Der Europäische Gerichtshof hat ein weiteres Mal die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Standortdaten für rechtswidrig erklärt, diesmal das bulgarische Kommunikationsgesetz. Es verstößt gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die bulgarische Regelung sei nicht auf das absolut Notwendige beschränkt. Außerdem fehle es an einer dem Unionsrecht angemessenen Vorschrift, die regelt, wie betroffene Personen unterrichtet werden, auf deren Daten zugegriffen wurde.
Eine Vorratsdatenspeicherung verpflichtet Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider, Verbindungsdaten ihrer Kunden zu speichern. Das nun betroffene Gesetz schrieb die anlasslose Speicherung aller Telekommunikations- und Standortdaten für einen Zeitraum von sechs Monaten vor.
Ein bulgarisches Strafgericht hatte dem höchsten europäischen Zivilgericht verschiedene grundrechtliche Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Der nationale Fall betrifft Beschuldigte, die Zigaretten-Banderolen gefälscht haben sollen. Nach den gesetzlichen Regelungen in Bulgarien hätten die Mobiltelefondaten der Verdächtigen herausgegeben werden müssen. Das vorlegende Gericht wollte vom EuGH geklärt wissen, ob dies im Einklang mit dem Unionsrecht steht. Hintergrund ist eine vorausgegangene Entscheidung des Gerichtshofs, in der eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Straftaten als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar erklärt wurde. Eine solche Massenüberwachung sei höchstens bei einer vorliegenden konkreten terroristischen Bedrohung möglich.
Eine zweite Entscheidung zum bulgarischen Vorratsdatenspeicherung-Gesetz steht in naher Zukunft (C-349/21) noch bevor. Hier hat der Generalanwalt Anthony Collins im Oktober seinen Schlussantrag gestellt. Das bedeutet, dass eine Entscheidung des EuGH in wenigen Monaten zu erwarten ist.
Ein Urteil von vielen
Das für rechtswidrig erklärte Gesetz war bereits der zweite Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung in Bulgarien: Ein im Jahr 2010 verabschiedetes Gesetz über die elektronische Kommunikation machte die Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten zunächst für einen Zeitraum von zwölf Monaten zur Pflicht. Nachdem durch ein EuGH-Urteil 2014 die zugrundeliegende EU-Richtlinie gefallen war, erklärte 2015 auch der bulgarische Verfassungsgerichtshof die nationale Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig. Grund war auch der übermäßig lange Zeitraum der Speicherung von einem Jahr.
Im zweiten Versuch wurde dann die Speicherdauer auf sechs Monate reduziert. Doch auch dieses Gesetz hielt einer Prüfung durch den EuGH nun nicht stand.
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Der bulgarische Fall ordnet sich in eine ganze Reihe von Urteilen ein, die der allgemeinen und wahllosen Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten enge Grenzen setzt und dadurch immer wieder nationale Gesetze kippt. Zuletzt war auch die deutsche Version der Massenüberwachung von Telekommunikationsdaten vom Gerichtshof für rechtswidrig erklärt worden. Sofern nicht eine ernsthafte Bedrohung der nationalen Sicherheit vorliegt, ist eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig, so der EuGH. Danach legte Bundesjustizminister Marco Buschmann einen Entwurf für eine Alternative zum anlasslosen Massenspeichern vor.
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