Schwarz-rote KoalitionsgesprächeDaten vernetzen, Datenschutz schleifen

Union und SPD wollen Bürgerkonten und Altersverifikation zur Pflicht machen. Und sie träumen von Fusionsreaktoren und KI-Gigafactorys. Unsere erste Analyse der netzpolitischen Pläne aus 13 Verhandlungsgruppen zeigt: Profitieren würden vor allem die Wirtschaft, die Forschung und das Militär.

Friedrich Merz (CDU) am Redepult im Deutschen Bundestag
Grau-schwarz mit einem Rotstich. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Political-Moments

Die Koalitionsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD gehen in die nächste Phase. Die Grundlage dafür liefern die Papiere aus insgesamt 16 Arbeitsgruppen, die seit spätestens Montagabend den Parteispitzen vorliegen.

Am morgigen Freitag startet nun die Hauptverhandlungsgruppe, die abwechselnd im Konrad-Adenauer-Haus, im Willy-Brandt-Haus und in der Landesvertretung des Freistaats Bayern in Berlin tagt.

Wir hatten bereits die schriftlichen Vorlagen aus der Arbeitsgruppe 1 zu den Themen „Innen, Recht, Migration und Integration“ und der Arbeitsgruppe 3 zu „Digitales“ analysiert und veröffentlicht. Im Folgenden unterziehen wir auch die digitalpolitischen Vorstellungen von Union und SPD in 13 anderen Arbeitsgruppen einer ersten Analyse. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die entsprechenden Papiere können im Volltext bei FragDenStaat eingesehen werden, lediglich das Verhandlungspapier zu Europa ist noch nicht öffentlich.

Auch bei den verbleibenden Arbeitsgruppen zeigt sich, dass die kommende Koalition die Grundrechte deutlich einschränken und die Datennutzung über den Datenschutz stellen möchte. Profitieren dürften davon vor allem Wirtschaft, Rüstung und Forschung.

Moderner Staat: Bürgerkonto soll Pflicht werden

Union und SPD streben eine grundlegende Modernisierung des Staates und eine Verwaltungsreform an, das schreiben die Verhandler:innen zu den Themen „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz“. So wollen sie den Staat „wieder leistungsfähig machen“. Gleichzeitig wollen die Parteien die Bürokratie umfassend zurückbauen und die Union den Personalbestand in der Ministerial- und Bundestagsverwaltung bis 2029 um mindestens 15 Prozent reduzieren: „Wir müssen und wollen mit weniger Personal gute Arbeit machen“, lautet die Devise.

Strittig ist zwischen beiden Parteien offenbar noch, ob es bei Regierungsübernahme „ein Reformsofortprogramm“ geben soll oder ob in den ersten sechs Monaten „eine ambitionierte Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung“ erstellt werden soll.

Außerdem soll die Verwaltung auch in dieser Legislatur weiter digitalisiert werden. Jede Bürger:in soll „verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität“ erhalten. Die EUDI-Wallet soll dafür Identifikation, Authentifizierung und Zahlungen ermöglichen. „Wer den digitalen Weg nicht gehen will oder kann, erhält Hilfe vor Ort“, so das Papier.

Die Verhandlungsgruppe zu den Themen „Bildung, Forschung und Innovation“ geht noch weiter und will bundesweite digitale Identitäten bereits für Schüler:innen einführen. Diese sollen mit der Bürger-ID verknüpfbar sein.

Behörden sollen außerdem zunehmend antragslos arbeiten. So sollen Eltern etwa nach der Geburt eines Kindes automatisch einen Kindergeldbescheid erhalten und die Leistung nicht erst beantragen müssen.

Mehr Datennutzung, weniger Datenschutz – auch in der Verwaltung

Auch sollen Verwaltungsleistungen nach dem Prinzip „Once-Only“ über eine zentrale Plattform („One-Stop-Shop“) beantragt werden können. Das Prinzip „Once-Only“ sieht vor, dass Daten von Bürger:innen nur einmal erhoben und dann zwischen Behörden ausgetauscht werden. Voraussetzung dafür ist eine Registermodernisierung. Auf dieses Konzept der einmaligen Datenerhebung mit anschließendem Austausch einigte sich auch die Arbeitsgemeinschaft zu „Arbeit und Soziales“. Diese will Bund, Länder, Kommunen und auch die Sozialversicherungen in den Datenaustausch einbinden.

Geht es nach der Arbeitsgemeinschaft zu „Kommunen, Sport und Ehrenamt“, wird mit diesen Daten das digitale Bürgerkonto verknüpft, über das auch Unterlagen und Willenserklärungen ohne persönliches Erscheinen eingereicht werden können. Auch hier ist das Ziel die „voll digitalisierte Verwaltung“.

Außerdem wollen die Verhandler*innen ebenfalls den automatisierten behördlichen Datenaustausch ausweiten. So wollen sie „besonderen Problemlagen“ begegnen, die entstünden, wenn geflüchtete Menschen Sozialleistungen beziehen. Um Sozialleistungsmissbrauch zu bekämpfen, hat die Arbeitsgruppe zu Arbeit und Soziales zudem einen „vollständigen Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden“ verabredet.

Gleichzeitig streben die Verhandler:innen zu den Themen „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz“ ein „offeneres Datennutzungsverständnis“ auch bei KI-Anwendungen an. Die Unionsparteien wünschen sich zudem eine 180-Grad-Kehrtwende im Datenschutzrecht: Dort soll das Opt-out-Prinzip einziehen, also eine grundsätzliche Erlaubnis für jegliche Datenverarbeitung mit nachträglicher Widerspruchsmöglichkeit, statt wie bisher in vielen Fällen eine Einwilligung der Betroffenen vorab zu benötigen. Die SPD-Verhandler:innen haben diesem Frontalangriff auf die Datenschutzgrundverordnung bisher offenbar nicht zugestimmt.

Die Gruppen der Koalitionsverhandlungen in einer Ansicht
Die Gruppen der Koalitionsverhandlungen - FragDenStaat

Kommt die Pflicht zur elektronischen Patientenakte für alle?

Die Gesundheitsversorgung soll weiter digitalisiert werden, so die Arbeitsgruppe zu „Gesundheit und Pflege. Die Vorstellungen von Union und SPD entsprechen in weiten Teilen der bisherigen Politik von Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Noch in diesem Jahr wollen beide Parteien die elektronische Patientenakte (ePA) ausrollen. Das Bundesgesundheitsministerium hält derzeit noch am 15. April als Starttermin fest.

Der Rollout soll stufenweise hin „zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung“ erfolgen. Ob weiterhin nur die Leistungserbringer – also Arztpraxen, Krankenhäuser oder Apotheken – dazu verpflichtet sind, die ePA zu nutzen, oder fortan auch Versicherte dazu verpflichtet werden sollen, geht aus dem Papier nicht klar hervor.

Die Gematik soll zu einer „modernen Agentur“ weiterentwickelt werden, die Akteure im Gesundheitssektor besser miteinander vernetzt. Die Gematik definiert als „nationale Agentur für digitale Medizin“ unter anderem die technischen Standards für die ePA. Beide Parteien wollen außerdem die Datennutzung beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit „verbessern“.

IT-Anbieter müssen bis 2027 einen „verlustfreien, unkomplizierten, digitalen Datenaustausch“ auf Grundlage einheitlicher Standards sicherstellen. Sogenannte Künstliche Intelligenz soll bei der Behandlungs- und Pflegedokumentation helfen.

Bei alledem sei der Schutz von sensiblen Gesundheitsdaten „unabdingbar“, wie es in einem Satz heißt.

Verpflichtende Alterskontrollen

Union und SPD wollen laut der Ergebnisse der Arbeitsgruppe 7 „Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie“ eine Expertenkommission einsetzen, um eine Strategie „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ zu erarbeiten. Plattformbetreiber und Anbieter will die künftige Koalition dazu verpflichten, „den digitalen Kinder- und Jugendschutz wirksam umzusetzen“.

Das soll mit Hilfe von verpflichtenden Alterskontrollen geschehen. „Wir setzen uns für verpflichtende Altersverifikationen und sichere Voreinstellungen für Kinder und Jugendliche bei digitalen Endgeräten und Angeboten ein“, heißt es dazu im Papier.

Diese Aussage steht noch im Widerspruch zu den Forderungen aus der Arbeitsgruppe Digitales. Dort einigten sich SPD- und Unionsverhandler:innen auf die Förderung einer „freiwilligen Lösung für Nutzende, die technisch sicher ist, die Privatsphäre und die Anonymität schützt“. Verpflichtende Alterskontrollen würden dazu führen, dass in Zukunft alle Nutzer:innen ihr Alter nachweisen müssen, bevor sie etwa auf Apps oder Internetseiten zugreifen können.

Union und SPD wollen außerdem über eine „Teilhabe-App“ dafür sorgen, dass auch armutsgefährdete Kinder Zugang zu Sport-, Musik- oder Freizeitangeboten bekommen. Familien sollen über ein digitales Portal einen Überblick darüber erhalten, welche Leistungen ihnen zustehen und wie sie diese bekommen. Dabei wollen SPD und Union „die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz nutzen“.

„Gewaltfreiheit ist ein Menschenrecht“, macht das Papier zum Thema Gewaltschutz auf. Union und SPD wollen hier die Umsetzung des bereits beschlossenen Gewalthilfegesetzes begleiten. Es verankert einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei Gewalt, allerdings laut finalem Gesetzestext nur für Frauen.

Angriff auf Anti-Bezahlkarten-Initiativen

Dort, wo die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen bereits eingeführt wurde, haben sich oft Initiativen gegründet, die den Betroffenen dennoch einen Zugang zu Bargeld ermöglichen. Solche Initiativen wollen Union und SPD künftig bekämpfen, so die Verhandler:innen zu den Themen „Arbeit und Soziales“. Man werde die Umgehung der Bezahlkarte „unterbinden“, heißt es in dem Papier der Arbeitsgruppe, Die Union setzt gleich noch ein Datum dazu: bis Ende 2025. Den Umtausch von Gutscheinen in Bargeld und den Betrieb von Tauschbörsen will sie sogar unter Strafe stellen. Dagegen sperrt sich die SPD aber offenbar noch.

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Betriebsräte sollen gestärkt werden, indem die Verpflichtung zur physischen Zusammenkunft entfällt. Das war bislang in Unternehmen, deren Mitarbeitende weitgehend im Homeoffice arbeiten, eine ziemliche Hürde. Künftig sollen Online-Betriebsratssitzungen rechtlich den Präsenzsitzungen gleichgestellt werden, auch Online-Betriebsversammlungen sollen möglich werden. Auch die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl ist geplant.

Bei der Entwicklung von KI-Systemen sollen die Belange von Menschen mit Behinderung mitgedacht werden. Eine barrierefreie digitale Infrastruktur soll es sowohl am Arbeitsplatz als auch in außerbetrieblichen Bildungseinrichtungen geben.

Eine zentrale IT-Plattform soll die Genehmigungsprozesse für eingewanderte Fachkräfte bündeln. Über die Plattform sollen auch Berufs- und Studienabschlüsse anerkannt werden können. Geht es nach der Verhandlungsgruppe zu „Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte“, wird die Visumsvergabe vollständig digitalisiert.

Bargeld soll Option bleiben

Neben dem geplanten digitalen Euro sollen Geldscheine und Münzen weiterhin ihren festen Platz haben. „Wir stellen sicher, dass jeder weiterhin selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt. Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir.“ Ausdrücklich heißt es, dass Bargeld „die Privatsphäre der Verbraucher schützt“. Grundsätzlich müsse Bargeld „und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden“, so der Wille beider Parteien.

Besonders vage ist die Einigung zu Kryptowährungen. Hier wolle man die Regulierung auf Lücken überprüfen und diese gegebenenfalls schließen.

Das Deutschlandticket soll teurer, die Bahn moderner werden

Union und SPD wollen mehr in die Bahn und das marode Schienennetz investieren, so die Verhandlungsgruppe zu Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen. Die Sanierung des „Hochleistungskorridors“ soll aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden. Dabei soll ein Schwerpunkt auf der Digitalisierung der Bahn liegen.

Das Deutschlandticket wollen Union und SPD über 2025 hinaus fortführen. Allerdings soll der Preis für das Ticket „schrittweise und sozialverträglich“ ansteigen. Gleichzeitig wollen die Parteien die Finanzierung des Öffentlichen Nahverkehrs durch Bund und Länder „auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen und einen Modernisierungspakt starten“.

Gemeinnützige Zwecke „modernisieren“ – aber wie?

Die Ampel-Regierung ist noch daran gescheitert, Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei, welche Zwecke als gemeinnützig anerkannt sind und welche nicht. Union und SPD wollen das Thema zumindest aufgreifen. Im Papier der Arbeitsgruppe 14 „Kultur und Medien“ findet sich der Satz: „Im Sinne der flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten schaffen wir mit Blick auf die Gemeinnützigkeit Rechtssicherheit.“

Im Papier der Arbeitsgruppe für „Haushalt, Finanzen und Steuern“ heißt es außerdem: „Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke wird modernisiert“. Die Formuliert lässt jedoch offen, was genau mit „modern“ gemeint ist.

Zumindest die SPD wird konkreter: „Wir stellen gesetzlich klar, dass gemeinnützige Organisationen ihre anerkannten Satzungszwecke auch durch eine Beeinflussung der politischen Meinungsbildung verfolgen können. Gelegentliche Äußerungen zu tagespolitischen Ereignissen sind für die Gemeinnützigkeit unschädlich.“ Auf diese Passage konnten sich die Sozialdemokraten jedoch nicht mit der Union einigen. Hier setzt sich ein Konflikt um die Rolle der Zivilgesellschaft fort, den jüngst die Union angefacht hat.

Im Februar hatte die Unionsfraktion mit einer kleinen Anfrage an die Vorgänger-Regierung die „politische Neutralität“ von staatlich geförderten Organisationen infrage gestellt – und damit die demokratische Zivilgesellschaft bedroht. Vorausgegangen waren heftige Proteste gegen die asylfeindliche Abstimmung der Unionsfraktion zusammen mit der AfD.

Verbot von Bots und Fake-Accounts

Die Verhandler:innen zu den Themen „Kultur und Medien“ wünschen sich eine Förderung für die Digitalisierung des kulturellen Erbes. Sie wollen mit den Ländern eine KI-Strategie entwickeln, die „künstlerisches und kulturwissenschaftliches Potenzial“ fördert, aber Urheberrechte schützt und für die Erkennbarkeit KI-generierter Angebote sorgt. Und sie wollen die Games-Branche fördern, auch durch steuerliche Anreize. Union und SPD wollen die Einführung einer Abgabe prüfen, die Plattformen wie Google zahlen sollen, wenn sie Medieninhalte nutzen. Wie sich diese Idee zum bereits bestehenden Presseleistungsschutzrecht verhält, wird nicht erklärt.

Die Medienaufsicht soll effektiver gegen Fake-News, Hass und Hetze vorgehen können. „Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake-Accounts müssen verboten werden“, heißt es in dem Papier.

Online-Plattformen sollen zur Transparenz verpflichtet werden, eine verschärfte Haftung für Inhalte soll geprüft werden. Das Jugendschutzgesetz soll an das EU-Gesetz über digitale Dienste und an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag angepasst werden.

Außerdem wollen die Verhandler:innen die Auskunftsrechte von Journalist:innen stärken. Ein deutlicher Widerspruch zu den Wünschen der Unionsverhandler:innen zu „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz“, die das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen wollen. Nach Bekanntwerden der Pläne ist der CDU-Politiker und Verhandlungsführer Philipp Amthor allerdings vorerst zurückgerudert. Außerdem sollen Journalist:innen eine Auskunftssperre für ihre persönlichen Daten im Melderegister erwirken können.

Zeitleiste der Koalitionsgespräche
Zeitplan der Koalitionsgespräche - FragDenStaat

Autonome Militärtechnik und Militärforschung an den Unis

Union und SPD wollen „Zukunftstechnologien“ für die Bundeswehr, so die AG „Verteidigung, Außen, Entwicklung. Menschenrechte“. Die Schlagworte sind hier unbemannte Systeme, sogenannte Künstliche Intelligenz, Satellitengestützte Aufklärung und Vernetzung, Cloud-Anwendungen und „elektronischer Kampf“.

Explizit erwähnt wird auch eine Zukunftstechnologie namens „Cyber“. Dazu soll sich die Bundeswehr vermehrt mit Forschungseinrichtungen, Start-ups und Industrie austauschen. Hemmnisse, die Dual-Use-Forschung und zivil-militärische Forschungskooperationen erschweren, wie die an manchen Universitäten eingeführten Zivilklauseln, sollen abgebaut werden.

Die Verhandlungsgruppe zu „Bildung, Forschung und Innovation“ einigte sich auf Förderungen für „Sicherheits- und Verteidigungsforschung“. Ein Fokus liegt dabei auf Cybersicherheit und sichere Infrastruktur. Dafür soll die Bundeswehr mit Hochschulen und Unternehmen kooperieren.

Hightech-Agenda: AI-Gigafactory, Fusionsreaktor und Quantenhöchstleistungsrechner

In der Arbeitsgruppe 8 zu „Bildung, Forschung und Innovation“ bekennen sich Union und SPD zur Digitalisierung der Schulen. Sie wollen eine „digitalisierungsbezogene Schul- und Unterrichtsentwicklung“. Dazu gehören KI-gestützte Lernsysteme, die sich automatisch den jeweiligen Nutzer:innen anpassen. Auch die Vertretung der Lehrer:innen soll digital organisiert werden. Umstritten ist offenbar, ob wirtschaftlich benachteiligte Kinder Endgeräte gestellt bekommen sollen.

Eine „Hightech Agenda für Deutschland“ soll – in Zusammenarbeit mit den Ländern – „Innovationsökosysteme“ organisieren, zu denen auch Unis, Industrie und Start-ups beitragen.

Passend dazu soll es auch eine KI-Offensive mit einem „100.000-GPU-Programm“ geben. Eine „AI-Gigafactory“ soll für Forschung und Unis nutzbar sein. Außerdem sollen „mindestens zwei Quantenhöchstleistungsrechner“ entwickelt werden. Und der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.

Auch in dieser Arbeitsgruppe wollen die Verhandler:innen die Datennutzung erleichtern. Sie verweisen auf das Bundesdatenschutzgesetz, das dafür offenbar aufgeweicht werden soll. Union und SPD kündigen ein entsprechendes Forschungsdatengesetz noch für dieses Jahr an. Die CDU will offenbar außerdem, dass Deutschland sich dafür einsetzt, den AI Act der EU abzuschaffen, der den Einsatz von KI reguliert.

Wie es nun weitergeht

Die finalen Vorschläge und Vorhaben aller Arbeitsgruppen werden derzeit miteinander abgestimmt. Offene Punkte werden dann auf der nächsthöheren Ebene in einer 19-köpfigen Verhandlungsgruppe aus den Spitzen beider Parteien beraten.

Geht es nach den Plänen von Friedrich Merz, soll der Koalitionsvertrag noch vor den Osterfeiertagen fertig werden und seine Wahl zum Bundeskanzler am 23. April stattfinden.

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8 Ergänzungen

  1. Ein Großteil der Pläne lässt sich ganz in Anlehnung an Goethe so zusammenfassen:

    „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“

    Mit „du“ ist natürlich der unmündige, vor sich selbst zu schützende und zum Objekt der Mächtigen degradierte Bürger gemeint.

    Fest steht jedoch: Ein Teil meines für Urlaube reservierten Einkommens wird zurückgelegt – für Unterstützung notwendiger (Sammel-)Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

  2. Wenn man das mal historisch nachzeichnet, hat sich in den letzten Jahrzehnten erst ein schrittweises Abräumen der Grund- und Freiheitsrechte durch die Salamitaktik durchgesetzt, was dann über die letzten Jahren noch etwas beschleunigt wurde. Jetzt aber scheint die Salamitaktik gar nicht mehr nötig zu sein, sondern es erfolgt gleich das volle „tabula Rasa“ Programm. Ganz offen, ganz selbstverständlich, ohne viel wahrnehmbare Gegenwehr.

    Offenbar sind die gesellschaftlichen Akzeptanzen groß genug, die politische Opposition zu gering (klar, selbst ehemalige Bürgerrechtsparteien sind inzwischen begeistert von Überwachungskapitalismus und autoritärem Staatsumbau), die juristischen Instanzen sind entweder überlastet oder haben schon genügend Salamischeibchen durchgewunken, als dass sie noch groß was stoppen können oder wollten und für Wirtschaft und Staat ist das auch alles viel lukrativer als diese ohnehin schon immer lästigen Menschenrechte und überkommenen Grundrechte. Der Tor zur digitalen Dystopie steht weit offen und es sind ironischerweise die selbsternannten „Parteien der demokratischen Mitte“ gewesen, die uns dahin genudged oder geprügelt haben. Doch die Parteien rechts davon freuen sich sicher auch schon, wenn sie das alles erwartbar in den nächsten Jahren erben werden, sollte es uns nicht gelingen, dieses Tor wieder zu schließen.

  3. das wird ja immer schlimmer. gemäß dem spruch ’schlimmer geht immer‘. das alles liest sich wie ein handbuch für grenzenlose überwachung.

  4. Nach dem Lesen von diesem Programm kann man eigentlich froh sein, dass in Deutschland alle Prozesse (v.a. im Digitalen) ewig brauchen bis was dabei rauskommt – wenn am Ende überhaupt was rauskommt. Anscheinend zählt für die CDU außer Überwachung gar nichts.

    Aber halten wir mal fest:
    1.
    „Jede Bürger:in soll „verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität“ erhalten. Die EUDI-Wallet soll dafür Identifikation, Authentifizierung und Zahlungen ermöglichen.“
    Die EUDI-Wallet, die mit diesem „Pseudonym-Provider“ quasi Fake-Pseudonyme erzeugen will, die letzlich auflösbar sind und deren unzureichender Datenschutz nach wie vor bemängelt wird?

    2.
    Dieses völlig unsichere Konstrukt (EUDI-Wallet) sollen dann auch Kinder und Jugendliche nutzen müssen, aber gleichzeitig wird bei Alterskontrollen mal wieder von Kiiiinderschutz gefaselt?

    3. Dieses „digitale Bürgerkonto“ soll dann quasi mit allem verknüpft werden? Dann hat die Politik zwar ihren Traum vom vollständig gläsernen Bürger erfüllt, gleichzeitig hört sich dieses Ding für mich aber nach einem Single-Point of Failure an. Dass es da knallen wird, ist nur eine Frage der Zeit

  5. Nachtrag:

    4. Der zweitgrößte Lacher
    „Das Bargeld als gängige … so der Wille beider Parteien.“
    Sie wollen das Bargeld erhalten, weil sie sich angeblich um die Privatsphäre der Verbraucher sorgen, aber der ganze restliche Text steht allem, was Privatsphäre und Sicherheit angeht, entgegen

    5. Der größte Lacher
    „Wir setzen uns für verpflichtende Altersverifikationen und sichere Voreinstellungen für Kinder und Jugendliche bei digitalen Endgeräten und Angeboten ein“, heißt es dazu im Papier.“
    Wie soll das denn verpflichtend VOREINGESTELLT sein? Vor allem bei Endgeräten?

    Diese Debatte gab es schon zig male und immer kam raus, dass das nicht funktioniert, weil jede Webseite und jede App ein Alter bräuchte und man quasi nach jedem Update prüfen müsste, ob jugendschutzkonform.

    Und schließlich
    6.
    Wird Deutschland vermutlich nicht mal eben die DSGVO und den AI-Act der EU außer Kraft setzen können, da ist Ärger vorprogrammiert.

  6. „Anscheinend zählt für die CDU außer Überwachung gar nichts.“

    Das Gefühl hat man in der Tat. Fast alles bei denen hat immer ein Geschmäckle von irgend einer Form der Überwachung. Aber dann der Amthor mit dem Vorhaben das Informationsfreiheitsgesetz abzuschaffen, nur weil er darüber gestolpert ist. Alle überwachen, aber selber nicht überwacht werden wollen. Echt coole Aktion und super Vorbild für die Bürger.

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