The Intercept hat Facebooks geheime Liste „Gefährliche Personen und Organisationen“ veröffentlicht. Auf ihr stehen mehr als 4.000 Organisationen und Einzelpersonen, die auf Facebook gesperrt sind. Wer sich positiv über sie äußert, muss damit rechnen, dass solche Postings gelöscht werden. Neben Terrororganisationen sieht Facebook auch manche Bands als gefährlich – sowie Firmen und Personen, die schon lange tot sind.
Facebook hat laut The Intercept die Herausgabe der Liste bislang abgelehnt, da die Veröffentlichung Mitarbeiter:innen des Unternehmens gefährden könnte. Zudem würde eine Veröffentlichung den gebannten Organisationen und Personen erlauben, die Sperre zu umgehen.
Die Liste ist in verschiedene Kategorien unterteilt, die nach einer ersten Sichtung folgendes enthalten:
- Organizations Terror category: hauptsächlich islamistische Terrorgruppen aus der ganzen Welt
- Organizations Crime category: vor allem lateinamerikanische Kartelle und Gruppen der organisierten Kriminalität
- Organizations Hate category: Nazigruppen und Bands aus der ganzen Welt, darunter sehr viele aus Deutschland
- Organizations Militarized Social Movement category (seit 2020): vor allem bewaffnete, rechte Milizen aus den USA
- Organizations Violent Non-State Actor category: vornehmlich bewaffnete Akteure und Rebellengruppen aus dem Mittleren Osten und Nordafrika
- Individuals Hate category: vor allem Einzelpersonen aus dem Rechtsradikalismus
- Individuals Crime category: vor allem Einzelpersonen krimineller lateinamerikanischer Organisationen
- Individuals Terror category: überwiegend Einzelpersonen aus dem Umfeld des islamistischen Terrorismus
Laut Informationen von The Intercept sind etwa 1.000 Einträge auf eine Liste der US-Regierung zurückzuführen, diese sind als “SDGT” (Specially Designated Global Terrorists) gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei um eine unter George W. Bush eingeführte Aufzählung des US-Finanzministeriums, in der Sanktionen geregelt sind.
Neben bekannten Terrororganisationen gibt es auch Einträge in der Facebook-Liste wie die „Iran Zinc Mines Development Company“ oder die iranische Universität, an der an der dortigen Covid-Impfung geforscht wird.
Problematisch für die Meinungsfreiheit
Bürgerrechtlerinnen wie Jillian C. York von der Electronic Frontier Foundation sehen die Liste als problematisch für die Meinungsfreiheit an. Was von einem Schreibtisch in den USA aus wie eine Verherrlichung aussehe, könnte in einem bestimmten Kontext als einfache Feststellung von Tatsachen gesehen werden, sagt York gegenüber The Intercept. „Menschen, die in Gegenden leben, in denen sogenannte terroristische Gruppen eine Rolle in der Regierung spielen, müssen in der Lage sein, diese Gruppen nuanciert zu diskutieren“. Die Facebook-Richtlinien ließen das aber nicht zu.
Problematisch ist auch ein Absatz mit dem Thema „Gruppe unterstützt Gewalttaten bei Protesten“ in den Moderationsanweisungen von Facebook. Dieser verbietet unter anderem die Darstellung von Plünderungen oder Gewalt gegen Ordnungskräfte. Diese Regelung könnte Medien treffen, die über Gewalt bei Protesten berichten oder zivilgesellschaftliche Organisationen, die Gewalt dokumentieren.
Drei Kategorien
Die Organisationen sind laut The Intercept in verschiedene Kategorien unterteilt, die allerdings nicht aus der veröffentlichten Liste hervorgehen. In Facebooks Community Standards findet sich eine grobe Übersicht. Über Organisationen und Einzelpersonen in Kategorie 1 dürfen Nutzer:innen auf Facebook nichts sagen, was nach den Regeln von Facebook als Zustimmung (PDF) für diese gewertet werden könnte, in Kategorie 3 dürfen Nutzer:innen gewaltfreie Aktionen der Organisation gutheißen, nicht jedoch gewaltvolle. Laut dem Bericht bei The Intercept sind die meisten islamistischen Organisationen in Kategorie 1, während zahlreiche rechtsradikale amerikanische Gruppen unter Kategorie 3 fielen.
Facebook sagt gegenüber The Intercept, sein Vorgehen gegen rechtsradikale (im Original: „White Supremacy“) Gruppen sei weitaus aggressiver als das jeder Regierung. Facebooks Definition von Terrorismus sei agnostisch gegenüber „Religion, Region, politischer Einstellung oder Ideologie“.
Viele deutsche Rechtsradikale in der Liste
Tatsächlich sind auf der Liste (PDF) auch zahlreiche deutsche rechtsradikale Gruppen. Unter ihnen sind die Partei der III. Weg, die Jugendorganisation der NPD, die Identitäre Bewegung und verbotene Nazi-Gruppen wie der Nationale Widerstand Dortmund. Außerdem befinden sich auffällig viele Bands auf der Liste, neben bekannteren Akteuren wie Kategorie C oder Landser zählt sie auch unbekanntere und kleinere Rechtsrock-Bands auf.
Bei den Einzelpersonen sind unter anderem der Nazi-Aktivist Christian Worch, der Identitäre Martin Sellner und der kürzlich verstorbene Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt gelistet. Auch enthalten sind in der Liste sind zahlreiche längst gestorbene, führende Politiker und Akteure des NS-Regimes wie Adolf Hitler, Joseph Goebbels oder Rudolf Hess.
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