Pre Crime – Dokumentation über Predictive Policing in der ARTE-Mediathek

Die Dokumentation „Pre Crime“ beschreibt anschaulich Technologien und gesellschaftliche Fragestellungen rund um den Einsatz von polizeilichen Vorhersagesystemen auf Basis von Algorithmen und großen Datenmengen.

CC-BY 2.0 Gamma Man

Über den Dokumentarfilm „Pre Crime“ von Monika Hielscher und Matthias Heeder hatten wir im vergangenen Jahr ausführlich anlässlich der Kinopremiere berichtet. Constanze Kurz schrieb seinerzeit: „Pre-Crime“: Über Menschen, die ungewollt Teil von Datenexperimenten sind.

Die in „Pre-Crime“ beleuchteten Beispiele kann man als „Predictive Analytics Software“ zusammenfassen, also allgemein gesprochen Produkte, die versuchen, Verhaltensmuster aus Echtzeitdaten und aus der Vergangenheit bekannten Daten zu extrahieren, um damit für die Zukunft Vorhersagen zu machen. Voraussichtliche Verbrecher werden insofern bestraft, dass sie auf Listen mit potentiellen Straftätern landen. Und wir reden nicht über die ferne Zukunft: Auf einer der im Film dargestellten Gefährderlisten („Heatlist“) sind bereits mehr als eintausend Personen als besonders kriminalitätsgeneigt verzeichnet. Eines der Listenopfer fragt angesichts der großen Summen für die Software, die Datenbanken, die Schulungen, die Fachleute: Was hätte man mit dem ganzen Geld im Sinne der Opfer von Verbrechen tun können? Die Frage bleibt ohne Antwort.

Nun gibt es die rund 87 Minuten lange Doku zumindest bis Ende des Monats in der ARTE-Mediathek zu sehen. Aus der Beschreibung:

Die Dokumentation gewährt umfassende Einblicke in die Methoden des Predictive Policing: Eine Software, die voraussagt, wo und wann ein Verbrecher zuschlägt. Sie ist in Städten wie Chicago, London oder München längst Realität. Doch wen schützen die Algorithmen, die zum Einsatz kommen, und wen nicht?

Eine Software, die voraussagt, wo und wann ein Verbrecher zuschlägt – das klingt nach einem Science-Fiction-Szenario im Stil von „Minority Report“, ist aber in Städten wie Chicago, London oder München längst Realität. Ob jemand gefährlich ist oder nicht, wird schon heute von Polizeicomputern entschieden. Predictive Policing nennt sich die Methode, und dieses Zukunftsversprechen ist nicht nur eine positive Auswirkung von Big Data; es dient als Quelle, die jeder selbst kontinuierlich mit persönlichen Informationen befüllt. Da, wo der Film „Citizenfour“ aufhört, geht „Pre-Crime“ einen Schritt weiter. Die Filmemacher Monika Hielscher und Matthias Heeder stellen einige der brennendsten Fragen der heutigen Zeit: Wie viel Freiheit sind wir bereit, für das Versprechen absoluter Sicherheit aufzugeben? Und können wir uns auf das Urteil von Computern und Algorithmen wirklich verlassen? Die Dokumentation stellt Menschen vor, die täglich mit dieser Technologie arbeiten und sie weiterentwickeln, aber auch Menschen, die zu Opfern dieser Technologie wurden. „Pre-Crime“ zeigt, dass uns die Zukunft längst eingeholt hat. Faszinierend und furchterregend zugleich dringen utopische Kontrollszenarien immer mehr in das Leben jedes Einzelnen ein.

4 Ergänzungen

  1. Die Doku zeigt eindrucksvoll, wie neue Technologie unter heutiger gesellschaftlichen Herrschafts-Aspekte, also der vorherrschenden kapitalistischen Produktionsweise und ihrer privaten Aneignung an gesellschaftlichen Produktionsmitteln und –erzeugnissen, die Kriminalitätsrate nur erhöht. Und sie nicht senkt, was die Anwender permanent versprechen.

    Für die Anwender mit ihren Predictiv-Tablets erscheint so fast jede Region der Welt als eine Art Krisen- bis Kriegsgebiet – die Anderen, ohne diese Technik-Ausgestatteten, sind das schlicht die Orte an denen sie Leben.

  2. Was mir neben dem pathetischen Singsang des Zeichners an der Küste noch nicht gefällt, ist dass die vermeintlichen Opfer dieser Sofware sich ja alle in irgendwelchen kriminellen Kreisen bewegen (Gangs oder was auch immer), also in meinem Bekanntenkreis gibt es weder Schießerein noch Todesopfer durch Gewalttaten.
    Bei denen ist das aber der Fall, wo ist also das Problem zum bisherigen Vorgehen?
    Einzig die beiden Nazibullen (Glatzi und Blondi jetzt immer Montags um 20:15 in Sat1) die den jungen Mann an den Fahrradständern schikanierten lösen Aggressionen in mir aus, hätte der keinen Hoodie und eine hellere Hautfarbe hätten sie ihn niemals kontrolliert!

    1. Was für eine krude Logik: Man trägt dafür die Verantwortung oder sonst irgendwie Mitschuld, wenn im Bekanntenkreis (kann nach der Software auch Familie, Kollegen oder Nachbarn sein) jemand ein Gewaltopfer wird? Mit der bestechenden Begründung, dass es „in meinem Bekanntenkreis“ sowas nicht gibt, sondern nur bei „denen“?
      Mein Gehirn schmerzt.

      1. Constanze, es ging nicht um Gewaltopfer einer Schlägerei usw. sondern um jemanden der in einer Schießerei zu Tode gekommen ist:
        „Ein Freund von mir ist vor zwei Monaten ermordet worden.
        Das ganze wurde als Bandenmord bezeichnet.
        So kam ich in’s Blickfeld, weil ich mit dem Opfer befreundet war.“
        Gangs treffen sich und ballern aufeinander ein.
        Warst du schon mal bei sowas dabei?
        Ich schon, nur das keiner geschossen hat.
        Mag jede* anders erleben aber mir hat es keinen Spaß gemacht und für mich ist sowas auch kein harmloser Delikt!
        Ich finde das ist schon was anderes als wenn Opa Ewald während der familiären Teerunde einen Herzinfarkt bekommt; aber für dich vielleicht nicht? ;-P
        Wer mit Gangmitgliedern befreundet ist rückt in’s Blickfeld, das macht erstmal Sinn.
        Denn selsbt wenn dieser jemand nichts von der Mitgliedschaft des Freundes in einer Bande weiß, so würde er diesem eventuell bei zum Beispiel einer Flucht nach einer Straftat helfen, eben weil es ja ein Freund ist…
        Wer sich selbst schon mal strafbar gemacht hat um jemand anderem zu helfen weiß wovon ich spreche…
        Es ging mir darum aufzuzeigen, dass diese Personen auch OHNE Predictive Policing auf irgendeiner Liste stehen würden, dass ist gängige Praxis bei den Bullen.
        Man hätte bessere Beispiele nehmen sollen (gab es keine oder warum ist das nicht geschehen?), zum Beispiel Opfer dieses Vorgehens, die NICHT mit einem Mord in Verbindung standen, wie z.B. Mitgänger einer Demo, bei der es zu Ausschreitungen gekommen ist.

        Auch finde ich nur Angstschürrerei über die Technologie, denn Einbrüche lassen sich dadurch ganz wunderbar reduzieren.
        Zudem ist es doch gut, gerade wenn nicht genug Personal vorhanden ist um alle Problembezirke mit regelmäßigen Streifen abzudecken, wenigstens die vorhandenen effizient einsetzen zu können!
        Ich will auch keinen totalen Überwachungsstaat, aber wenn damals eine Polizeikamera gefilmt hätte wie ein Arschloch mit seiner Scheißkarre beinahe meine kleine Nichte totgefahren hätte und als ich ihm dann auf sein Auto klopfte, woraufhin er austieg und mich niederschlug, wäre ich sehr froh gewesen, denn als ich die Polizei rief stand Aussage gegen Aussage und die Staatsanwaltschaft ließ den Fall fallen…
        Und so rast er weiter…
        #Failing Policing
        Fazit: Die Dokumentation ist einseitig und fällt damit in die Kategorie Filterblase.

        Im Übrigen:
        Das Gehirn kann keine Schmerzen empfinden, da es keine Schmerzrezeptoren besitzt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.