Was vom Tage übrig bliebAlte Bedenken, alte Telefone und ein noch älteres Computerspiel

Die Sims feiern ihren 20. Geburtstag mit einem Sektbrunch auf Sylt, WhatsApp dreht den Support für alte Handys ab und die EU-Kommission ist besorgt über Youtube’sche Fallstricke. Die besten Reste des Tages.

Fernsehturm
Der letzte Turm des Januars. – netzpolitik.org

The Sims at 20: two decades of life, love and reorganising the kitchen (The Guardian)
Ein schöner Artikel, der die Frage berührt, wie Computerspiele unseren Sinn für Realität beeinflussen können. Die Sims ist dafür ein wunderbares Beispiel, da wohl mit der Ausnahme von Tetris wenige Computerspiele über die vergangenen zwei Jahrzehnte eine solche universelle Verbreitung durch alle sozialen Gruppen gefunden haben. Sims, das ist Puppenspielen für das digitale Zeitalter, schreibt der Guardian. Zugleich durchlebt der Spielende darin die ultimative Variante des bürgerlichen Ideals: Job, Einfamilienhaus, Kernfamilie. Eine „kapitalistische Fantasie“ als digitale Realität. Dann doch lieber Dungeon Keeper.

WhatsApp: Am 1. Februar ist Schluss für hunderttausende Smartphones (Der Standard)
Der Facebook-Konzern stellt den WhatsApp-Support für die Handybetriebssysteme Android 2.3.7 und iOS 8 und noch ältere Versionen ein, hunderttausende Geräte auf der Welt haben ab morgen keinen Zugriff mehr auf die Messenger-App. Einerseits gut, weil Sicherheitslücken in teils seit Jahren nicht mehr aktualisierten WhatsApp-Versionen nicht mehr ausgenutzt werden können. Andererseits ein Beispiel für digitale Obsoleszenz – die Haltbarkeit elektronischer Geräte ist leider durch solche Softwarehürden klar beschränkt, was uns zur Anschaffung immer neuer Geräte zwingt. Hilfe, Greta!

Monitoring of recommendation engines on online platforms (EU-Parlament)
Schon seit längerem wird Youtube vorgeworfen, sein Empfehlungsalgorithmus fördere Verschwörungstheorien, Hassrede und Radikalisierung. Zuletzt wurden immer neue Fälle bekannt, wie auf Autoplay geschaltete Empfehlungen plötzlich zu schockierenden und bizarren Inhalten führen. Die Mozilla-Stiftung sammelt toxische Beispiele unter dem Namen „Youtube Regrets“, die Frage wird inzwischen wissenschaftlich beforscht. Die Sorge über den Algorithmus teilt auch die EU-Kommission. Auf die Frage eines Abgeordneten hin erklärte der neue EU-Digitalkommissar Thierry Breton, die Kommission sei besorgt über „Fallstricke“ in dem Empfehlungsalgorithmus von Youtube. Die Sorge ist nicht unberechtigt: Eine Suche nach „Thierry Breton“ führt rasch zu Videos von Alice Weidel. Das sollte Herrn Breton eigentlich zeigen, dass der Algorithmus Gold wert ist.

Spahn will das Ende der Zettelwirtschaft (Tagesspiegel)
Gesundheitsminister Jens Spahn hat gestern den Entwurf für sein Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) vorgelegt, das unter anderem Berechtigungen für Zugriffe auf die ab 2021 geplante elektronischen Patientenakte regeln soll. Der Tagesspiegel erklärt einige zentrale Aspekte des Vorhabens, mit dem Spahn es den Menschen ermöglichen will, selbst zu entscheiden, welche Daten digital gespeichert werden und welcher Ärztin sie zur Verfügung gestellt werden. Ein Problem: Beim Start der elektronischen Akte können Patient:innen nur wählen, ob sie einem Arzt alle Daten aus der Akte oder gar keine Daten zur Verfügung stellen wollen. „Ein ‚differenzierter Rechtezugriff‘, bei dem beispielsweise der Zahnarzt zwar alles über das Gebiss seines Patienten, aber nichts von dessen Depression oder Aids-Test erfährt, soll erst ab 2022 technisch möglich sein“, schreibt Rainer Woratschka.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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2 Ergänzungen

  1. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat eine Leitlinie zum Einsatz von Videoüberwachung beschlossen. Die Datenschützer stellen darin fest, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt. […] Private Unternehmen dürfen grundsätzlich keine biometrischen Daten zur Identifizierung von Menschen verarbeiten, ohne dass die Betroffenen einwilligen, heißt es.

    https://posteo.de/blog/datensch%C3%BCtzer-beschlie%C3%9Fen-eu-leitlinie-zur-video%C3%BCberwachung

  2. Zum Thema WhatsApp bzw. digitale Obsoleszenz: Das Problem hier ist nicht WhatsApp, im Gegenteil, hier ist der Schritt längst überfällig, aus den genannten Gründen. Das Problem ist, dass die Geräte keine Firmware-Updates erhalten. Und da der Hersteller das aus naheliegenden Gründen nicht anbietet, ist der Gesetzgeber gefragt, ihn dazu zu zwingen.

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