Der Bundespolizei steht eine Klage ins Haus. Sie hat am 1. Mai 2019 in Berlin-Grunewald mindestens zwei Kameras auf einem Bahngleis und in einem Personentunnel extra installiert, mit denen sie quasi alle anreisenden Teilnehmer einer Demonstration vorab und anlasslos erfasste. Dagegen haben die Veranstalter jüngst vor dem Berliner Verwaltungsgericht geklagt. Sie wollen erreichen, dass die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt wird und die Bundespolizei so etwas in Zukunft nicht mehr machen darf.
Gegenüber dem auch eingeschalteten Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber argumentierte die Bundespolizei, dass sie die Kameras für Lenkung- und Leitmaßnahmen gebraucht hätte, um „ein gefahrloses Reisen zu gewährleisten“. Die Videoaufnahmen blieben allerdings 15 Tage lang auf Servern der Bundespolizei gespeichert. Dem Anmelder selbst wurde die Videoüberwachung nicht mitgeteilt, er entdeckte und fotografierte sie, als er zum Versammlungsort kam.
Um die Prozesskosten zu finanzieren, hat das hinter der Aktion stehende „Quartiersmanagement Grunewald“ nun eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Treuhänderin des Crowdfundings ist das „Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ FIfF e.V.
Laut Peer Stolle, dem Anwalt der Kläger, verletzt diese Form der Überwachung einer Demonstration Grundrechte: „Wer damit rechnen muss, bei der Ausübung der Demonstrationsfreiheit überwacht zu werden, kann sich veranlasst sehen, dieses Recht nicht mehr auszuüben.“ Für ihn ist klar: „Deswegen ist die Überwachung und Aufzeichnung so gut wie aller Teilnehmer:innen der Demonstration durch Kameras der Bundespolizei rechtswidrig.“
Die Klage stützt sich auf mehrere Urteile, unter anderem auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. In der Klage gegen die Bundespolizei wird genau auf diese mögliche einschüchternde Wirkung der Überwachung verwiesen, da Demoteilnehmende durch die Überwachung zu ungewollten Verhaltensweisen bis hin zur Entscheidung, nicht an der Demo teilzunehmen, gezwungen werden könnten.
Dabei komme es nicht darauf an, „auf welcher technischen oder rechtlichen Grundlage die Überwachung stattfindet, da dies aus Sicht des betroffenen Demonstrationsteilnehmers keine Rolle spielt“. Heißt: Eine Überwachung zur angeblichen Verkehrslenkung, so denn diese rechtliche Grundlage nicht sowieso vorgeschoben ist, kann auch eine abschreckende Wirkung entfalten – und damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzen.
Videoüberwachung ohne Rechtsgrundlage
Zwar darf die Polizei laut dem Versammlungsgesetz des Landes Berlin Übersichtsaufnahmen bei Demonstrationen anfertigen, aber nur, wenn dies wegen der Größe und Unübersichtlichkeit der Demonstration angezeigt ist. Die Aufnahmen dürfen weder zur Identifikation genutzt noch gespeichert werden. Zudem muss der Versammlungsleiter über die Videoüberwachung in Kenntnis gesetzt werden. All dies sei laut Klageschrift bei der Videoüberwachung dieser Demo nicht erfüllt worden.
Die Bundespolizei selbst darf nur Aufnahmen anfertigen, wenn erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit an Orten bestehen, für die die Bundespolizei zuständig ist. Nach Ansicht der Kläger trifft auch dies nicht zu, da weder eine erhebliche Gefahr vorlag noch der S-Bahnhof Grunewald unter das Bundespolizeigesetz fällt.
Ähnlich sieht die Regelung im Berliner Polizeigesetz aus. Demnach darf die Polizei diese Form der Videoüberwachung nur einsetzen, wenn dies „zur Abwehr und zum Erkennen von Straftaten von erheblicher Bedeutung“ erforderlich ist. Diese erheblichen Straftaten waren allerdings bei einer bunten Satire-Demo nicht zu erwarten.
Satire-Demo mit großer Resonanz
Hintergrund der Polizeiaktion sind Demonstrationen des satirischen „Quartiersmanagement Grunewald“ aus dem Umfeld der Hedonistischen Internationale. Dieses veranstaltet seit 2018 am 1. Mai Demonstrationen im Reichenviertel Grunewald und konnte damit im Jahr 2019 tausende Menschen mobilisieren. Die Aktion wurde gleichermaßen als Repolitisierung des 1. Mai in Berlin gefeiert und von konservativen Publizisten gegeißelt.
Bei der ersten Demonstration im Jahr 2018 hatte die Polizei die Mobilisierung unterschätzt und später offenbar versucht, das Anbringen von Aufklebern an Haustüren oder das Streuen von Konfetti als Landfriedensbruch zu verfolgen. Ein Jahr später kamen schon bis zu 7.500 Teilnehmende auf die Demo.
Und weil die Verfolgung noch nicht lückenlos ist, werden Sie aufgrund ihrer Anwesenheit auf irgendeiner Kamera vorgeladen: „Sie waren doch bei der Demonstration… nicht in Brand gesteckt?“
Da verzichtet der „Brandstifter“ in Zukunft doch lieber auf den Demonstrationsteil, oder wie?
S. H Kommentare – Nr. 2!! Ob das nun stimmt oder ein Troll Synonym ist weiss ich nicht aber ich dachte das muss ich mal eben bei Euch anpinnen.
https://www.blickpunkt-arnsberg-sundern-meschede.de/buendnis-90-die-gruenen-zur-geplanten-demo-gegen-die-corona-schutzbestimmungen/#comment-5439