kontakt mit dem Bürger ist es wirklich harte Arbeit, ein solches Thema zu verkaufen und ihm zu erklären, warum wir uns gegen die Novelle positioniert haben. Dabei ist es dann wichtig, zunächst einmal auf die Sorgen der Bürger einzugehen um ihm anschließend zunächst mal zu erklären, was technisch dahinter steckt und das ist oft mit viel Geduld verbunden. Aber das gilt eigentlich für alle Netzthemen.

Netzpolitik.org: Die Idee zum JMStVCamp ist – bitte korrigieren Sie mich – Anfang des Jahres in einer kleinen Diskussionrunde zwischen Piraten, Grünen und Vertretern der Jusos entstanden. Schon im letzten Jahr hat sich diese Form der parteiübergreifenden Zusammenarbeit hinter den Kulissen bewährt. Glauben Sie, dass die Piraten durch Kooperationen an Profil gewinnen oder stärken die Piraten letztendlich vor allem die politischen Mitbewerber?

Kai Schmalenbach: Ich möchte mit einer Gegenfrage beginnen. Worum geht es hier? Um die Positionierung der Piraten oder darum ein Thema erfolgreich im eigenen Sinne zu bearbeiten? Ich tendiere eher zum Letzteren. Ich glaube, unsere Aktivität hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass das Thema in NRW so umstritten diskutiert wurde und auch der Taschenspielertrick der CDU, der letztlich die Novelle kippte wäre und davon bin ich überzeugt, so nie entstanden ohne eine Piratenpartei, die das Thema auf allen Ebenen auf die Agenda gesetzt hat. Interessant daran ist eigentlich, dass wir weder bei der CDU noch bei der FDP waren, da es uns nicht angebracht erschien, die knappen Ressourcen dort einzusetzen.

Die Stärkung des eigenen Profils in der Wahrnehmung der Bürger möchte ich am liebsten nicht dadurch erreichen, dass ich laut trommle und mich von den anderen Parteien abgrenze, sondern dadurch, dass die Piraten als aufrichtige, bürgernahe und vor allem transparente Partei wahrgenommen werden. Ich glaube, das wäre schlicht nachhaltig und ich mag Nachhaltigkeit sehr.

Netzpolitik.org: Gut ein Drittel der Teilnehmer auf dem JMStVCamp dürften Mitglieder oder Anhänger der Piratenpartei gewesen sein. Wie fühlt man sich eigentlich bei so einem Heimspiel? Oder anders gefragt, wie schaut es inzwischen mit der Akzeptanz der Piraten in der politischen Debatte aus?

Kai Schmalenbach: Da machen wir meiner Meinung nach sehr gute Fortschritte. Wir arbeiten sehr hart daran, vor allem politisch wahrgenommen zu werden. Es gibt Vorträge und Camps auf allen Ebenen und diesbezüglich auch Erfolge, dass wir diese Veranstaltungen eben nicht nur mit uns alleine besetzt sind, sondern es entsteht mehr und mehr eine Durchmischung. Ob mit anderen Parteien, oder auch mit dem Bürger. Wo man einst das Gefühl hatte nur belächelt zu werden, erkennt man nun deutliche Tendenzen, beim sowohl beim Bürger, als auch bei den anderen Parteien ernst genommen zu werden.
Für mich fühlt sich das gut an, der Glaube daran wächst, dass es doch ganz konkrete Chancen gibt, die Politik nachhaltig zu verändern. Vor allem hin zu einer Politik, die auf den Dialog und parteiübergreifende Zusammenarbeit setzt.

Netzpolitik.org: Stichwort „Spackeria“. Julia Schramm, Mitbegründerin der „datenschutzkritische Spackeria“ und einer breiteren Netzöffentlichkeit spätestens durch ihr Interview bei Spiegel Online bekannt, ist aktives Mitglied der Piratenpartei. Auch auf dem JMStVCamp haben Mitglieder der Piraten aktiv für die Ziele der „Spackeria“ geworben.

Ich hatte bisher angenommen, dass die Piraten eher dem alten CCC-Grundsatz „Öffentliche Daten nutzen, private schützen“ folgen. Handelt es sich bei den „Spacken“ um eine Strömung, oder sind die Positionen in der Partei konsensfähig?

Kai Schmalenbach: Also zunächst mal ein klares Nein zur Konsensfähigkeit. Die Reaktionen intern waren vermutlich heftiger, als man sie von außen wahrgenommen hat und das mit guten Grund, denn ja, der Grundsatz des CCC gilt absolut in der Piratenpartei. Nur bedeutet das bei den Piraten eben nicht, dass wir uns einer Diskussion dazu verweigern. Nicht zuletzt das Sozi-Camp der Piraten und das JMStV-Camp haben deutlich gezeigt, dass es eben auch wichtig ist, die Meinung zu hören, die man zunächst mal nicht teilt, denn borniert an Dingen festhalten, weil „das eben schon immer so war“, führt nur dazu, dass man den Anschluss verliert, wenn sich Dinge ändern und sie ändern sich ziemlich oft.

7 Ergänzungen

  1. Ich glaube, niemand versteht wirklich, was die eigentliche Intention der »Spacken« ist. Es funktioniert einfach nicht mehr, _alle_ Segnungen der digitalen Welt zu genießen und gleichzeitig in dem Glauben zu sein, man könne das entweder immer völlig anonym bzw. habe das Recht, dies zu fordern. Oder habe jederzeit und überall die Möglichkeit, mit »ctrl+z« Dinge rückgängig zu machen. Der technische und regulierende Aufwand wäre viel zu hoch und stünde in keinem Aufwand zum Ertrag.

    Genau eine Diskussion dazu haben die »Spacken«, wenn auch sehr provokativ, angeregt.

    1. Also mich erinnert das eher an die Situation kurz nach Erfindung des Automobils, als Gesetze erlassen wurden, dass jemand mit einer roten Flagge vor dem Auto herlaufen müsse, um die arglosen Passanten zu warnen.

      Aber ich gebe zu, dass mir die andere Richtung (ist damit die Aussage: »in einer idealen Gesellschaft braucht man keine persönlichen Daten ‚verstecken’« gemeint?) auch etwas suspekt ist.

      1. Das Problem ist doch einfach, dass es keine einfache Lösung gibt.

        Unsere digitale Welt ist von der meiner Eltern in etwa so weit entfernt, dass wir eigentlich gar nicht erst von digitalen Gräben zwischen Industrie- und Entwicklungländern reden müssten. Die Gräben gehen mitten durch die Gesellschaft.

        Und bevor ich als Netzversteher da Menschen über die Klinge springen lasse, laufe ich lieber mit einer roten Flagge vor ihnen her. Oder vor dem Netz. Von mir aus auch vor irgendwelche Spacken.

        Ansonsten, was Constanze Kurz sagen wird. Sowieso immer.

  2. Letztendlich sind die User oder auch Schon-Bald-User Menschen, die auf eine Sache immer sehr gut reagieren: Nutzen. Se es eine Vereinfachung und weniger Aufwand oder einfach Unterhaltung. Dies betrifft ebenfalls das Medium Internet und es lohnt sich, bei jeden weiteren Internetprojekt mitzudenken.

  3. Beim Datenschutz werden aber ausser „Daten werden gespeichert“ eigentlich meist keine Konsequenzen genannt. Zudem verstehe ich Post Privacy als solches ja auch mehr als Gedankenspiel als denn ein wirkliches Ziel (denn davon ist die Spackeria selbst ja noch meilenweit entfernt).

    Beide Absolute sind ja eh unerreichbar. Mir wäre es daher eher wichtig, dass man auf Risiken auch zu reagieren weiss und das geschieht durch Ausblenden halt nicht (das passt sowohl auf Datenschutz als auch auf Jugendschutz).

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