Bundespolizei übermittelt Daten aus der Datei „Gewalttäter Sport“ nach Russland

Die Bundespolizei hat 2017 in mehreren Fällen Datensätze aus der so genannten „Hooligandatei“ an russische Behörden weitergegeben. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft, die 2018 in Russland stattfindet, könnten tausende Datensätze auf fragwürdiger rechtlicher Grundlage an das Land übermittelt werden.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Thomas Serer

Die Bundespolizei hat anlässlich des FIFA-Confederations-Cup, der 2017 in Russland stattfand, Datensätze von fünf Personen aus der Datei „Gewalttäter Sport“ an russische Behörden übermittelt. Das geht aus der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar hervor.

Die Abgeordnete kritisiert gegenüber netzpolitik.org, dass die Übermittlung von Daten an russische Behörden einen Präzedenzfall darstelle: „In Russland gibt es keinen mit Deutschland vergleichbaren Datenschutz, was die Voraussetzung für eine Datenübermittlung ist.“ Nach Einschätzung Lazars seien die rechtlichen Voraussetzungen für eine Datenübermittlung nach § 32 Bundespolizeigesetz und § 14 BKA-Gesetz nicht erfüllt.

Im Hinblick auf die in diesem Jahr in Russland stattfindende Fußball-Weltmeisterschaft warnt Lazar: „Im Vorfeld der WM 2018 darf es keinen massenhaften Datenaustausch mit Russland geben, denn die Datei „Gewalttäter Sport“ fußt nicht auf einer ausreichenden rechtsstaatlichen Grundlage.“ Bei den Europameisterschaften in Polen und Frankreich waren tausende Datensätze im Vorfeld an ausländische Behörden übermittelt worden. Russland hat bislang noch kein offizielles Ersuchen an Deutschland für eine solche Datenübermittlung gestellt.

Auch unschuldige Fans gespeichert

Eine kleine Anfrage von Monika Lazar aus dem Jahr 2017 hatte ergeben, dass in der Datei nachweislich unschuldige Fans gespeichert werden. Fast 11.000 Menschen sind bundesweit darin erfasst. Gespeichert werden Daten von der Schuhgröße bis zum gesprochenen Dialekt. Diese Datenbank, in die alle 16 Länderpolizeien und die Bundespolizei Daten eintragen können, steht seit Jahren in der Kritik, weil zahlreiche Menschen in ihr landen, die keine Gewalttäter sind. In die Datei kann fast jeder gelangen, gegen den im Umfeld von Sportveranstaltungen ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Doch es geht nicht nur um Körperverletzung, Landfriedensbruch und Gewaltdelikte – ein Verfahren wegen Beleidigung reicht aus. Andere Personen sind sogar in der Datenbank erfasst, weil die Polizei am Rande von Sportereignissen ihre Personalien aufgenommen hat.

Neben der bundesweiten Datei führen Länderpolizeien und lokale Polizeien zusätzlich eigene Sport-Dateien. Ein Eintrag in einer solchen Datei geht oftmals mit einer Stigmatisierung einher. Bislang gibt es zudem keine Benachrichtigungspflicht. Unberechtigt in der Datenbank gespeicherte Personen können deswegen nur schwer gegen einen solchen Eintrag vorgehen.


Die schriftliche Anfrage und Antwort im Volltext

Frage Monika Lazar:
Wurden anlässlich des FIFA Confederations-Cup 2017 Daten aus der Datei „Gewalttäter Sport“ nach Russland übermittelt, und liegt für die FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2018 bereits ein Datenübermittlungsersuchen der russischen Sicherheitsbehörden vor?

Antwort Bundesinnenministerium:
Die Bundespolizei hat im Sinne der Fragestellung auf Grundlage der bereichsspezifischen Datenübermittlungsvorschriften des Bundespolizeigesetzes anlässlich des FIFA Confederations-Cup 2017 in fünf konkreten Einzelfällen Daten an die russische Grenzbehörde übermittelt.

Ein offizielles Ersuchen der Russischen Föderation zur Übermittlung von Daten aus der Datei Gewalttäter Sport anlässlich der FIFA – Fußball – Weltmeisterschaft 2018 liegt der Bundesregierung, sowie der Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), bislang nicht vor.

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5 Ergänzungen

  1. Rechtsstaat ade, scheiden tut weh…. Nur leider gilt das nicht nur für Deutschland alleine, sondern offensichtlich für die gesamte westliche Welt.

  2. Bilder photografierter Verbrecher werden aus lächerlichen Datenschutzerwägungen erst Monate nach der Tat zur Fahndung genutzt.
    Aber diverse Unrechtsstaaten mit zweifelhafter Gesetzgebung werden locker flockig mit Daten beliefert, wenn sie es nur beantragen.
    Dieser Staat ist nur noch ein Witz.

    1. Dass Deutschland was Menschenrechte angeht ein „besserer Staat“ als Russland sein soll, halte ich für ein Gerücht. Das war mal.

      1. Diese Behauptung hat einen rein polemischen Charakter. Um das zu erkennen müssen Sie nur die Rankings von bekannten Organisationen, die sich mit Menschenrechten beschäftigen, anschauen.
        Als Beispiel nenne ich Freedomhouse, wo Deutschland 95 von 100 Punkten erhält. Dagegen erhält Russland die unterirdische Bewertung 20 von 100 Punkten. Sie werden kein ernst zunehmendes Ranking finden, welches diesen Kontrast nicht aufzeigt.

        1. Diese Organisation hat einen sehr einseitigen Charakter (sie wird überwiegend von der US Regierung finanziert und unterstützt Umstürze in demokratischen Ländern), gibt es auch neutrale Organisationen?

          Ich finde mich z.b. auch besser als dich – aber das ist sicher keine Kriterium

          Und das „In Russland gibt es keinen mit Deutschland vergleichbaren Datenschutz“ ist so nicht richtig. Im gegensatz zu Deutschland dürfen z.b. keine Daten russischer Bürger im Ausland gespeichert werden.
          Daneben hat Russland die Europäische Datenschutzkonvention unterzeichnet und umgesetzt.

          Mehr https://www.datenschutz-notizen.de/anforderungen-an-rechtskonforme-datenverarbeitung-in-russland-3216219/

          Ich finde aber die zusammenarbeit in Punkt Fußballgewalt mit dem Veranstalter der nächsten WM nicht ungewöhnlich, zumal Russland was hooligans angeht ja durchaus ein Problem ist und denen dürfte die NATO-Propaganda egal sein, denen geht es um Klopperei, egal gegen wen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.