Nach Razzia bei RedakteurAnwält*innen wollen Zugriff auf Laptop-Daten stoppen

Bei einer Razzia gegen einen Journalisten des Freiburger Senders Radio Dreyeckland hat die Polizei auch einen dienstlichen Laptop mitgenommen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will nun per Eilantrag verhindern, dass Beamt*innen „zehntausende vertrauliche Mails der Redaktion“ auswerten.

Ein Laptop, das Logo von Radio Dreyeckland.
Was wird aus den gespiegelten Laptopdaten? (Symbolbild) CC-BY 4.0 Laptop: DataBase Center for Life Science (CC BY 4.0 Deed); Montage: netzpolitik.org

Seinen Laptop hat Radio-Redakteur Fabian Kienert längst wieder. Aber die Daten darauf hatten die Beamt*innen vorher gespiegelt, das heißt: kopiert. Und diese Daten liegen jetzt bei der Staatsanwaltschaft.

Am 17. Januar gab es eine Hausdurchsuchung bei Kienert, einem Journalisten des Freiburger Senders Radio Dreyeckland. Auch in den Räumen der Redaktion des Radio-Senders gab es eine Razzia. Bei Kienert haben die Polizist*innen unter anderem einen Laptop und USB-Sticks mitgenommen. Jetzt befürchtet der Journalist, dass Beamt*innen die von den Geräten gesammelten Daten durchforsten könnten, obwohl sie unter das Redaktionsgeheimnis fallen. Dieses Prinzip ist eine Säule der Pressefreiheit: Es soll etwa die Dateien und Unterlagen von Journalist*innen vor staatlichen Zugriffen schützen, sodass der Austausch mit Quellen und Informant*innen vertraulich bleibt.

Damit Kienerts Daten nicht ausgewertet werden, hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) nun „Anhörungsrüge erhoben und Eilantrag beim OLG Stuttgart gestellt“, wie die GFF im Fediverse bekanntgab. Der gemeinnützige Verein schützt Grundrechte durch strategische Gerichtsverfahren. GFF-Jurist David Werdermann spricht von einem „beispiellosen Angriff auf die Presse- und Rundfunkfreiheit“. Redaktionsgeheimnis und Quellenschutz wären im aktuellen Fall faktisch aufgehoben.

„Wir argumentieren, dass das Gericht unser Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es unsere Argumente übergangen hat“, erklärt Werdermann auf Anfrage von netzpolitik.org. Demnach habe die GFF beantragt, gehört zu werden und die Daten nicht auszuwerten.

Zu dem Fall gibt es eine Vorgeschichte. Anstoß für die Razzia bei Redakteur Kienert im Januar diesen Jahres war ein Online-Artikel aus dem Sommer 2022, erschienen bei Radio Dreyeckland. In diesen Artikel stand der Link auf das Archiv der Website linksunten.indymedia.org. Und Linksunten Indymedia ist ein Politikum. Das Portal war eine der wichtigsten Anlaufstellen für die linke und linksradikale Szene in Deutschland; 2017 ist der Betrieb durch den damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verboten worden.

Es folgte ein jahrelanger Streit um die Frage, ob das legitim war, ja ob Linksunten Indymedia überhaupt eine Vereinigung ist oder doch ein Medium. Der Vorwurf gegen Dreyeckland-Redakteur Kienert lautet dennoch: Mit dem Online-Artikel und der Verlinkung auf Linksunten habe er eine verbotene Vereinigung unterstützt; und das wäre eine Straftat.

Laptop war verschlüsselt

Zunächst hatte das Landgericht Karlsruhe die Klage gegen Kienert abgewiesen und später auch die Razzia für nicht rechtens erklärt. In der nicht öffentlichen Begründung schrieb das Gericht im August unter anderem vom Einschüchterungseffekt, den so eine Hausdurchsuchung mit sich bringe. Nicht nur für Kienert selbst, sondern auch für andere Reaktionsmitglieder, die kritisch über staatliche Angelegenheiten berichten. Die Wende kam allerdings durch das Oberlandesgericht Stuttgart. Dem OLG zufolge war die Razzia bei Redakteur Kienert doch rechtens und der Journalist soll sich doch vor Gericht verantworten. Also wartet er nun auf seinen Verhandlungstermin im Frühjahr 2024.

Die GFF spricht von „zehntausenden vertraulichen Mails der Redaktion“, die nun in den Händen der Staatsanwaltschaft seien. Zwar waren die Daten auf Kienerts Laptop verschlüsselt und lassen sich zunächst nicht lesen. Ob sich so eine Verschlüsselung überhaupt knacken lässt, hängt von der jeweils eingesetzten Technologie ab. Bei der Razzia hätten die Beamt*innen allerdings auch unverschlüsselte USB-Sticks mitgenommen, wie Kienert erklärt.

Laut GFF wolle das OLG Stuttgart durch die geplante Auswertung der Daten herausfinden, wer den Artikel mit dem Link auf Linksunten Indymedia verfasst habe. Wohlgemerkt: Es ist bekannt, dass der Verfasser der Redakteur Kienert war. Das hatte der angeklagte Journalist auch direkt während der Razzien – nach Absprache mit seiner Anwältin – öffentlich eingeräumt. Die GFF vermutet deshalb einen anderen Grund für das Interesse an den Daten: Tatsächlich wolle die Staatsanwaltschaft „den Quellenschutz aushebeln“ und die Menschen hinter dem Archiv von Linksunten Indymedia aufspüren, schreibt die Organisation im Fediverse.

Wir haben das OLG Stuttgart um eine kurzfristige Stellungnahme gebeten. Ein Sprecher schreibt – sinngemäß – er könne uns gar nichts sagen. Das OLG könne derzeit nicht einmal bestätigen, dass Anhörungsrüge und Eilantrag bereits erfasst seien. Zu den Vermutungen über die Intentionen seiner Behörde könne er auch keine Stellungnahme abgeben.

2 Ergänzungen

  1. > Seinen Laptop hat Radio-Redakteur Fabian Kienert längst wieder.

    Darf man fragen, nach wieviel Tagen seit der Beschlagnahme das Gerät zurückgegeben wurde?
    Waren dafür anwaltschaftliche Bemühungen notwendig, oder nicht?

    Die Frage ist im Zusammenhang mit der Debatte um beschlagnahmte Smartphones von Relevanz, die hier ja auch schon diskutiert wurde.

    1. Mittwoch, 17.01.2024

      Radio Dreyeckland hat bekannt gegeben, dass das Landgericht Karlsruhe fast ein Jahr nach den RDL-Razzien am 17. Januar 2023 eine Entschlüsselung der Festplatte eines der durchsuchten Redakteure angeordnet hat. Der Prozess gegen den Redakteur soll nach RDL-Informationen Mitte April vor dem Landgericht Karlsruhe beginnen. RDL hatte die beschlagnahmten Geräte bereits drei Tage nach den Razzien zurückbekommen, entschlüsselt werden soll eine Kopie der Daten. Allerdings geht das Radio „erstmal davon aus, dass die Polizei die Verschlüsselung nicht in absehbarer Zeit knacken kann“.
      Auch die beschlagnahmten Geräte der Betroffenen der zweiten linksunten-Razzien am 2. August 2023 konnten bisher nicht entschlüsselt werden. Doch anders als die RDL-Geräte befinden sich die an diesem Tag beschlagnahmten Geräte bis auf eine Ausnahme noch immer beim Stuttgarter LKA. Den Betroffenen wird die Erstellung des linksunten-Archivs vorgeworfen und sie benötigen weiter Spenden, um die hohen Kosten der Repression tragen zu können. Archive sind das Gedächtnis der Bewegungen.

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