Statt mit einem Wahlsieg endet die Nacht für den amtierenden US-Präsidenten mit einem Warnhinweis. In mehreren Bundesstaaten sind die Stimmen am frühen Morgen noch nicht ausgezählt, als Donald Trump seinem Ärger auf Twitter Luft macht. Er schreibt: „Sie versuchen, die Wahl zu stehlen.“
Es gibt keine Belege für diesen Vorwurf. Twitter hat ihn deshalb mit einer Kennzeichnung versehen. Wer den Tweet aufruft, wird darauf hingewiesen, darin enthaltene Inhalte seien „umstritten und möglicherweise irreführend in Bezug auf die Beteiligung an einer Wahl oder einem anderen staatsbürgerlichen Prozess“. Kurz: Der US-Präsident hat nach Ansicht der Plattform gegen die Regeln verstoßen.
Im Vorfeld hatte Twitter verkündet, bei Verstößen gegen ein neues Regelwerk im Zusammenhang mit der US-Wahl schnell reagieren zu wollen. Sie hatte unter anderem angekündigt, unbelegte Vorwürfe des Wahlbetrugs zu löschen oder zumindest zu markieren.
Offen erklärte Strategie
Dass es soweit kommen konnte, war absehbar. Trumps Tweet passt zu einer Strategie, die man seit Monaten beobachten kann. Immer wieder behauptete der Präsident, massiven Wahlbetrug zu wittern, obwohl es keine eindeutigen Hinweise auf einen solchen gab. Im Gegenteil: Wahlbetrug ist in den USA äußerst selten. Trumps Team machte derartige Befürchtungen dennoch regelmäßig zum Thema.
Immerhin waren die sozialen Netzwerke vorbereitet und reagierten mit einschlägigen Hinweisen auf irreführende Aussagen. Der TV-Sender ABC hingegen übertrug gegen zwei Uhr früh Ortszeit zunächst ein leeres Podium im Weißen Haus und anschließend die Rede des US-Präsidenten. Ungestört konnte er einem Millionenpublikum mitteilen, dass er „zumindest aus meiner Sicht“ die Wahl gewonnen hätte und keine Stimmzettel mehr ausgezählt werden sollten.
Am Wahltag selbst hatte Twitter in dieser Hinsicht dennoch lange keine gute Figur gemacht. Noch immer auffindbar sind zum Beispiel eine Reihe von Tweets von Mike Roman, einem ranghohen Mitarbeiter von Trumps Team. Romans Auftrag: mit einer selbsternannten „Armee für Trump“ die Stimmabgabe zu beaufsichtigen. Die Initiative hatte geplant, 50.000 Freiwillige zu rekrutieren, registrieren sollten sie sich auf einer eigens angelegten Website.
Wie viele von diesen angeblichen Beobachter:innen tatsächlich am Dienstag in den Wahllokalen erschienen sind, ist nicht bekannt. Roman selbst aber war äußerst aktiv, zumindest auf Twitter, wo er schwere Anschuldigungen vorbrachte.
Umkämpfte „Swing States“
„In Philadelphia geschehen schlimme Dinge“, schrieb er zum Beispiel und verwies auf einen fremden Tweet, der Werbung für Herausforderer Joe Biden an der Außenwand eines Wahllokals im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania zeigt. Die hiesige Staatsanwaltschaft wirft Roman nun vor, er habe die Öffentlichkeit absichtlich in die Irre geführt. Die Wahlkommission habe den Fall untersucht und keine Verstöße festgestellt.
Der Trump-Mann lud auch ein Video hoch, das eine angebliche Wahlbeobachterin zeigte, diesmal im hart umkämpften Bundesstaat Michigan. Sie behauptete, ein Gewerkschaftsfunktionär habe ihr fünf Dollar angeboten, damit sie für Herausforderer Joe Biden stimme. Die Zeitung Detroit Free Press fragte daraufhin bei der Gewerkschaft nach, die dementierte, überhaupt Mitarbeiter:innen vor Ort gehabt zu haben. Damit bleibt auch dieser Vorwurf Romans mindestens zweifelhaft.
Im Fall von Mike Roman vergingen Stunden, bis Twitter eingriff. Bislang hat die Plattform nur die Fotos der vermeintlichen Biden-Werbung entfernt. Zu sehen sind Romans Tweets jedoch weiterhin. Sie wurden tausendfach geteilt und damit etlichen Menschen angezeigt.
Der Trump-Funktionär ist nur einer von vielen, die auf der Plattform am Wahltag Desinformationen verbreiteten. Wir sind auf eine Vielzahl ähnlicher Behauptungen gestoßen, die zum Teil von unabhängigen Medien geprüft und für falsch befunden wurden.
Wie NBC News berichtet, hat Twitter ein angebliches Netzwerk aus rund 150 Konten gelöscht, die Verschwörungserzählungen über Biden geteilt hatten. Die Plattform urteilte, es habe sich dabei um Spam gehandelt.
Teilweise auf Instagram und vor allem auf Facebook wurden am Wahltag etliche Falschmeldungen verbreitet. Ein Beitrag, der einen Artikel mit der Überschrift „Betrugszeit in Pennsylvania“ bewarb, erhielt etwa mehr als 20.000 Interaktionen. Facebook versah ihn lediglich mit einem Hinweis, dass Wahlbetrug sehr selten sei. Ein Mitschnitt von Trumps Rede am Ende der Wahlnacht kam auf der Seite des Präsidenten innerhalb kürzester Zeit auf sechsstellige Werte. In dem Video behauptete er, die Wahl gewonnen zu haben und sprach erneut von Wahlbetrug.
Facebook beließ es bei einem vorsichtigen Hinweis: „Die Endergebnisse können von den ersten Stimmauszählungen abweichen, da die Auszählung der Stimmzettel noch Tage oder Wochen nach Wahlschluss fortgesetzt wird.“ Verbreitet wurde Trumps falsche Darstellung auf Facebook damit dennoch.
Falschinformationen (aka Lügen, Irrtümer, Ansichten) gab es (nicht nur) im Internet schon immer. Das eigentliche Problem scheint zu sein, wenn diese gehäuft mit einer dahinterstehenden Agenda verbreitet werden. Die einzelne Falschinformation selbst, kann wohl kaum verhindert werden. Es sei denn, man will Zensur und Überwachung wie in der schlimmsten Distopie.
Wenn Trump sagt: „Aus meiner Sicht habe ich die Wahl gewonnen.“ ist das nicht mal falsch. Es sieht das sicher so. Andererseits versieht Twitter ein „OMG“ auch nicht mit dem Warnhinweis, dass es keine beweise für einen „God“ (Gott) gibt. Das sind jetzt nur zwei Extrembeispiele. Bei der Bundestagswahl hierzulande sagen auch Parteifunktionäre NACHDEM das Ergebnis feststeht, dass sie mit 10% die „Wahl gewonnen“ haben… auf eine gewisse Art, im Sinne von „es wurde mit Schlimmerem gerechnet“.
Aus meiner Sicht müssen wir damit leben, dass Menschen im Internet einfach Dinge behaupten, die entweder bewiesen falsch, oder zumindest nicht gerichtsfest widerlegbar sind. Moderation durch die Plattformbetreiber ist da m.E. keine Lösung, wenn man noch behaupten will, die Plattform sei neutral. Das ist halt nicht möglich. Aber wer sagt, dass Twitter/Facebook neutral sein müssen. Nimmt man halt ne federated Plattform… da müssen die Betreiber auch nicht neutral sein, was sie für Inhalte zulassen, dafür gibts dann halt mehrere.
Diese ganze Moderationsfrage vs. Zensur bei den Plattformen zeigt nur, dass der zentrale Ansatz zum Scheitern verurteilt ist. Der Gesetzgeber sollte das erkennen und anstatt irgendwelche „Hatespeech“-Gesetze zu erlassen, lieber das Monopol der Anbieter brechen und föderierte Systeme/Schnittstellen erzwingen.
Trump sagte wörtlich auch: „This is a fraud on the American public. This is an embarrassment to our country. We were getting ready to win this election. Frankly, we did win this election. We did win this election.“ Er stellte seinen Wahlsieg als Tatsache dar und sprach von Betrug. Aber seine Behauptung, die Wahl zu jenem Zeitpunkt gewonnen zu haben, war, wie du das nennst: bewiesen falsch.
Millionen von Stimmen waren noch gar nicht ausgezählt, ein anderer Ausgang ist auch jetzt noch denkbar. Trump unterliegt ja offensichtlich nicht einfach einem Irrtum: Er verknüpft seine Siegeserklärung mit der Erzählung vom Betrug, die er seit Monaten bemüht. Wie er auf Twitter schrieb: „They are trying to steal the election.“ Das ist ein ganz anderes Level als ein Edmund Stoiber, der behauptet, eine Bundestagswahl gewonnen zu haben. Trump will verhindern, dass alle Stimmen zählen. Aus seiner Ansprache: „We want all voting to stop. We don’t want them to find any ballots at four o’clock in the morning and add them to the list.“ Und ja: Man kann das natürlich schulterzuckend so hinnehmen.
Daniel, ja genau um diese Trump-Zitate geht es. Sicherlich, sie sind völlig unterirdisch und inakzeptabel. Doch geht es Trump nicht um Vernunft und Anstand sondern um böswillige Destruktion zu seinen Gunsten. Diese Art von Äußerungen sind nichts wirklich Neues, sondern konsequente Fortsetzung seines Verhaltens. Und dazu zählt, dass er seinen Gegnern genau das Fehlverhalten vorwirft, das er selbst begeht. Das ist ein Verhaltensmuster, das immer wieder bei Trump beobachtbar ist:
Er spricht über Betrug. Seinen Betrug. Und beschuldigt seine Gegner, sie würden betrügen. Die Tat hat er nicht begangen, sondern sein Gegner.
Er lügt. Es ist seine Lüge. Aber er beschuldigt seine Gegner, sie hätten gelogen. Nicht er hat gelogen, sondern seine Gegner lügen.
Er wirft alles was ihm nicht passt umgehend zurück. Reflexhaft. Dabei braucht er nicht lange nachzudenken oder abzuwägen.
Wenn Trump leise spricht und einen spitzen Mund macht, dann ist das ein untrüglichen Zeichen, dass er wider besseren Wissens lügt. So kontrolliert er seine Mimik.
„Falschinformationen (aka Lügen, Irrtümer, Ansichten) gab es (nicht nur) im Internet schon immer.“
Auch schon davor. „Kommerzielle Werbung“ und „Politische Propaganda“ sind die Eltern der „Fake News“. Und der Begriff „Hate speech“ ist auch nur ein begriffliches Outsourcen von vornehmlich rechtsradikaler Aggressionen. Übrigens, ich kenne einige Leute die Produkte von Google oder Facebook nutzen und sich gleichzeitig über deren „Monopol“ aufregen. Dabei gibt es viele, oft dezentrale, Alternativen. Aber ich stimme zu, man wird öffentliches Lügen nicht verhindern können. Transparente Moderation oder Einordnung kann da aber durchaus ein Mehrwert sein. Insgesamt ist aber vielleicht doch der Fokus auf Medienkompetenz/Bildung der langfristig beste Weg…
„Lüge“..?
Zunächst ist Trumps Äußerung eine bisher unwiderlegbare Analyse und keine „Lüge“.
Hier wird etwas als Tatsache beschrieben, welches keine Tatsache ist. Die Autoren selbst erklären ja, dass Wahlbetrug in den USA selten ist – also möglich.
Trump hat wörtlich gesagt: „We´ll be going to the U.S. Supreme Court – we want all voting to stop..“
Trump/die GOP wollte (/wollen,) dass nach Schließung der Wahllokale (Weiter-) Wählen und nicht, wie nunmehr vielfach über die viele Medien verbreitet/kolportiert („Lüge“/ Fakenews?), das Auszählen stoppen.
Eine Wertung von Stimmen, die nach Schließung der Wahllokale eingehen (in Deutschland nicht möglich) ist unbestreitbar „fragwürdig“; auch das hierfür in manchen (i.d.R „demokratisch“ regierten) Bundestaaten eine Frist von bis zu 20 Tagen vorgesehen ist und die Demokraten eine Reform und Novellierung bestehender (zu ‚“recht“ fragwürdiger) Gesetze abgelehnt haben und gegen eine >eindeutigekeinebeider< Seiten (klassische "Pro/Contra"-Erörterung").
Ergo: mutmaßliche Filterblase (oder möglicherweise schlicht Unwissen/mangelhafte Bildung?)
Die Autoren blenden überdies vollständig aus, dass hier maßgebliche Unterstützer mit ihrer (Informations-) "Marktmacht" der Demokraten wie Omidyar, Zuckerberg, Google/ (Eric Schmidt), Gates, Soros, (beide Project Syndicate), Berggruen (z.B. über das Berggruen Institute), Dorsey und weite Teile der Medien demagogisch (?! – siehe Harvard/MCR) zu Ungunsten Trump/GOP "gewirkt/gelenkt" haben: u.a. "Disinformation durch Nichtinformation" (Russia-Hoax, Biden-Skandal, FBI-CIA-Skandal William Barnett/Wray/Brennan/Comey/Haspel, u.vm.), Zensur (Greenwald/Intercept/Omidyar und viele andere) – nach Studie (MRC) lag der Anteil im US-TV mit Negativbias bei 92% (Trump) und 66% pro Biden (nach einer Harvard-Studie war das "öffentlich-rechtliche deutsche Fernsehen" sogar besonders "rigeros": 98% der Hauptnachrichten waren neagtiv/contra Trump).
Kommentar in Bezug zu Biden: be mutmaßlich-criminal 2 raising to the top! :)
Food for thought!
:)
P.S.: Mit dem Mittel der "Wahrheitspolizei" seit ihr, wie leider so oft, in ganz schräger historischer Gesellschaft. Zur Erinnerung: jeder – ausnahmslos jeder – Mensch ist individuell und bestimmt frei für sich, was für ihn valide ist und nicht.
______________
Trump twitterte: „STOP THE COUNT!“
Wäre hiermit nur das „Abstimmen“ gemeint, würde hier offensichtlich ein anderes Verb stehen.
Und natürlich ist es nicht „unbestreitbar“ fragwürdig, wenn nach Schließung der Wahllokale abgestimmt wird, sondern bloß eine Meinung, in diesem Fall: deine. Einfaches Indiz hierfür: In den Bundesstaaten, in denen dies geschieht, ist es nach gängiger Ansicht gesetzlich möglich. Das mag Trump schon im Vorfeld der Wahl nicht gefallen haben, aber alle kannten die Regeln.
Und natürlich ist es eine Lüge, wenn Trump behauptet, er habe die Wahl gewonnen, solange noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind (was ja der Fall war). Niemand hatte zu jenem Zeitpunkt die Wahl gewonnen. Jeder hat das Recht auf eine Meinung, aber Meinungen sind etwas anderes als Fakten. Trump hat das als Tatsache dargestellt. Das (und noch ein paar andere Sachen, für deren Aufzählung mir gerade die Zeit fehlt) macht ihn zum Lügner.
Es wäre ja Zeit gewesen, das Wahlsystem zu ändern – warum wurde das nicht in den ersten vier Jahren unternommen? (…) Die Wähler nach gesetzten und erprobten Regeln abstimmen lassen und dann im Letzten Moment mit „Ungerechtigkeit“ ankommen und das Wahlsystem mitten in der Wahl zurückstutzen wollen, wäre Täuschung bzw. Betrug.
Das sollte eigentlich auf dünnes Eis treffen, aber wer weiß das schon…
Und noch ein Tag für ein bis zwei Lügner :), abzüglich abgewiesener Klagen, allerdings.
Der Vorwurf an Biden, warum er mit so und so Jahren in der Politik sein Programm noch nicht umgesetzt habe, ist allerdings interessant, da…
– Biden angeblich einiges Problematisches mitgetragen hat (Kriminalisierung, Ausschluss).
– Niemand, schon gar nicht ein Senator oder Vizepräsident, mal eben so alles umsetzen kann, auch nicht, wenn es ihm noch nicht eingefallen ist. Obama ist auch mit allem Möglichen an den Republikanern gescheitert, und umgekehrt andere sicherlich auch vorher schon.
– Die Trumpsche Vorstellung von der Sintflut nicht dem der Gesetzgebung mitunter mit zugrundeliegenden Nachhaltigkeitsprinzip entspricht. Verordnungen werden an einem Tag zurückgenommen werden, und dann war es das. Also mittels Macht einen kurzfristigen Effekt erzielen, egal wie die Konsequenzen sonst sind, wohl aber mit Blick auf Profit für Günstlinge.
Verordnungen und Gesetzt zurückzustutzen könnte komplexer sein, als manche das gerne hätten. Manches wird schnell erledigt sein, weil die Apparate ja der neuen Administration berichtspflichtig sind, dann dürfte sich einiges ändern.
Ansonsten Nachhaltigkeitsprinzip derzeit in DEUropa… „Vorwärts Digitalmarsch!“