Twitter hat einen Tweet des Autors Tom Hillenbrand zu Unrecht gesperrt. Das entschied das Landgericht München I und untersagt Twitter per einstweiliger Verfügung, den Tweet zu löschen.
Hillenbrand hatte am 6. Mai im Vorfeld zur Europawahl eine Reihe von satirischen Wahlempfehlungen getwittert, darunter folgenden an die AfD: „Alle AfD-Wähler sollten: – ihren Wahlzettel fotografieren – ihn unterschreiben – Foto auf Insta posten – Wahlzettel danach aufessen“. Twitter löschte den Tweet, weil er angeblich gegen die internen Richtlinien der Plattform zu Wahlmanipulation verstoße.
Das Landgericht München widerspricht dieser Einschätzung in seinem Urteil, das netzpolitik.org vorliegt. Twitters Löschaktion habe Hillenbrands Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt, urteilte der zuständige Richter. Auch falle der Tweet gar nicht unter Twitters Richtlinie zur Wahlbeeinflussung. Es gehe darin weder um die „Unterdrückung und Einschüchterung von Wählern“, noch rechtfertige der Punkt „irreführende Informationen zur Teilnahme“ eine Löschung.
Der Tweet sei eine Aussage mit satirischem Charakter, wie spätestens durch die Aufforderung am Ende, den Wahlzettel aufzuessen, klar werde. Ein soziales Netzwerk könne von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen nicht einfach nach eigenem Ermessen löschen.
Twitter löscht auch Satire
Besonders der letzte Satz hat es in sich. Denn Twitter war wegen der zeitweisen Sperrungen zahlreicher Accounts, darunter der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, der Jüdischen Allgemeinen, zahlreicher Anwälte, Politiker:innen, Blogger und Tom Hillenbrand, bereits Mitte Mai im Digitalausschuss des Bundestages vorgeladen. Eine Vertreterin der Unternehmens erklärte in der nicht-öffentlichen Sitzung den Abgeordneten, Twitter dulde im Rahmen seiner neuen Richtlinien zur Wahlmanipulation auch keine satirischen oder ironischen Äußerungen, wenn diese falsche Informationen zum Wahlprozess enthielten. So berichteten es mehrere Teilnehmer:innen der Sitzung übereinstimmend.
Die SPD-Abgeordnete Saskia Esken und andere Mitglieder der Ausschusses hatten diese Aussage damals schon als Einschränkung der Meinungsfreiheit kritisiert. Auch Hillenbrand selbst hatte dazu gebloggt: „Twitter schränkt so die Meinungsfreiheit für Millionen von Menschen ein, in ganz Europa. Und dies wenige Wochen vor einer der wichtigsten Wahlen, die dieser Kontinent seit Jahrzehnten erlebt hat.“ Das Urteil des Landgerichtes München bestätigt nun die Kritik.
Lieber Overblocking als Regulierung
Twitter hatte im April vor der Europawahl eine „Richtlinie zur Integrität von Wahlen“ veröffentlicht und verbietet seitdem „das Posten oder Teilen von Inhalten, die sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken oder falsche Angaben zum Termin, zum Ort, oder zum Ablauf einer Wahl machen“. Die Bestimmungen gelten für alle Länder.
Das Unternehmen stand wie auch YouTube und Facebook politisch stark unter Druck, etwas gegen Wahlmanipulation und Desinformation zu unternehmen. Facebook, Google, Mozilla und Twitter hatten vergangenes Jahr auf Druck der EU-Kommission einen entsprechenden Verhaltenskodex unterschrieben. In den Augen der Kommission gut abzuschneiden, ist Twitter offenbar so wichtig, dass es das Overblocking von Aussagen und Accounts in Kauf nimmt.
„Erst kommen Grundrechte, dann lange nix“
Hillenbrand hatte gegen die Löschung seines Tweets zunächst Widerspruch bei Twitter eingelegt. Die Folge: Sein Account wurde eingefroren, weil er sich weigerte, den Tweet zu entfernen. Daraufhin entschied er sich zu klagen. „Social-Media-Plattformen wie Twitter sind der Meinung, sie besäßen ein ‚digitales Hausrecht‘ und dürften Nutzerbeiträge mehr oder minder nach Gusto löschen,“ schreibt Hillenbrand in seinem Blog. Jetzt kristallisiere sich heraus, ein solches Hausrecht gebe es nicht. „Erst mal kommen die Grundrechte und dann lange nix. Da ist dann auch egal, was Jack oder Mark in ihre AGBs reingeklauselt haben.“
Hillenbrands Anwalt Jörn Claßen schreibt dazu: „Grundrechte gelten auch in den sozialen Netzwerken. Nutzer müssen sich Willkür-Löschungen nicht länger gefallen lassen.“
„Teuerste Tweet meines Lebens“
Viele Nutzer:innen, die nicht die Nerven oder Mittel haben, ihre Rechte per Klage durchzusetzen, betreffen Twitters Willkürregeln allerdings nach wie vor. Noch ist zudem nicht klar, wer die Kosten für das Verfahren übernimmt. Hillenbrand schreibt, es sei „vermutlich der teuerste Tweet meines Lebens.“
Denn der Fall zieht sich weiter hin: Twitter muss Hillenbrands Tweet zwar wiederherstellen, sonst droht ein Ordnungsgeld von einer Viertelmillion Euro. Hillenbrands Account entsperren muss Twitter hingegen nicht. Das Gericht sah keinen Anlass dafür, darüber ebenfalls im Eilverfahren zu entscheiden. Schließlich sei ein Twitter-Account kein essenzielles Gut wie Wasser oder Strom.
Je nachdem, wie das weitere Verfahren ausgeht, muss Twitter die Kosten komplett übernehmen oder Hillenbrand wird einen großen Teil selbst tragen müssen. Es geht um eine dreistellige Summe, schätzt Hillenbrand, plus Anwaltskosten. Er selbst habe sich die Klage leisten können, er wird dabei von seinem Verlag Kiwi unterstützt. Viele andere könnten es sich nicht erlauben. „Angesichts der Tatsache, dass es hier um Grundrechte geht, müsste der Gesetzgeber dringend Regelungen erlassen, die es Twitter und Facebook untersagen, derart willkürlich und intransparent vorzugehen,“ schreibt Hillenbrand per E-Mail. „Wir sind in der bizarren Situation, dass kalifornische Konzerne über die Meinungsfreiheit in Deutschland mitbestimmen, ohne Legitimation und ohne Plan.“
Ich hab‘ das schon mal zitiert, in den Twitter AGBs steht klar: „Wir können auch Inhalte auf Diensten entfernen oder es ablehnen, diese zu verbreiten, Nutzer sperren oder ihnen kündigen und Nutzernamen zurückfordern, ohne Ihnen gegenüber haftbar zu sein.“
Nun Twitter behauptet ja auch nicht alles und jeden zu veröffentlichen.
Ein Verleger einer Zeitung veröffentlicht auch nicht jeden Artikel und jeden Leserbrief.
Wer das möchte muss einen eigenen Blog betreiben oder einen anderen SocialMedia Dienst nutzen (Mastodon, Diaspora, …)
Die Begründung ist ein „Staatsähnliches Monopol“.
Das unterscheidet Twitter und Facebook von Diensten wie „Mastodon“ oder „Diaspora“.
Diese kleinen Unternehmen dürfen genau so wie jedes private Blog alles löschen.
Auch aus ideologischen, Weltanschaulichen etc. gründen.
So darf z.B. PI-News linke Kommentare wie auch Hagalil und Co. rechte Kommentare löschen.
Meine Ergänzung mit Beispielen für weitere Verstöße, aber staatlicher Stellen:
Also hat auch Twitter wie Facebook ein „staatsähnliches Monopol“, weshalb es direkt an das Grundgesetz gebunden ist. Das war ja bei Facebook die Urteilsbegründung.
Man darf nicht vergessen, das gilt also auch für die Kanäle der Bundesregierung und der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten auf Facebook, Twitter, YouTube etc..
Probiert es selbst aus, und klagt notfalls gegen die Löschung.
Oder geht auf die Straße, auch wenn es nur ein oder zwei Personen sind.
Z.B. einen Pro-Vollautomatisierungs-Kommentar (dass es gut ist wenn es endlich keine Erwerbsarbeit mehr gibt) zu Einträgen die die Vollbeschäftigung propagieren, sogar für 2030 oder 2050 (!). Wo wir alle wissen sollten, 2050 arbeiten evtl. noch 1% oder weniger.
Laut Ing-Diba 2030 schon 59% weniger in Deutschland.
Oder versucht mal auf YouTube auf den Kanälen von Lesch, Quarks, Terra X etc. unter ein Video einen On-Topic-Kommentar oder eine Antwort auf einen Kommentar zu schreiben der paranormale Phänomene oder extraterrestrische Besucher nicht ablehnt, auch nur für möglich erklärt oder sogar mit (z.B. geschichtlichen) Fakten (Experimente… Z.B. Dokumente auf dem Server von CIA .gov…) belegt.
Ihr könnt im YT-Kanal „ARD“ die Redaktion mit dem „A-Wort“ bezeichnen (gerade noch gelesen, schon Monate alt), das bleibt drin (evtl. kontrollieren die einfach nicht alles), aber was die beiden Themen angeht sind die Wissenschaftsredaktionen des ÖRR auf dem dogmatischen Pseudo-Debunker-Kurs. Die lesen jeden Kommentar zur Kontrolle auf Inhalte die sie als „Hüter“ vor den „Schafen“ (Jargon in der „GWUP“, Edgar Wunder ist Zeuge) fern halten müssen.
Dazu empfehle Ich den Aufsatz „Das Skeptiker-Syndrom“ des Soziologen Edgar Wunder (der auch die GWUP gegründet hat) über die GWUP. Das sind die gleichen Menschen.
Bewusst illegale Handlungen, aber sie stellen dieses Verhalten nicht ein.
Sie wurden per Email darauf hingewiesen, und durch das Hilfsmittel einer „Drohung“ (dass man z.B. Gegenpropaganda auf deren Gebäude projiziert) hoffe Ich dass es auch der Justiziar gelesen hat. Hier wäre mal ein Artikel von Netzpolitik gut. Man sollte Verletzungen des Grundgesetz durch Behörden bzw. den Staat selbst nicht akzeptieren oder abtun, nur weil es einen selbst evtl. nicht trifft.