Eine Analyse des US-Mediums The Markup hat Hinweise darauf ergeben, dass Donald Trumps Kampagne für Wahlkampfanzeigen auf Facebook teilweise deutlich niedrigere Preise für vergleichbare Zielgruppen bezahlte als Konkurrent Joe Biden. Schon im Präsidentschaftswahlkampf 2016 kosteten Trumps teils hetzerische Anzeigen im Schnitt weniger als Hillary Clintons Werbung auf Facebook.
Besonders starke Unterschiede fand die Analyse im Juli und August in den umkämpften Swing States, also in den US-Bundesstaaten, in denen beide Parteien Chancen auf eine Mehrheit haben. Dort kosteten die Anzeigen der Demokraten im Durchschnitt doppelt soviel wie die der Republikaner. So bezahlte die Trump-Kampagne im Schnitt 17 US-Dollar pro 1.000 ausgespielte Anzeigen, die Biden-Kampagne etwa 34 US-Dollar. Die Anzeigenpreise des demokratischen Kandidaten Biden und des republikanischen Kandidaten Trump hat The Markup mit der „Facebook Ad Library API“ und dem Analyse-Tool Ad Observatory der New York University berechnen können. Die Schnittstelle von Facebook für Werbedaten war als Transparenzmaßnahme im Nachgang der letzten US-Präsidentschaftswahl angekündigt worden.
Polarisierende Werbung performt
Dass die unterschiedlichen Preise auf die teils verhetzenden und irreführenden Inhalte der Trump-Kampagne zurückzuführen sind, legt ein Beispiel nahe, bei dem die Preise noch krasser auseinanderklaffen. Beide Kandidaten zielten im ähnlichen Zeitraum auf ältere Menschen im US-Bundesstaat Arizona. Biden warb mit „Expand Medicare to Age 60“ für öffentliche Krankenversicherungen. Trump polarisierte mit „The RADICAL Left has taken over Joe Biden and the Democratic Party. Don’t let them take over America“: die radikale Linke hätte Biden und die demokratische Partei übernommen, „lasst sie nicht Amerika übernehmen“. Pro 1.000 Ausspielungen der Anzeigen zahlte Biden im Schnitt 91 US-Dollar, Trump 14 US-Dollar in derselben Zielgruppe.
Die Unterschiede kommen durch Facebooks Auktionsmechanismus für Werbeanzeigen zustande. Politische Werbung konkurriert dort mit jeder anderen Werbung. Die Aufmerksamkeit seiner Nutzer:innen lässt sich Facebook unterschiedlich bezahlen. Wie genau die Preise berechnet werden, hält Facebook geheim. Digitale Wahlkampfwerbung ist in den USA nicht reguliert, anders als Wahlkampfwerbung in klassischen Medien. Im Fernsehen oder in Zeitungen ist eine Benachteiligung einer Partei durch höhere Anzeigenpreise verboten und muss beiden Parteien zum gleichen Preis zur Verfügung stehen.
Über die automatisierten Werbeauktionen wird von Expert:innen vermutet, dass besonders spitze und polarisierende Inhalte besser performen. Der gebotene Preis, der Inhalt der Anzeige sowie Verhaltensdaten von Nutzer:innen fließen in den Endpreis einer Anzeige ein. Facebook schätzt mit einer Vorhersage, wie wahrscheinlich individuelle Nutzer:innen mit einer Anzeige interagieren. Diese so berechnete „Relevanz“ von Anzeigen kann sogar Anzeigen mit höheren Bieterpreisen ausstechen. Facebook bevorzugt diese explizit, je höher die Relevanz, desto günstiger also anscheinend der Preis.
Trumps Werbung für Facebook „relevanter“?
Allerdings gibt Facebook an, die Relevanz von Werbeanzeigen mit minderer „Qualität“ herabzustufen. Indikatoren seien etwa „das Zurückhalten von Informationen, reißerische Sprache und Engagement-Baiting“, also exzessive Aufrufe zum Linken, Kommentieren und Teilen. Ab Mitte September wendete sich das Blatt, und die durchschnittlichen Preise für Trumps Werbanzeigen lagen über denen von Biden. Nach der Berechnung von The Markup berechnete Facebook aber über alle US-Staaten und Anzeigen hinweg dem Biden-Lager etwa 2,50 US-Dollar mehr pro 1.000 Ausspielungen. Dieser Unterschied addiert sich insgesamt auf acht Millionen US-Dollar Mehrkosten für Biden im Vergleich zu Trump.
Fraglich bleibt, ob Facebooks Performance-Parameter der einzige Grund für Trumps Vorteil waren oder ob dessen Kampagne Facebooks Werbemarkt auch mit anderen Mitteln besser bedient. Die wiederholten Vorwürfe aus dem republikanischen Lager, Facebook zensiere konservative Inhalte, könnten die Auslegung, was als „reißerisch“ ausgelegt wird, im Sinne der Republikaner verschieben.
Gegen extremistische Inhalte – abseits des Werbemarkts – hat Facebook im September und Anfang Oktober eine härtere Gangart eingelegt. Etwa wurden QAnon-Inhalte als terroristische Bedrohung gewertet und von Facebook verbannt. Ob es in der gleichen Zeit die Kriterien für die Bewertung der Qualität von Anzeigen gab und damit Trumps möglicher Relevanz-Bonus verschwand, ist unklar.
Erst vor wenigen Wochen konnte der britische Fernsehsender Channel 4 zeigen, wie Trumps Kampagne 2016 Werbung auf Facebook für eine Strategie der Demobilisierung nutzte. Mögliche Clinton-Wähler:innen wurden gezielt mit Negativinformationen über die demokratische Bewerberin bespielt, damit sie am Wahltag zuhause bleiben. Im Fokus dieser Demobilisierungsstrategie standen überproportional häufig Schwarze Wähler:innen. In der Woche vor der heutigen Wahl und auf unbestimmte Zeit danach erlaubt Facebook keine neue politische Werbung, um einen friedlichen Machtwechsel nicht zu gefährden.
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