RechtsextremismusMehr Stellen für Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz

Das Bundesinnenministerium will Rechtsextremismus stärker bekämpfen. Verfassungsschutz und BKA kriegen mehr Personal und sollen rechtsextreme Gefährder mit automatisierten Systemen erkennen.

PK
(v.l.n.r.) Thomas Haldenwang (BfV), Holger Münch (BKA), Horst Seehofer (BMI)

Die Sicherheitsbehörden wollen den Kampf gegen den Rechtsextremismus verstärken. Das kündigten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang und der Präsident des BKA, Holger Münch, bei einer Pressekonferenz an.

Eine Säule des Programms sind die jeweils neue 300 Stellen bei Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz, die Bundesinnenminister Seehofer verkündete. Beide Behörden sind in den letzten Jahren schon stark gewachsen. Das Budget des BKA hat sich seit 2010 fast verdoppelt, das des Verfassungsschutzes seit 2014.

Alle Vertreter auf der Pressekonferenz betonten, dass mehr als die Hälfte der politisch motivierten Straftaten auf das Konto von Rechtsextremen gingen und wiesen darauf hin, dass es nach Behördenschätzungen 12.700 gewaltbereite Rechtsextreme in Deutschland gebe.

Mehr Personal für BKA und Verfassungsschutz

Laut Haldenwang verfolge der Verfassungsschutz einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die alten Rechten genauso wie die neue Rechte ins Visier genommen werden müsse. Dabei müsse insbesondere das Internet beobachtet werden, um virtuelle Netzwerke aufzudecken.

Haldenwang sprach davon, dass es zu viele Einzelfälle von Rechtsextremismus in den Behörden und im öffentlichen Dienst gebe, man müsse diese nun in ihrer Gesamtheit betrachten. Er nannte konkret die Vorfälle bei der Frankfurter Polizei, aber auch beim SEK in Mecklenburg-Vorpommern. Haldenwang wies darauf hin, dass man die Identitäre Bewegung, die Junge Alternative und den „Flügel“ der AfD als Vertreter der neuen Rechten beobachte.

Automatisierte Gefährder-Erkennung

Der Verfassungsschutz wolle nun die Methoden, die er bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus anwende, auf Rechtsextremisten anpassen. Ähnlich äußerte sich BKA-Chef Holger Münch, der das Gefährder-System RADAR-iTE auf den Rechtsextremismus übertragen will. Bei Radar-iTE handelt es sich um ein datenbasiertes Risikoanalyseinstrument, das mit Daten potenzieller Gefährder gefüttert wird. Die Methode ist bei Wissenschaftlern umstritten. Das polizeiliche Konzept des Gefährders kollidiert regelmäßig mit rechtstaatlichen Prinzipien, da sogenannte Gefährder noch keine Straftaten begangen haben.

Alle Seiten betonten auf der Pressekonferenz, dass es eine engere Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizeien brauche, hervorgehoben wurde dabei die Zusammenarbeit im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum.

Münch will Meldesystem schrittweise ausbauen

BKA-Chef Münch hob die geplante Meldepflicht von Straftaten im Internet hervor. Das Bundeskriminalamt würde hier als Zentralstelle dienen. Man werde in drei Phasen arbeiten. Derzeit befinde man sich in einer Abstimmungsphase mit der Justiz, mit Nichtregierungsorganisationen, mit den Verpflichteten und wolle ein vernünftiges IT-System aufbauen.

2020 beginne eine Pilotphase, in der ausgewählte Firmen zur Meldung verpflichtet würden. Dafür gebe es einen überschaubaren Tatbestandskatalog, um die Prozesse mit der Justiz und den Ländern einzuüben. Danach wolle man das System ausbauen. Münch ließ offen, ob der Ausbau über die im Gesetzentwurf genannten Tatbestände hinausgehen sollte.

Dieser Ansatz mit dem Meldesystem sei einer neuer Schritt in der Bekämpfung digitaler Kriminalität und der Kriminalität im digitalen Zeitalter, sagte Münch.

4 Ergänzungen

  1. Am Ende wird es aber nicht nur die Rechten treffen sondern quasi jeden welcher sich wegen was auch immer auch nur ein klein wenig verdächtig macht. Ich halte diesen Ansatz daher für den Falschen Weg da er hin zu einer Massiven Überwachung und Zensur führen könnte.

  2. Enthalten die verdoppelten Budgets (2. Absatz) die neuen Stellen schon oder kommen diese noch mal oben drauf?
    Falls möglich, wäre auch eine alternative Betrachtungsweise interessant: Um wieviel (Prozent) erhöht sich die Personalkapazität?

  3. Was ist aus dem Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes geworden: sind Journalisten nun wieder in die Gruppe der vor Maßnahmen Geschützten aufgenommen worden, aus der Horst Seehofer sie absichtlich herausgenommen hatte ?

    Betreff: Feedback – Extremismus – Auch in den eigenen Reihen
    Datum: Wed, 18 Dec 2019
    Von: Irene Latz
    An: debatte@sueddeutsche.de, poststelle@BMI.BUND.de , buergerservice@bmjv.bund.de

    Feedback – Extremismus – Auch in den eigenen Reihen – https://sz.de/1.4727135
    Sehr geehrte Constanze von Bullion,

    am 15.August schrieb die Süddeutsche Zeitung zum Entwurf der Verfassungsschutzgesetz-Überarbeitung:
    „Übersetzt heißt dies, dass der Verfassungsschutz künftig auch journalistische Redaktionen mit Staatstrojanern ausspähen dürfen soll. Man kann dies aber nicht lesen, ohne dass der gesamte Schreibtisch übersät ist mit aufgeschlagenen weiteren Gesetzen. Ob man es dann versteht, ist immer noch eine andere Frage.“
    „Horst Seehofer, der Bundesinnenminister, hat vor einer Weile etwas Kritik auf sich gezogen, als er erläuterte, wie man brisante Verschärfungen der Sicherheitsgesetze am effektivsten auf den Weg bringe, ohne viel Gegenwind auszulösen. Ganz einfach: Man müsse die Gesetze kompliziert machen. „Dann fällt es nicht so auf.“ Manche haben ihm vorgeworfen, das sei undemokratisch. Dabei sieht, wer jetzt Seehofers riesiges, 41 Seiten pralles Gesetzespaket zur Stärkung des Verfassungsschutzes studiert: Es geht sogar noch besser.“
    ( Staatstrojaner im Schachtelsatz / Ronen Steinke ).

    Und deshalb möchte ich, dass zuerst die Frage geklärt wird:

    Warum nicht: für alle Sicherheitsbehörden Whistleblowerschutz für Verfassungsverteidiger (Snowden in Berlin!), und Archiv-Pflicht (statt Ausnahmen), und direktes Lesen der Kontrolleure (PKGR/G10/Datenschutz-Beauftragte) auf den Datenbanken der Sicherheitsbehörden – wie in EU-Nachbarländern: ohne „third-party-rule“, und EU-Vernetzung der Kontrolleure so wie es die Dienste schon sind, und Anordnungsbefugnis der Datenschutzbeauftragten auch bei der Polizei, und eine „Polizei der Polizei“ – also unabhängige Beschwerdeprüfer für die Bürger (gibt es ja auch schon in unseren Nachbarländern)… warum nicht zuerst das Gegengift,
    damit die neuen Vorschläge Rechtsextremisten treffen,
    und nicht für die Regierung unbequeme Whistleblower/Journalisten?
    Warum nur eine im eigenen Haus befindliche Stelle, die genauso geeignet sein könnte, Whistleblower mundtot zu machen ! , statt Rechtsradikale aus dem Dienst zu entlassen?

    Glaubt Ronen Steinke, dass Horst Seehofer wirklich die Rechtsextremen aus den eigenen Reihen entfernt, oder glaubt er, dass Horst Seehofer nur versucht, nichts mehr an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen ? Horst Seehofer wollte in Chemnitz noch gern mitlaufen mit den Höckes dieses Landes, und er wollte Maaßen zum Staatssekretär…
    Ich würde ihm erst glauben, wenn Ronen Steinke ihm glaubt !

    Viele Grüße,
    Irene Latz

  4. Ja und… vielleicht eine Erinnerung an Werbesprech:

    Eine der Behörden, die am schwierigsten zu überprüfen sind, bekommt mehr Stellen „gegen Rechtsextremismus“. Man frage sich, wo die Stellen dann zum Einsatz kommen, und was mit anderen Stellen passiert, die zuvor dran gearbeitet haben.

    Wie im Text erwähnt muss man nur noch die „richtigen Leute“ (vgl. Google) platzieren, die Gesetze sind weitestgehend am Platz, und schlimmer noch, es gibt weder für diese Behörden noch für die Politik in sich, wirksame Kontroll- und Balancierungsmechanismen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.