Neue StudieSo überwacht Amazon seine Beschäftigten in den USA

Jeder Handgriff wird aufgezeichnet, Austausch zwischen Kolleg:innen sofort unterbunden – ein neuer Bericht über die Arbeitsbedingungen bei Amazon liefert Gründe, nicht mehr dort einzukaufen.

Amazon-Lagerhalle
Was hinter der Fassade steckt: Knochenarbeit und niedrige Löhne – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Bryan Angelo

Amazon ist schon länger bekannt für die harschen Arbeitsbedingungen. Wie umfassend der Handelskonzern seine Beschäftigten in den USA überwacht, schildert ein neuer Bericht des Open Markets Institute. Der Bericht zeichnet das Bild einer praktisch allumfassenden Überwachung, die bei den betroffenen Arbeiter:innen zu Stress und Verletzungen am Arbeitsplatz führt.

Hier eine Liste der schlimmsten Praktiken aus dem Bericht:

  • Keine persönlichen Gegenstände: Schon beim Betreten des Gebäudes müssen Amazon-Lagerarbeiter:innen alle ihre Sachen inklusive Handy abgeben. Behalten dürfen sie nur eine Wasserflasche und Geld in einem klaren Plastikbeutel.
  • Überall Kameras: Amazon überwacht Beschäftigte in der Lagerhalle mit einem Netzwerk an Kameras, die jeden Schritt der Leute aufzeichnen. In der Covid-19-Pandemie nutzt der Konzern die Kameras dazu, um Abstandsregeln durchzusetzen. Sie sind aber auch eine Ausrede dafür, um jede Form der Absprache und Organisation der Beschäftigten (etwa in Gewerkschaften) zu verhindern, heißt es in dem Bericht. Dystopisches Detail am Rande: Große Bildschirme in den Lagerhallen zeigen Aufnahmen von Beschäftigten, die beim Klauen erwischt worden sind. Damit sollen andere von ähnlichen Taten abgeschreckt werden.
  • Ständige Leistungsmessung: Scanner zählen, wie viele Sekunden eine Beschäftigte für eine Aufgabe braucht, etwa das Befüllen eines Regals. Wenn sie nicht schnell genug ist, zählt Amazon das als „time off task“ (TOT) – also als verschwendete Arbeitszeit. Wer zu viel davon anhäuft, erhält Warnungen und wird gekündigt. Beschäftigte beschreiben den psychologischen Effekt dieser Maßnahme als schwelende Dauerpanik bei der Arbeit. Ein Armband soll außerdem sicherstellen, dass bei Beschäftigten jeder einzelne Handgriff in die richtige Richtung geht. Wenn nicht, vibriert das Kontrollbändchen.
  • Routenzwang für Lieferautos: Eine eigene Navigationssoftware namens Rabbit sucht aus, welche Wege die Fahrer:innen von Amazon und freie Dienstnehmer:innen beim Ausliefern von Ware nehmen müssen. Dieser Weg ist für die Lieferant:innen verpflichtend, für eine Mittagspause sind dabei exakt 30 Minuten eingerechnet. Im Tagesverlauf gibt es nur zwei weitere Pausen für Fahrer:innen von je 15 Minuten, zwischendurch Pinkeln ist nicht vorgesehen. Amazon verlangt, dass 999 von 1.000 Päckchen zeitgerecht ausgeliefert werden, andernfalls droht eine Kündigung.
  • Bloß keine Gewerkschaften: Amazon analysiert mit eigener Software beständig eine Vielzahl von Kriterien, um herauszufinden welche Läden seiner Lebensmittelkette Whole Foods dem „Risiko“ gewerkschaftlicher Organisierung ausgesetzt sind. Als besonders hohe Risikofaktoren gelten die Zahl der Beschäftigen aus Haushalten unterhalb der Armutsgrenze, ihre ethnische Diversität und die Stimmung im Team. Durch seine Kameras kontrolliert der Konzern andauernd, ob sich in den Läden und Lagerhallen Beschäftigte zu Absprachen zusammentun.

Amazon bestreitet die Darstellung des Berichts kategorisch. „Diese Behauptungen treffen nicht zu“, schrieb ein Sprecher an netzpolitik.org. „Die Leistung der Mitarbeiter wird über einen langen Zeitraum betrachtet und bewertet. Wir wissen, dass viele Faktoren die Leistung von Menschen beeinflussen. Wo wir sehen, dass die Leistung über längere Zeit nicht erreicht wird, unterstützen wir mit Feedback und Coaching“.

„Schlechtester Arbeitgeber der Welt“

Wegen seiner Arbeitsbedingungen ist Amazon schon länger in der Kritik von Beschäftigtenvertreter:innen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) kürte Amazon-Chef Jeff Bezos zum „schlechtesten Arbeitgeber der Welt“. Das hinderte Bezos übrigens nicht daran, vor einigen Tagen zum ersten Menschen der Geschichte mit einem Vermögen von mehr als 200 Milliarden US-Dollar zu avancieren.

Amazon
Amazon-Lagerhalle - CC-BY 2.0 Scott Lewis

Die Lage der Amazon-Beschäftigten in EU-Staaten ist dank strengerem Arbeitsrecht und stärkerem Datenschutz weniger schlimm als in den USA. Doch aus Sicht der Gewerkschaften gibt das massive Wachstum von Amazon Grund zur Beunruhigung. „Wir sehen das in Deutschland, in Spanien, in Großbritannien, Italien, Polen und den USA – überall expandiert Amazon rapide, aber die Arbeitsbedingungen sind schockierend“, warnte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow zuletzt im Gespräch mit netzpolitik.org.

Update vom 2. September: Die Stellungnahme von Amazon traf nach Erscheinen des Artikels ein und wurde nachträglich hinzugefügt.

8 Ergänzungen

  1. Jeder Amazon Kunde mehrt den Reichtum von Jeff Bezos.
    Jeder Amazon Kunde „profitiert“ von der Ausbeutung der Beschäftigten.

    Wen man auch fragt: Jeder streitet es ab, bei Amazon zu kaufen.

    Aber was machst DU?!

    1. Ich kenne niemanden, der es abstreitet, bei Amazon zu kaufen. Das sind aber auch die Selben, die abstreiten, ignorant zu sein. Ich kenne also nur Amazonkäufer, die nicht ignorant sind. LOL. Es heißt also Friss oder Stirb. Habe schon früh in meinem Leben aussortieren müssen, da mir mein ganzes Leben lang Menschenfeinde und sonstige Niederträchtige oder Hirntote begegnet sind. Wenn ich jetzt auch noch meine letzten Freunde aussortiere, weil sie bei fucking Amazon bestellen, dann geht mir mein Rückgrat zu weit. Was hab ich dann davon, im Gegensatz zu allen Leuten, die ich kenne, vernünftig gehandelt zu haben, wenn mich dann keiner mehr leiden kann und mich niemand mehr kennt? Vorbild muss man sein, nicht Aussortierer. Alternativen zu Amazon muss anbieten, statt die Leute als ignorant zu betrachten. But no fucking way

      1. Also alle die Sie kennen kaufen bei Amazon und streiten ab, ignorant zu sein?

        Welchen Grund gibt es, dort zu kaufen?

  2. Also im Fernsehen kommt immer so eine Reklame in dem die Mitarbeiter von Amazon sagen dass es dort sehr gut ist. Ihr dürft nicht alles glauben was Außenstehende sagen!!

  3. Wäre mal interessant zu erfahren, ob und welches Amazon-Engagement hierzulande gegen Verdi und/ oder unternehmenskritische Gewerkschafter läuft? Offiziell hört man dazu von Amazon nur, dass die Streiks an den deutschen Amazon-Standorten dem Unternehmen nicht besonders “wehtun“ und Verdi auch bisher, mit seinen regelmäßigen Streiks, nicht wirklich was erreicht (Anerkennung eines höher dotierten Tarifvertrags durch Amazon) hat. Stimmt das?

  4. Ich mag Amazon nicht aber was ihr schreibt ist so falsch, da muss ich jetzt mal was sagen.

    – Keine persönlichen Gegenstände
    Das nennt man Spionageschutz. Jede Konzernsicherheit, die auch nur im Ansatz Ahnung hat, hat längst Handys und alles andere, was Kameras und Mikrofone hat verbannt. Wie kann man kritisieren, dass Spionagegeräte nicht in die Firma dürfen? Beim Betreten des Gebäudes ist schon spät. Wer was auf sich hält verbietet bereits das Mitbringen von Spionagegeräten.

    Was würdet ihr schreien, wenn rauskäme, dass Mitarbeiter mit Handys die namen und Adressen von den Paketen aufgenommen haben?! Bei der Deutschen Post machen die das. Nicht die Mitarbeiter, die Post scannt alle Namen und Adressen, obwohl das gar nicht vonnöten ist. Verkaufen sie dann.

    – Überall Kameras
    Das wollt ihr kritisieren? Ich bin sprachlos. Überall werden wir von Firmen und Staaten überwacht. Auf Schritt und Tritt. Überall Kameras. Immer mehr mit Gesichterkennung. Das solltet ihr kritisieren! Da nehmt ihr eine Firma raus und macht ein Fass auf? Noch manipulativer gehts wirklich nicht.

    – Ständige Leistungsmessung
    Betriebswirtschaft. Prozessoptiomierung. Sinnvoller Einsatz von Arbeitskraft. So funktioniert ein Unternehmen. Könnt ihr nicht wissenm habt ja nie gearbietet.

    – Routenzwang für Lieferautos
    Das gibt es bei jedem größeren Lieferdient. Diese Routen sind optimiert, wodurch Zeit, damit Geld, und Treibstoff gespart wird. Gut für die Umwelt.

    – Bloß keine Gewerkschaften
    Es wäre betriebswirtschaftlich dumm, sich den Feind ins Haus zu holen.

    @Skizzleton
    Ich kaufe nicht bei Amazon und ich werde das auch nie. Trotzdem ist keiner der Kritikpunkte berechtigt.

    1. >>>Das wollt ihr kritisieren? Ich bin sprachlos. Überall werden wir von Firmen und Staaten überwacht. Auf Schritt und Tritt. Überall Kameras. Immer mehr mit Gesichterkennung. Das solltet ihr kritisieren! Da nehmt ihr eine Firma raus und macht ein Fass auf? Noch manipulativer gehts wirklich nicht.<<>>Betriebswirtschaft. Prozessoptiomierung. Sinnvoller Einsatz von Arbeitskraft. So funktioniert ein Unternehmen. Könnt ihr nicht wissenm habt ja nie gearbietet.<<>>Das gibt es bei jedem größeren Lieferdient. Diese Routen sind optimiert, wodurch Zeit, damit Geld, und Treibstoff gespart wird. Gut für die Umwelt.<<>>Es wäre betriebswirtschaftlich dumm, sich den Feind ins Haus zu holen.<<>>Ich kaufe nicht bei Amazon und ich werde das auch nie. Trotzdem ist keiner der Kritikpunkte berechtigt.<<<
      Da lehnen Sie sich sehr weit aus dem Fenster eines brennenden Hauses. Nachvollziehbar, klar. Schlagkraft der Argumente … nö.

  5. Hat das nun dazu geführt, dass Markus Beckedahl, nach Jahren des darauf aufmerksam machens den Link zu seiner öffentlichen amazon Wunschliste entfernt hat?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.