Next Generation InternetEU will Open-Source-Förderprogramm wohl beenden

Das Next Generation Internet-Programm der EU-Kommission fördert seit Jahren freie, quelloffene Software. Nun scheint aber ein stilles Aus zu drohen. Laut einem internen Dokument könnte die Finanzierung bald enden. Entwickler:innen sind entgeistert und fordern das Weiterleben des Programms.

Eine junge Frau zeigt einem alten Mann etwas auf einem Handy. Vor ihnen steht ein Laptop.
Nächste Generation Internet – damit ist nun wohl Schluss. – Public Domain Pexels / Andrea Piacquadio

Die Europäische Union tut einige gute Dinge, die wenige Leute mitbekommen. Eins davon ist das Programm „Next Generation Internet“ (NGI). Damit unterstützt die EU-Kommission die Entwicklung freier, quelloffener Software, als Alternative zu kommerzieller, oft auf Überwachung basierenden Programmen. Eine gute Sache – es gibt nur ein Problem: Die Kommission scheint das Programm nun klammheimlich einstellen zu wollen.

Das fürchtet zumindest der französische Verein Framasoft. Der entwickelt unter anderem PeerTube, die Fediverse-Alternative zu YouTube, und eine ganze Liste an Google-freier Software. NGI unterstützt einige der Projekte.

Am Sonntag hat der Verein einen Blogpost veröffentlicht, in dem er seine Sorgen darlegt. Auslöser dafür ist der Entwurf eines Arbeitsprogramms für das übergeordnete Programm Horizon Europe, aus dem wiederum NGI sein Geld bezieht. Im Entwurf dieses Arbeitsprogramms für das kommende Jahr kommt NGI aber nicht mehr vor. Wir veröffentlichen den Entwurf.

Ganzes Ökosystem gefährdet

„Das europäische Finanzierungsprogramm NGI ist in Gefahr, obwohl es wahrscheinlich eines der besten Dinge ist, die der freien Software in den letzten Jahren passiert sind“, heißt es in dem Blogpost. „Tatsächlich ermöglicht diese Initiative die finanzielle Unterstützung von Hunderten von freien Gemeinschaftsprojekten, darunter einige grundlegende Bausteine für unser tägliches digitales Leben.“

Die Gefahr für das NGI-Programm bedrohe ein gesamtes Ökosystem an freier und quelloffener Software, schreibt Framasoft. „Die Vielfalt dieses Ökosystems macht die große Stärke der europäischen technologischen Innovation aus“. Das NGI-Programm aufrechtzuerhalten, würde mehr Unterstützung für souveräne europäische Infrastruktur gewährleisten.

Laut dem offenen Brief stellte das Programm bisher 27 Millionen Euro für die NGI-Förderungen zur Verfügung. In den letzten fünf Jahren wären damit mehr als 500 Projekte gefördert worden. Framasoft versteht nun nicht, wieso NGI eingestellt werden soll: Bisher habe es effizient und kostengünstig funktioniert. Es bittet deshalb dringend darum, dass das Programm beibehalten werden soll.

Kommission gibt Nicht-Antwort

Die EU-Kommission antwortete auf eine Anfrage von netzpolitik.org, das Arbeitsprogramm von Horizon Europe für 2025 befinde sich gerade noch im Entwurfsstadium. Eine formelle Annahme sei für das zweite Quartal 2025 geplant. Die Kommission kommentierte nicht, ob die Mittel für NGI dabei gekürzt oder gestoppt werden sollen.

Alexander Sander von der Free Software Foundation Europe fordert eine langfristige Lösung. „Es wird deutlich: Wir brauche eine nachhaltige und gesicherte Finanzierung für NGI in der Zukunft“, sagte er zu netzpolitik.org. „Ohne die nötigen Mittel wird etwa der Kampf gegen Gatekeeper im Rahmen das Digitale-Märkte-Gesetzes schwieriger und der Weg zu mehr Kontrolle über unsere Technologie steiniger.“ Nur so könne die Digitalisierung Europas erfolgreich vorangetrieben werden.

Weiter unter neuem Namen?

Der Entwurf des Horizon Europe-Arbeitsprogramms sieht zwar keine Mittel für NGI mehr vor, enthält aber trotzdem Mittel für die Förderung von Open Source-Software – bloß unter einem neuen Namen: „Open Europe Stack“. Dieses Programm soll weiterhin die „technologische Allmende“ und Open Source-Software fördern.

Der Open Europe Stack soll wiederum Teil einer anderen Initiative sein, nämlich dem sogenannten „3C-Netz“. Diese Idee war schon Teil eines Weißbuchs zur Interkonnektivität in Europa, dass die EU-Kommission im Frühjahr vorgelegt hat. Das sah unter anderem vor, die europäischen Telekom-Märkte zu deregulieren und Barrieren zwischen ihnen abzubauen. Die Reaktionen aus der Zivilgesellschaft dazu waren sehr verhalten.

Weniger Geld, mehr Bürokratie?

Nun scheint es so, als ob eine abgeänderte Form von NGI unter einem neuen Namen Teil dieser Idee werden soll. Dabei gibt es aber zwei Probleme: Das Gesamtbudget des Programms wäre wesentlich niedriger als bei NGI – nur noch 10 Millionen Euro – und die Maximalsumme für Förderungen soll 400.000 Euro betragen.

NGI war bisher auf sehr kleine Fördersummen spezialisiert, die durchschnittliche Fördersumme seines größten Projekts betrug nur rund 42.000 Euro. Diese Gelder sollten dafür gezielt und unbürokratisch ausgezahlt werden. Das könnte sich nun ändern, in Richtung von größeren Summen und mehr Bürokratie.

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