Letztes Jahr waren mehr als 76 Millionen Personen und Sachen in der größten europäischen Polizeidatenbank zur Fahndung ausgeschrieben. Das geht aus dem Jahresbericht zum Schengener Informationssystem (SIS II) hervor, den die Europäische Agentur für das Management von IT-Großsystemen (eu-LISA) jetzt veröffentlicht hat. Vor fünf Jahren waren noch 45 Millionen Personen und Sachen im SIS II gespeichert.
Am SIS II nehmen alle 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union teil, außerdem Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz. Die Datenbank wird zwar von eu-LISA verwaltet, liegt aber physisch in Straßburg. Der Zugriff erfolgt über nationale Zentralstellen. Die meisten teilnehmenden Länder verfügen über eine nationale Kopie, die stets aktualisiert wird. Dänemark, Finnland, Liechtenstein, Norwegen und Slowenien nutzen hingegen nur das Zentralsystem.
Deutsche Behörden sind Power-User
Die meisten Einträge im SIS II (20 Millionen) kamen aus Italien, gefolgt von Frankreich (11 Millionen) und Deutschland (über 10 Millionen). Gegenüber der Sachfahndung sind verhältnismäßig wenige Personen im SIS II gespeichert. Über die Hälfte der fast 900.000 Personenausschreibungen (501.996) erfolgten nach Artikel 24 des SIS-II-Ratsbeschlusses, wonach der Aufenthalt oder die Einreise in die EU verwehrt wird. Das SIS II ist also weiterhin hauptsächlich eine Datenbank zur Migrationskontrolle.
An zweiter Stelle der Ausschreibungen von Personen (129.983) stehen verdeckte Fahndungen nach Artikel 36, mit denen diese heimlich in der EU verfolgt werden können. Bei einer Verkehrskontrolle oder einem Grenzübertritt erfährt eine ausschreibende Behörde beispielsweise, wo und mit wem die Person angetroffen wurde und wohin diese gereist sind. Die Speicherung kann durch Polizei oder Geheimdienste erfolgen, die Zahl der Betroffenen steigt jedes Jahr beträchtlich. Der aktuelle Jahresbericht zeigt, dass die Methode zumindest quantitativ sehr wirksam ist: Die verdeckten Fahndungen erzielten ein Drittel aller Treffer.
An dritter Stelle (120.404) stehen Personen, die nach Artikel 34 als Beschuldigte oder ZeugInnen im Rahmen eines Strafverfahrens vor Gericht geladen sind oder denen Schriftstücke zugestellt werden müssen. 71.689 Jugendliche und 35.042 Erwachsene sind nach Artikel 32 als vermisst gemeldet. Schließlich sind im SIS II auch 37.677 Europäische Haftbefehle ausgeschrieben, in rund einem Drittel der Fälle wurden die Gesuchten gefunden.
58 Millionen ausgeschriebene Dokumente
Mit deutlichem Abstand sind jedoch Sachfahndungen im SIS II notiert, darunter 3,6 Millionen Fahrzeuge, 158 Flugzeuge, eine halbe Million Feuerwaffen und 3,3 Millionen Nummernschilder. Größte Kategorie sind die rund 58 Millionen zur Fahndung ausgeschriebener Dokumente, die als gestohlen oder vermisst gemeldet sind.
In 2017 wurde das SIS II mehr als fünf Milliarden mal abgefragt, das sind 158 Abfragen pro Sekunde. Zwar sind nur sehr wenig Personen (1,17 %) ausgeschrieben, jedoch führten diese zu 77% aller Treffer. Behörden aus Frankreich haben mit fast einer Milliarde die meisten Zugriffe vorgenommen, gefolgt von Spanien, Großbritannien und Deutschland (10 %).
Neues Feature: Fingerabdrucksystem
Die EU-Staaten diskutieren derzeit eine umfassende Reform des Schengener Informationssystems. Die Europäische Kommission hat hierzu drei Vorschläge vorgelegt. Im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sollen neue Ausschreibungen und Kontrollen eingeführt und die Zahl der zugriffsberechtigten Behörden erhöht werden.
Im Bereich von Grenzkontrollen sollen verstärkt Fingerabdrücke und Gesichtsbilder genutzt und verpflichtend Einreiseverbote erfasst werden. Hierfür verfügt das SIS II jetzt über ein Fingerabdrucksystem. Für die „Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger“ will die Kommission die Mitgliedstaaten verpflichten, alle Rückkehrentscheidungen in das System einzugeben.
Ich finde im Artikel wird etwas unübersichtlich bis widersprüchlich mit den Begriffen Personen und Einträgen umgegangen.
Einmal waren über 76 Mio. Personen zur Fahndung ausgeschrieben (was fast 15% der EU-Einwohner wären) und dann sind es wiederum 900.000 Personenausschreibungen und später sind von 20 Mio Einträgen für Italien die Rede.
Das hinterlässt leider einen unprofessionellen Eindruck, gerade bei Themen, mit denen man auf etwas aufmerksam machen will. So könnte schnell der Vorwurf der Effekthascherei entstehen, was unnötig und zu bedauern wäre.
Da hast du absolut recht, Danke. Es sind 76 Millionen Einträge insgesamt, Personen und Sachen. Das ging zu Beginn durcheinander.
und die dt. daten kommen vom … bka ?
und das bekommt die daten der polizeidatenbanken der einzelnen bundesländer ?
in denen, nur mal so von wg. dld., viele/mehrere tausend zu unrecht gespeichert sind ?
nein , keine sog. bedauerlichen-/einzelfälle; auch das ist systemisch und strukturell.
zu unrecht (die schreiben „unbescholten“) – es kann jede_n treffen :
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2018/Unbescholten-in-der-Polizeikartei-Jeden-kann-es-treffen,polizeidatenbank100.html
und : nicht alle haben die möglichkeit vor gericht dagegen zu klagen (vgl. nur eines der beispiele im panorama-artikel), damit ein unrechter eintrag dann endlich mal gelöscht wird.
ohgosh
Kategorie Überwachung:
Solange die aufbauende Kritik in den europäischen Staaten oder Länder geduldet wird und von einer fachlich kompetenten Kommission die Aufsicht und Kontrolle über Netz und Internet anvertraut und überwacht wird – können ängstliche Leute ruhig schlafen – und die Internetportale nutzen.
Es ist im Interesse der Staaten, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das die Länder oder Staaten die Aufsicht über das Netz und Internet haben und überwachen.
Wehret den Anfängen war und ist für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer der kluge Weg.
Die fünfte Reform der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Vorratsspeicherung von Finanzdaten) und die kürzlich in Paris abgehaltene Konferenz zum Thema Terrorismusfinanzierung, könnten Abfragezahlen auch noch einmal ansteigen lassen. Bei der Richtlinie gilt die Anweisung, verdächtige Bewegungen zu melden, während Konferenzteilnehmer in Paris sich für eine stärkere Konfiszierung von Barmitteln aussprachen.