Neuer Datentopf: EU erweitert Strafregister auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose

Fünf biometriebasierte EU-Datenbanken werden in einem „gemeinsamen Identitätsspeicher“ zusammengelegt. Die Verordnungen aller Systeme müssen dafür erneuert werden. Die Möglichkeiten der Behörden werden dabei ausgeweitet.

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Im Fokus der Datenbanken: Drittstaatsangehörige und Staatenlose – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Kevin Ku

Die Europäische Union wird ihr grenzüberschreitendes Strafregister ECRIS auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose erweitern. Darauf haben sich der Rat und das Parlament am Dienstag geeinigt. Der Austausch von Informationen zu strafrechtlichen Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen soll bei der Terrorbekämpfung helfen und ist Teil „der Europäischen Sicherheitsagenda“. Die neue Verordnung, zu der die Kommission vor einem Jahr einen Vorschlag vorgelegt hatte, muss jetzt noch von den beiden Parteien offiziell beschlossen werden. Die Datenbank trägt dann den Namen ECRIS-TCN („third country nationals“).

Das 2012 eingerichtete ECRIS ermöglicht den Austausch von Informationen zu strafrechtlichen Verurteilungen zwischen EU-Staaten. Bislang waren darin nur EU-Staatsangehörige gespeichert. Drittstaatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat verurteilt wurden und in nationalen Datenbanken landeten, konnten sich weiteren Repressalien durch Umzug in einen anderen Mitgliedstaat entziehen. Behörden können sich derzeit nur durch Abfragen bei einzelnen Staaten über frühere Verurteilungen informieren. Das neue ECRIS-TCN soll diese Lücke schließen.

Deutsche Behörden stellen eine Dreiviertelmillion Anfragen

Das ECRIS-TCN wird als zentralisiertes System von der Agentur EU-Lisa verwaltet. Das System speichert und verarbeitet Fingerabdrücke, die über ein sogenanntes AFIS durchsuchbar sind. Auch Gesichtsbilder werden gespeichert. Diese sind aber derzeit noch nicht durchsuchbar und werden deshalb nur für die Verifizierung der Identität eines Drittstaatsangehörigen verwendet. „Sobald dies technisch möglich ist“, soll die automatisierte Gesichtserkennung jedoch laut der Bundesregierung genutzt werden. Vorher soll die Europäische Kommission einen Bericht über die Verfügbarkeit und Eignung einer Gesichtserkennungssoftware sowie die Verhältnismäßigkeit ihres Einsatzes vorlegen.

Eine Abfrage der Datenbank anhand von Personendaten oder Fingerabdruckdaten erfolgt im sogenannten „Treffer/ Kein Treffer-Verfahren“, bei dem die anfragende Behörde zunächst nur über das Vorhandensein etwaiger Verurteilungen informiert wird. Anschließend muss ein Rechtshilfeersuchen zur Herausgabe der Informationen gestellt werden.

Deutsche Behörden haben in den letzten fünf Jahren mehr als Hunderttausend Anfragen der Mitgliedstaaten in ECRIS beantwortet. Im gleichen Zeitraum wurden fast eine Dreiviertelmillion Anfragen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

ECRIS gehört zum neuen „Datentopf“

Das ECRIS gehört gemeinsam mit der Fingerabdruckdatenbank Eurodac, dem Schengener Informationssystem (SIS II) und der Visumsdatenbank (VIS) zu den biometriebasierten Datenbanken, die unter dem Stichwort „Interoperabilität“ zusammengelegt werden sollen. Auch das noch zu errichtende „Ein-/Ausreisesystem“ (EES) soll in diesen „Datentopf“ integriert werden. Herzstück ist ein „gemeinsamer Identitätsspeicher“, in der Fingerabdrücke und Gesichtsbilder mit Personendaten in einer einzigen durchsuchbaren Datei gespeichert sind.

Ebenfalls geplant ist ein „gemeinsamer Dienst für den Abgleich biometrischer Daten“, der jeden neuen Eintrag mit bereits vorhandenen Daten überprüft. Sind zu einer Person bereits Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder vorhanden, werden die qualitativ besseren behalten. Vorgesehen ist außerdem ein einheitliches „Europäisches Suchportal“, das bei einer polizeilichen Anfrage gleich mehrere Datenbanken abfragt. Schließlich soll auch ein „Detektor für Mehrfachidentitäten“ eingeführt werden, der Fingerabdrücke und Gesichtsbilder mit Personendaten abgleicht.

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