Hallo,
im März begann während der Ausgangsbeschränkungen ein neues Experiment im Home-Office: Ist es nebenbei möglich, in einem wochentäglichen Newsletter sowohl einen Überblick zu geben, was auf netzpolitik.org passierte, als auch viele Links zu anderen interessanten Beiträgen auf anderen Seiten zu kuratieren? Und das noch verknüpft mit einem täglichen Meinungs-Editorial zu einem Thema des Tages? Und dabei thematisch auch noch flexibel zu sein, um auch über den Tellerrand der Netzpolitik zu blicken?
Viele Jahre hatten wir uns vor allem auf das konzentriert, was uns ausmacht: Artikel in Textform schreiben. Dazu gibt es mindestens zweiwöchentlich seit 2005 einen Netzpolitik-Podcast. Aber eine Herausforderung hatten wir dabei immer: Mediennutzungsformen verändern sich und es gibt nicht mehr wie früher die eine Form, als wir direkt auf Webseiten gingen oder wo man sich hauptsächlich über RSS-Feeds informierte, was auf anderen Seiten passierte. RSS-Feeds gibt es bei uns immer noch. Und auch wenn wir über verschiedene Plattformen unsere Inhalte ausspielen, so hatten wir oft das Gefühl, dass noch etwas fehlte. Denn nicht alle unsere Leser:innen folgen uns den ganzen Tag auf Twitter oder haben uns gar als Startseite in ihrem Browser gespeichert.
Der bits-Newsletter ist ein Angebot: Immer zum Feierabend hin gibt es eine Mail mit vielen Links und kurzen Einschätzungen zu aktuellen Debatten und Themen. Zweimal die Woche wird das ergänzt durch interessante Job-Angebote im netzpolitischen Bereich. Das Abo ist kostenlos und wird durch alle unsere Spender:innen möglich gemacht, die unsere Arbeit mitfinanzieren.
Nach 116 Ausgaben des bits-Newsletters in der Probe-Phase binden wir ihn ab heute in das reguläre Angebot von netzpolitik.org ein. Das steigert seine Sichtbarkeit und vor allem lässt er sich besser verlinken. Er funktioniert, auch wenn die Kuration tagesabhängig und der Newsletter immer noch ein Nebenbeiprojekt ist. Der bits-Newsletter bleibt ein ständiges Experiment. Was kommt rein, welche Rubriken könnten noch Sinn machen und mit guten Service-Inhalten gefüllt werden? Was ist mit knappen Ressourcen möglich? Was wird angenommen und was eher nicht? Euer Feedback ist uns dabei auch wichtig und bisher auch in die ersten 116 Ausgaben eingeflossen.
Hier geht es zur Anmeldung. Und selbstverständlich bieten wir für alle Mail-müden Menschen auch einen RSS-Feed an.
Neues auf netzpolitik.org
Am Wochenende fanden wieder Proteste der Klimaschützer:innen von Ende Gelände statt. Dabei ist es den Aktivist:innen gelungen, ein dezentrales und datenschutzfreundliches System zur Kontaktverfolgung zu bauen, wie Marie Bröckling zusammenfasst: Aktivist:innen organisieren eigenes Corona-Tracing.
Wie funktioniert Massenprotest in der Corona-Pandemie? Die Klimaschutzbewegung macht es vor und setzt erstmals ein selbst entwickeltes System zur Kontaktverfolgung ein.
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Constanze Kurz und Linus Neumann haben mit der Künstlerin İdil Baydar über Morddrohungen durch einen „NSU 2.0“ und ihr subjektives Sicherheitsgefühl gesprochen: Zu fünft mit İdil Baydar.
Wir sprechen mit İdil Baydar über Bedrohungen, Hass und Rassismus in Polizei und Gesellschaft, aber auch über Humor, Influencer und die Weisheit der Mütter sowie unvermeidlich auch über Innenminister Horst Seehofer.
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Am Wochenende erschien das Buch „Der dunkle Spiegel“ des US-Investigativjournalisten Barton Gellman auf deutsch. Wir haben einen Auszug daraus veröffentlicht: Seit ich Edward Snowden getroffen habe, habe ich nie aufgehört, über meine Schulter zu schauen.
Der Journalist Barton Gellman erhielt vom Whistleblower Edward Snowden eine Fülle streng geheimer Dokumente. Seitdem wird er von der US-Regierung überwacht. In seinem neuen Buch berichtet der Pulitzer-Preisträger, wie er mit der Überwachung umgeht und was das mit ihm macht.
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Alexander Fanta hat über Forderungen von EU-Abgeordneten beim kommenden Digitale-Dienste-Gesetz geschrieben: Algorithmen sollen nicht willkürlich entscheiden dürfen.
Nutzer:innen von Diensten wie Google und Facebook müssen mehr Mitsprache bei automatisierten Entscheidungen haben, fordert das EU-Parlament. Ein geplantes Gesetz soll bald neue Regeln aufstellen.
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Wie steht es um die Privatsphäre von Kindern, wenn diese möglicherweise unter Radikalisierungsverdacht stehen? Marie Bröckling hat dazu zwei Expert:innen interviewt: „Der Verfassungsschutz ist dann plötzlich sehr nah an der Schule dran“.
Polizei und Verfassungsschutz bekommen immer mehr Befugnisse, diese Entwicklung macht auch vor dem Klassenzimmer keinen Halt. Doch was können Lehrkräfte tun?
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Zum heutigen Tag der Informationsfreiheit haben Frag den Staat und Deutsche Umwelthilfe ein neues Mitmach-Portal gestartet, berichtet Jana Ballweber: Wie klimaschädlich sind Deutschlands Behörden?
Schlechte Dämmung und veraltete Heizungen in öffentlichen Gebäuden sind nicht nur eine Katastrophe für den Klimaschutz, sondern kosten die Steuerzahler:innen viel Geld. Eine Kampagne will herausfinden, wie energieeffizient Behörden, Schulen oder Krankenhäuser wirklich sind.
Kurze Pausenmusik:
Dieser Newsletter wird, neben viel Herzblut, durch Spenden unserer Leser:innen ermöglicht. Hier kann man uns mit einem Dauerauftrag oder Spende unterstützen.
Wir freuen uns auch über etwas Werbung für den bits-Newsletter, um mehr Mitlesende zu bekommen. Hier geht es zur Anmeldung.
Feedback und sachdienliche Hinweise bitte an markus@netzpolitik.org schicken.
Was sonst noch passierte:
Viele Jahre lang konnte man Domain-Inhaberdaten über den WHOIS-Dienst bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) abfragen. Die Datenschutzgrundverordnung hat das verändert. Und auf der einen Seite ist das gut, denn ich möchte nicht, dass meine private Adresse einfach so im Netz steht. Andererseits hat das auch Nachteile, denn früher konnten wir z.B. einfacher recherchieren, wer hinter einer Domain stecken könnte. Eine mögliche Lösung des Problems wird aktuell diskutiert: Vorschlag für DSGVO-konformes Whois umstritten.
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750 Dollar ist die Zahl des Tages. So wenig hat Donald Trump jeweils in den Jahren 2016 und 2017 an Einkommenssteuern gezahlt. Für die US-Gesellschaft ist das aber eine massive Steigerung. In zehn der vergangenen 15 Jahre hat Trump, der nach eigenen Angaben Milliardär ist/sein will, überhaupt nichts durch Steuerzahlungen der Allgemeinheit zu Gute kommen lassen. Die New York Times veröffentlichte jetzt ihre umfassenden Recherchen zu „The president’s taxes“. Lang und lesenswert ist der Hauptartikel „Long-concealed records show Trump’s chronic losses and years of tax avoidance“. Eine Timeline macht das noch mal visuell begreifbarer: „Charting an empire: A timeline of Trump’s finances“.
Der Forbes-Reporter Dan Alexander hat ein Buch über die Finanzen von Donald Trump geschrieben und bringt in einem Twitter-Thread zu den NYT-Enthüllungen weiteren Kontext. Er vermutet, dass Trump in den kommenden Jahren 1,1 Milliarden Dollar an Schulden zurückzahlen muss. Hoffentlich ist er dann nicht mehr im Amt.
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Arne Semsrott ist Autor bei netzpolitik.org und Leiter von FragdenStaat. Sein Bruder Nico Semsrott sitzt für Die Partei als Abgeordneter im Europaparlament. Die Berliner Zeitung hat die Brüder zusammen über Politik, Transparenz und Engagement interviewt: „Ich bin dafür, die Hälfte der Abgeordneten auszulosen“.
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Telepolis hat Dirk Engling, einen der Sprecher des Chaos Computer Clubs, über die Anklage der USA gegen Julian Assange interviewt. Der Chaos Computer Club ist u.a. davon betroffen, weil Auftritte von Wikileaks auf früheren Chaos Communication Congressen als Teil einer vermeintlichen Beweisführung genutzt werden: „Bundesregierung sollte diesen gefährlichen Präzedenzfall verhindern“. Für Engling ist klar, dass das auch als ein Einschüchterungsversuch gegenüber der hiesigen Hacker:innen-Community zu werten ist.
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Pro7 bringt heute Abend eine politische Dokumentation über „Deutsch, rechts, radikal“. Vorab berichtet Christian Fuchs bei Zeit-Online über einen Aspekt der Doku. Der langjährige Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, erklärt darin vor versteckter Kamera der rechtslastigen YouTuberin Lisa Licentia, warum es mehr Geflüchtete in Deutschland brauche: „Ja. Weil dann geht es der AfD besser. Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“
Die Verteidigungsstrategie der AfD ist auch putzig: Auf Twitter verkündet man, dass Lüth seit drei Jahren nicht mehr für die AfD als Partei tätig sei. Und vergisst zu erwähnen, dass er seit drei Jahren, bis zu seiner Beurlaubung wegen eines anderen Skandals im Februar, als Pressesprecher und dann Medienbeauftragter der AfD-Bundestagsfraktion tätig war.
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Ab 1. Oktober verbietet Google im Play Store alle Apps, die ganz offensichtlich zur digitalen Spionage dienen, etwa um das Handy einer anderen Person ohne deren Einverständnis zu tracken. Mit einer kleinen Ausnahme: Eltern dürfen nach wie vor ihre Kinder ausspionieren. Eine Petition der Kinderschutzorganisation National Youth Rights Organisation fordert, diese Lücke zu korrigieren: Demand that Google’s stalkerware policy also protect children. Schließlich hätten Menschen jeden Alters ein Recht darauf, ihre eigenen Grenzen zu definieren. Wenn man bedenkt, wie katastrophal der Datenschutz vieler als „Parental Monitoring“ vermarkteten Apps in der Vergangenheit war, sollten Eltern allein schon aus Sorge solche Apps vom Handy ihres Kindes fernhalten.
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Was spielt sich in diesen Momenten im Kopf von Horst Seehofer ab? Nach seiner andauernden Kampagne gegen eine Rassismusstudie bei der Polizei kündigte die Hamburger Polizei-Akademie heute eine Studie zu Vorurteilen und Radikalisierungsmechanismen bei der Polizei an. „Wir wollen ermitteln, welche Risikofaktoren bei der Hamburger Polizei die Entstehung von Vorurteilen und radikalen Einstellungen begünstigen“, sagte Akademie-Leiter Thomas Model laut dpa dem Hamburger Abendblatt: Hamburger Studie zu Vorurteilen und Rassismus bei Polizisten. Von Einzelfällen könne man nicht mehr sprechen. (Seehofer geht haareraufend ab).
Audios des Tages: Oktoberfest-Spionage in Gorleben
Vor 40 Jahren wurde Gorleben als Endlagerstandort für unseren Atommüll ausgesucht. Es gab keine geologischen Gründe, aber dafür politische: Die DDR lag direkt nebenan und wenn es Probleme gegeben hätte, dann wäre das eher ein Problem der Bewohner:innen der angrenzenden Ostzone geworden. 40 Jahre lang gab es einen gut organisierten Widerstand gegen die Pläne und den Weg dahin, den Castortransporten. Dieser führte jetzt zu einem Erfolg: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat den Salzstock in Gorleben nicht auf die Liste möglicher Endlager gesetzt. Dafür steht jetzt halb Brandenburg und Berlin-Spandau drauf. Bis 2031 soll jetzt ein neues Endlager gefunden werden.
Aber das Hauptproblem bleibt: Wenn wir Atommüll produzieren, muss der irgendwohin. Nachhaltiger ist es, komplett darauf zu verzichten, dann hat man zukünftig auch weniger Endlager-Probleme. Bis dahin müssen wir aber leider trotzdem den Müll organisieren, den uns unsere Eltern hinterlassen haben. Zu dem Thema gab es gestern den Hintergrund im Deutschlandfunk: Endlager für Atommüll – Die Standortsuche für radioaktiven Abfall.
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Die Radiosendung „Der Tag“ auf Hessen2 hat die Tage über „Ausgespäht! – Faszination Spionage“ gesprochen. Die einstündige Sendung gibt es als Podcast zum Nachhören.
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Deutschlandfunk Kultur schaut auf 40 Jahre Oktoberfestattentat zurück, der Vater aller Einzelfälle: Die Aufklärung der politischen Verantwortung steht aus.
Video des Tages: Rohwedder im Supreme Court
Aktuell zeigt Netflix mit „Rohwedder“, dass man auch Dokumentarfilme kann. Die Produktion der Gebrüder Beetz aus Berlin blickt in einer vierteiligen Mini-Serie auf das Attentat zurück, bei dem der damalige Treuhand-Chef 1991 ermordet wurde. War das die sogenannte dritte Generation der RAF oder handelte es sich hier um ein Attentat aus dem Umfeld früherer Stasi-Agent:innen? In einer Kombination aus Original-TV-Beiträgen und Zeitzeugen-Interviews wird das Ereignis aufgerollt und gleichzeitig die Rolle der Treuhand und die darüber geführten gesellschaftlichen Debatten thematisiert.
Ich fand „Rohwedder“ spannend und kurzweilig, auch weil ich damals zu jung war, um das alles verfolgen und realisieren zu können. Dabei ist die Mini-Serie mindestens genauso gut produziert, wie man es bei den Doku-Blockbustern in ARD und ZDF erwartet. Nur „Rohwedder“ hat mehr Zeit, als es die gängigen ÖR-Sendefenster zulassen. Und das ist manchmal gut so.
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Last Week Tonight with John Oliver erklärt in der aktuellen Episode, wie der US Supreme Court funktioniert und warum die Besetzung ein Politikum ist. Das gibts auf Youtube zu sehen.
Netzpolitik-Jobs
Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.
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Die Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ (POLDI) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sucht eine/n „Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (m/w/d)“ für ihr GUARDINT-Projekt, das sich mit der demokratischen Kontrolle digitaler und transnationaler Nachrichtendienstüberwachung befasst.
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Investigate Europe ist eine transnationale Medienplattform für investigativen Journalismus mit Sitz in Berlin. Aktuell wird ein/e Community Engagement Coordinator/in gesucht. Das ist wohl zwischen Social Media-, Community-Management und Audience Development angesiedelt.
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Epicenter.works ist eine österreichische Organisation für digitale Bürgerrechte. Aktuell hat die Organisation mit Sitz in Wien eine „Policy Advisor (m/w/d)“-Stelle ausgeschrieben.
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Wikimedia Deutschland sucht eine/n „Referent für Bildung und Teilhabe in der digitalen Welt“ (m/w/d).
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Und eine zweite Ausschreibung von Wikimedia Deutschland sucht nach „Manager digitale/ offline Events (m/w/d)“.
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Die Deutsche Welle sucht eine/n „Redakteur (w/m/d) für Digitalpolitik“ in Berlin.
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Die Free Software Foundation Europe setzt sich für die Förderung von Freier Software (im Volksmund auch Open Source genannt) ein. Für ihr Team in Berlin, das drei Türen weiter neben unserem Büro auf derselben Etage sitzt, sucht die FSFE jetzt eine Büroassistenz.
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Der Digital Freedom Fund ist ein weiterer Zusammenschluss verschiedener Stiftungen, die zivilgesellschaftliche Organisationen bei strategischen Prozessführungen finanziell unterstützt und vernetzt. Dafür wird ein Operations Officer für das Büro in Berlin gesucht. Das ist weitgehend Reise- und Eventmanagement.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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Die Erstellung dieses Newsletters wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Chris Köver unterstützt. Dieser Newsletter wird auch von vielen Spenden im Rahmen der freiwilligen Leser:innenfinanzierung von netzpolitik.org ermöglicht. Mit Deiner Unterstützung können wir noch viel mehr machen.
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