Weil das Internet unser Zuhause istDatenschutz ist Heimatschutz

Der Überwachungsstaat wird nicht erst dann zum Problem, wenn die Faschisten ihn übernehmen. Wie kein anderes Medium berichten wir über die Gefahren technischer Kontrolle, über autoritäre Grenzverletzungen und den Einsatz von Technologie gegen Marginalisierte. Dafür brauchen wir deine Unterstützung!

Wir halten menschenfeindlicher Politik den Spiegel vor. (Symbolbild – Montage: netzpolitik.org) – netzpolitik.org

Wer netzpolitik.org liest, weiß: Mahnen und Warnen gehört zu unserem Wesenskern. Das macht uns nicht immer nur Freund:innen. Gerade dann, wenn wir in der Vergangenheit vor den Missbrauchsgefahren staatlicher und privater Überwachungsinfrastrukturen durch Rechtsextreme gewarnt haben, wurden wir manches Mal belächelt. Panikmache! Aluhüte! Datenschutz-Taliban!

Mittlerweile sind Faschisten an vielen Orten der Welt auf dem Vormarsch. Im Januar übernimmt in den USA Donald Trump ein zweites Mal die Macht. Er macht keinen Hehl daraus, dass er das Land einem weiteren autoritär-libertären Umbau unterziehen will. Dabei helfen könnten ihm Tech-Konzerne, die sich bereits eifrig bei ihm anbiedern. Auch die US-Sicherheitsbehörden mit dem mächtigsten Überwachungsapparat der Welt will Trump gegen Minderheiten, Migrant:innen und politische Gegner:innen einsetzen.

In Deutschland ist der Rechtsradikalismus heute so stark wie seit 1945 nicht. Ausgrenzung, Menschenhass und Nationalismus sind längst nicht nur am rechten Rand zu finden. Mit der AfD hat erstmals eine gesichert rechtsextreme Partei eine Landtagswahl gewonnen. Die vermeintliche Alternative sitzt in fast allen Landesparlamenten, Meinungsforschende sehen sie aktuell bundesweit als zweistärkste Kraft.

Der schlüsselfertige Überwachungsstaat

Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu fahrlässig, mit welcher Geschwindigkeit eine Regierung nach der anderen hierzulande die Möglichkeiten der digitalen Überwachung ausbaut. Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Videoüberwachung, Biometrie, Predictive Policing – spätestens seit dem 11. September 2001 kennt die Debatte nur noch eine Richtung: Mehr Überwachung! Mehr Daten! Mehr Kontrolle!

Vielen Innenpolitiker:innen ist jede verschlüsselte E-Mail ein Dorn im Auge. Mit dem neuesten „Sicherheitspaket“ hat auch die selbsternannte Fortschrittskoalition eine autoritäre Wende eingeleitet, von der konservative Innenminister wie Horst Seehofer nur träumten. Versprechen von Evaluation, demokratischer Kontrolle und evidenzbasierter Sicherheitspolitik hat sie hingegen nicht eingelöst.

Dass der Überwachungsausbau dazu beiträgt, Straftaten und Terroranschläge zu verhindern, ist wissenschaftlich mindestens umstritten, in Teilen sogar widerlegt. Sicher ist hingegen: Falls Nazis die Macht übernehmen, werden sie die Kontrolltechnologien zu nutzen wissen. Wir steuern auf den schlüsselfertigen Überwachungsstaat zu, errichtet von Demokrat:innen.

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Wir müssen jetzt erstmal Werkzeuge entwickeln, damit wir unsere Gegner verfolgen können.“ Er wird sagen: „Danke, dass ihr das alles für uns vorbereitet habt!“

Schon heute ein Problem

Zum Problem wird die ausufernde Überwachung aber nicht erst, wenn Faschist:innen die Macht übernehmen sollten.

Schon heute erleben wir, wie der Staat seine Macht unverhältnismäßig gegen progressive Kräfte einsetzt – gegen Klima-Aktivist:innen, gegen kritische Journalist:innen oder Pastor:innen, die Kirchenasyl gewähren.

Schon heute müssen wir regelmäßig über rechtsextreme und menschenverachtende Chatgruppen von Polizist:innen berichten. Es häufen sich die Fälle, in denen Polizist:innen die umfangreichen Datenbestände ihrer Behörden missbrauchen, um politische Gegner:innen einzuschüchtern. Und wer den falschen Nachnamen oder die falsche Hautfarbe hat, landet schnell in einer diskriminierenden Polizeikontrolle oder in der Datenbank zur sogenannten Clan-Kriminalität.

Und schon heute testet Europa die neuesten Kontrolltechnologien an Geflüchteten. Die EU rüstet die Außengrenzen der Festung Europa mit Drohnen, Robotern und Satellitenüberwachung auf. Deutsche Behörden dringen ohne jede Rücksicht in die Privatsphäre von Geflüchteten ein. Und ein bayerischer Ministerpräsident will mit Hilfe von Bezahlkarten Asylsuchenden vorschreiben, dass sie Leberkäse statt Alkohol kaufen sollen.

Was uns wirklich schützt

Seit inzwischen 20 Jahren recherchieren und schreiben wir an – gegen solche Exzesse staatlicher Machtausübung und gegen die Kontrollfantasien autoritärer Kräfte. Datenschutz ist kein Allheilmittel dagegen. Aber er ist ein zentrales Menschenrecht. Das schützt nicht nur unsere Intim- und Privatsphäre, sondern auch uns als Individuum gegenüber dem Staat, in dem wir leben und in dem wir zuhause sind. Oder, um ein von den Rechten vereinnahmtes Wort zu gebrauchen: Datenschutz schützt unsere Heimat. Weil das Internet unser Zuhause ist. Und darüber hinaus.

Jedenfalls dann, wenn wir Heimat nicht wie die Ewiggestrigen verstehen, die permanent von Leitkultur, Grenzkontrollen und Abschiebungen reden. Stattdessen verstehen wir Heimat als einen Ort, der zum Zuhause von allen werden kann. Einen Ort, an dem das Recht auf Sicherheit und Geborgenheit nicht vom Pass oder der Hautfarbe abhängt. Einen Ort, an dem jede:r sich frei entfalten kann.

Wenn wir uns vor Überwachung und technischer Kontrolle schützen, dann schützen wir auch den Raum für solche Utopien. Datenschutz macht es erst möglich, dass wir uns frei informieren, austauschen und organisieren können. Und ja, er ermöglicht es uns auch, notwendigen Widerstand zu organisieren.

Deshalb bitten wir dich um deine Unterstützung. Mit deiner Spende für netzpolitik.org unterstützt du unsere Aufklärungsarbeit, unser Eintreten für Datenschutz und unseren Kampf gegen jeden Autoritarismus.

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