Vor fünf Jahren beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus Betroffene von Funkzellenabfragen künftig per SMS zu benachrichtigen, wenn diese das wollen. Jetzt könnte es endlich soweit sein: In den nächsten Tagen soll der Testbetrieb für das sogenannte Funkzellenabfragen-Transparenzsystem starten. Das erklärten Justizsenator Dirk Behrendt und Projektentwickler Ulf Buermeyer gestern im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Im vergangenen Jahr führte die Polizei in Berlin 474 Funkzellenabfragen durch. Dabei wird jedes Mal eine Liste aller Handys angefordert, die zu einer bestimmten Uhrzeit in der Umgebung eines Tatortes eingeschaltet waren. Ermittler erhoffen sich davon Hinweise auf Verdächtige. Jedes Mal geraten aber auch tausende Unschuldige ins Raster der Polizei – ohne jemals davon zu erfahren. Dabei steht im Gesetz, dass die Behörden Betroffene darüber informieren müssen. Laut Justizsenator Behrendt sei das ein „beklagenswertes Dilemma“.
Nach einer ersten Initiative der Piraten stimmte das Abgeordnetenhaus im November 2014 einem SPD-Antrag zu, ein System zur Benachrichtigung einzuführen. Dann passierte erst einmal lange nichts. Der schwarz-rote Senat ließ die Angelegenheit schleifen. Erst mit der neuen rot-rot-grünen Regierung kam wieder Schwung in die Sache. Ulf Buermeyer, Jurist und netzpolitik.org-Autor, wurde mit der technischen Entwicklung eines Benachrichtigungssystems beauftragt. Jetzt sei die Software fast fertig, sagte Buermeyer gestern. Man starte „in den nächsten Tagen“ zunächst mit einem Testbetrieb, für den bis Anmeldeschluss 750 Menschen ihr Interesse bekundet hätten.
So funktioniert das System
Buermeyer stellte das System im Rechtsausschuss vor. Für eine Benachrichtigung müssen sich Interessierte mit ihrer Handynummer auf einer Webseite registrieren. Um zu überprüfen, dass sie wirklich im Besitz der Nummer sind, bekommen sie eine SMS mit einem sechsstelligen Bestätigungscode zugeschickt. Die Zahlenfolge muss dann auf der Webseite eingegeben werden, um die Registrierung abzuschließen. Darüber hinaus müssen Interessierte keine weiteren Daten hinterlegen. Buermeyer sprach von einem „völlig anonymen“ System.
Sobald ein Ermittlungsverfahren mit Funkzellenabfrage abgeschlossen sei, erfolgt dann die Benachrichtigung der registrierten Nutzer per SMS. Es kann also noch einige Zeit dauern, bis die ersten SMS eintrudeln. Alle drei Monate muss zudem die Registrierung noch einmal bestätigt werden, woran das Portal automatisch per SMS erinnert. Damit möchten die Betreiber sicherstellen, dass die Nummer noch zu der Person gehört, die sich auf dem Portal registriert hat. Aus dem gleichen Grund informiert das System nur über Funkzellenabfragen, die ab dem Registrierungszeitpunkt stattfanden und nicht rückwirkend.
Die Behörden haben gemäß Gesetz die Möglichkeit einzelne Handynummern von der Benachrichtigung auszuschließen, wenn dies zukünftige Ermittlungen gefährden könnte. Das könnte etwa im Bereich der organisierten Kriminalität vorkommen, so Buermeyer im Ausschuss.
Interesse von anderen Bundesländern
Buermeyer und Senator Behrendt zeigten sich zuversichtlich, den Testlauf schnell abschließen zu können und das System bald auch der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ein genauer Termin steht noch nicht fest, da die Software auf Seiten der Polizei noch angepasst werden müsste. Bereits jetzt hätten IT-Sicherheitsexperten und die Berliner Datenschutzbeauftragte das Portal begutachtet und abgenommen, sagte Buermeyer.
Das Funkzellenabfragen-Transparenzsystem ist ein bundesdeutsches Novum. Kein anderes Bundesland informiert Betroffene über Funkzellenabfragen, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Berlin ist das erste Bundesland, das dazu ein System selber entwickelt hat. Das ist anscheinend auch bei anderen Bundesländern auf Interesse gestoßen. Justizsenator Behrendt erzählte, dass sich bereits andere Landesregierungen bei ihm über das System erkundigt hätten.
»Für eine Benachrichtigung müssen sich Interessierte mit ihrer Handynummer auf einer Webseite registrieren. […] Darüber hinaus müssen Interessierte keine weiteren Daten hinterlegen. Buermeyer sprach von einem „völlig anonymen“ System.«
Was soll daran bitte „völlig anonym“ sein? Hier werden zweifellos personenbezogene Daten erhoben. Könnt Ihr bitte mal erklären, wieso Ihr Buermeyers Aussage nicht kritisch hinterfragt.
Nur die Handynummer allein ist kein Personenbezug. Technisch gesehen ist das allein ein Gerätebezug. Das es möglich ist, aus der Handynummer einen Personenbezug herzustellen, in dem man die Daten beim Netzbetreiber nachschlägt ist ein Nachteil, aber unvermeidlich.
Wenn man das vermeiden wollte, muß man zurück zur anonymen SIM, und das will ja genau keiner.
Man könnte natürlich auch, so wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, alle Betroffenen informieren ohne eine Datenbank von Interessierten zu erstellen.
100 Punkte.
Die Rufnummern der Betroffenen sind durch die Abfrage bekannt, es kann per SMS informiert werden.
Man möchte wohl keine schlafenden Hunde wecken.
Außerdem: Wer überwacht eigentlich die Überwacher?
Im übrigen generiert die Registrierung allein schon ein Verdachtsmoment. Wer nichts zu verbergen hat, wäre ja nicht interessiert, usw., usw…
Es gibt mittlerweile einige Mobilfunkteilnehmer, die keine Personen sind. Also Logistik, M2M oder andere Automation. Und nicht alle können mit SMS sinnvoll umgehen. Und wenn man nicht wieder anfangen möchte Netzbetreiberseitig Ausschlußlisten zu führen …
Habe ich das richtig verstanden?
Ich sende also massenhaft SMS irgendwohin. Erwische ich dabei zufällig einen Logistik-Roboter, lege ich unter Umständen eine Lagerhalle lahm.
Und diese kaputte Situation unserer Industrie ist dann der Grund, warum bei einer Funkzellenabfrage eine „Interessentendatenbank“ von Handynummern erfasst werden muss, statt einfach *alle* Betroffenen (egal ob Mensch oder Maschine) zu informieren?!
Und diese irrsinnige Situation ist für einen Journalisten kein Anlass, weiter nachzuhaken?!