Der von der CSU vorgelegte Entwurf für das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) trifft in Bayern auf ungewohnt breiten Widerstand. Erst gestern sind circa 5000 Menschen in Regensburg auf die Straße gegangen. Im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin behauptet der bayerische Innenminister Joachim Hermann nun, dass sich am Einsatz von Handgranaten „gar nichts“ ändern würde. Das stimmt nicht.
Ab Minute 5 sagt Joachim Hermann:
Der Einsatz von Handgranaten „ist eine Befugnis, die seit vielen, vielen Jahren in unserem PAG steht, da ändert sich überhaupt nichts. Es ist letztendlich pure Demagogie, jetzt den Menschen vorzugaukeln als ob wir da irgendwas Neues reinschreiben, da ändert sich gar nichts, da wird auch nichts neues, entsprechend bei Handgranaten und Maschinengewehren ins Gesetz geschrieben“
Jetzt neu: Bestimmte Sprengmittel im Einsatz gegen Personen
Dass der Einsatz von Sprengmitteln, darunter auch Handgranaten, gegen Personen im Polizeiaufgabengesetz (PAG) neu geregelt und ausgeweitet wird, zeigt der Fragenkatalog, den die sachverständigen Juristen für die Anhörung am 21. März im bayerischen Landtag vorgesetzt bekamen.
Dort findet sich im dritten Teil unter „Ergänzungen“ polizeilicher Befugnisse die Frage:
„Halten Sie die Regelung des Art. 86 Abs. 1 Satz 2 PAG-E, wonach besondere Sprengmittel, wie z.B. Handgranaten, gegen Personen in bestimmten Sachlagen zulässig ist, für verhältnismäßig und – gemessen an den rechtsstaatlichen Geboten der Normenklarheit und Bestimmtheit – auch für bestimmt genug?“
Ob der polizeiliche Einsatz von bestimmten Sprengmitteln gegen Personen nun zulässig und verhältnismäßig ist, dazu mag man unterschiedlicher Meinung sein. Die CSU selbst hält es für eine „moderate Absenkung der Einschreitschwelle“, so steht es im Gesetzentwurf.
Trick #2 : Handgranaten sind jetzt Explosivmittel
Joachim Hermann nutzt aus, dass der Laie nicht zwischen Handgranaten und sonstigen Explosivmitteln unterscheidet, um zu behaupten, dass sich gar nichts geändert hätte. Das ist schlicht falsch. Tatsächlich liegen die Änderungen zum Einsatz von Sprengmitteln, darunter Handgranaten, in der neu geschaffenen Definition von „Explosivmitteln“ versteckt. Bereits Anfang der Woche haben wir berichtet, wie die CSU ihr Fähnchen im Wind gedreht hat und neuerdings behauptet das Polizeigesetz würde in erster Linie Datenschutzrichtlinien umsetzen, was ebenfalls nicht stimmt.
Bisher gelten Handgranaten als Waffen. Als solche dürfen sie tatsächlich, unter engen Auflagen, schon jetzt gegen Personen eingesetzt werden. Sprengmittel hingegen dürfen, im Gegensatz zu Waffe, nicht gegen Personen verwendet werden.
Nun hat die CSU das Spektrum der zulässigen Waffen im Einsatz gegen Personen ausgeweitet, indem sie Handgranaten und einen Teil der Sprengmittel zu „Explosivmittel“ umdefiniert hat und deren Einsatz gegen Personen pauschal erlaubt hat. Markus Thiel, Professor für Polizeirecht an der Deutschen Hochschule der Polizei, sagt dazu gegenüber netzpolitik.org: „Mit der Ermöglichung des Einsatzes von Explosivmitteln ist das Spektrum der zulässigen Einsatzmittel durchaus erweitert worden“.
Explosivmittel sind fortan laut PAG-E Art.78, Abs. 5 „besondere Sprengmittel, namentlich Handgranaten, Sprenggeschosse, die aus Schusswaffen verschossen werden können und sonstige explosionsfähige Stoffe, die vor Umsetzung von einem festen Mantel umgeben sind“. Diese dürfen ausdrücklich gegen Personen verwendet werden. Voraussetzung ist, dass „der vorherige Gebrauch anderer Waffen durch die Polizei ersichtlich aussichtslos oder unzureichend ist.“ In der Praxis dürften das die Polizeibeamten relativ frei handhaben, denn im PAG-E heißt es: „Explosivmittel dürfen bei Gefahr im Verzug auch ohne vorhergehende Zustimmung eingesetzt werden“.
Die Abgrenzung von Explosiv- zu Sprengmitteln ist eine juristische Konstruktion und dient vor allem der Ausweitung des Spektrums der zur Verfügung stehenden Waffen für die Polizei. Selbst im CSU-Gesetzentwurf steht, dass es „faktisch zwischen Explosiv-und Sprengmitteln Überschneidungen geben mag“.
Hermanns Täuschungsmanöver
Die Behauptung von Joachim Hermann, es würde sich gar nichts am Einsatz von Handgranaten ändern, ist eine dreiste Täuschung. Tatsächlich ist die Änderung nicht so leicht erkennbar, denn die CSU hat den Begriff der „Explosivmittel“ neu eingeführt und im gleichen Schritt Handgranaten umdefiniert: Bisher gelten sie als Waffen, nun zählen sie zu den Explosivmitteln. Klar ist: Mit der neuen Kategorie „Explosivmittel“ hat die CSU das Spektrum der zulässigen Einsatzmittel gegen Personen erweitert, denn darunter fallen auch Sprengmittel, die bisher nicht im Einsatz gegen Personen zugelassen waren.
An der Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von bestimmten Sprengmittel gegen Personen gab es teilweise erhebliche Bedenken von den Sachverständigen Juristen. Die CSU hat das Vorhaben in ihrem Gesetzentwurf verteidigt und Gründe für die Notwendigkeit angeführt. Dass Innenminister Joachim Hermann nun im ZDF-Interview abstreitet, dass es überhaupt eine Änderung gab, ist eine Täuschung der Bürgerinnen und Bürger.
Das ist ein starkes Stück, wenn der Staat Handgranaten – meinet wegen auch „Sprengmittel“ genannu gegen die eigenen Bürger einsetzen will!
Gehts noch?
Es wäre nicht verkehrt,
den Gesetzesentwurf tatsächlich zu lesen. Das kann man hier, im ORIGINAL:
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000013000/0000013038.pdf
(Der mögliche Einsatz von Explosivmitteln wird im Zusammenhang von terroristischen Angriffen genannt, wie sie z.B. in Belgien und Frankreich stattfanden.“
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Vielleicht meint „history repeating“,
der Staat, die Polizei sollten bei diesen Terrorangriffen einfach zusehen, abseits stehen, anstatt die Bürger zu schützen und Terror einfach akzeptieren.
Textauszüge, nachzulesen hier:
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„in Ansehung der Erfahrungen mit der Bekämpfung schwerbewaffneter Terrorzellen in Frankreich und Belgien sowie mit Terroranschlägen, bei denen schwere Fahrzeuge wie Lkw als Tatmittel verwendet wurden, die Ermöglichung des Einsatzes von Explosivmitteln – ähnlich der künftig vorgesehenen Regelung in Baden-Württemberg“
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Die Abs. 1 und 2 werden durch die folgenden Abs. 1 bis 3 ersetzt: „(1) 1Maschinengewehre dürfen gegen Personen nur in den Fällen des Art. 84 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 angewendet werden, wenn 1. diese Personen von Schusswaffen oder Sprengmitteln Gebrauch gemacht haben und 2. der vorherige Gebrauch anderer Waffen erfolglos geblieben ist. 2Der Einsatz von Explosivmitteln gegen Personen ist bereits dann zulässig, wenn diese selbst erkennbar den unmittelbaren Gebrauch von Schusswaffen, Sprengmitteln oder anderer, im Einzelfall vergleichbar gefährlicher Mittel beabsichtigen und der vorherige Gebrauch anderer Waffen durch die Polizei ersichtlich aussichtlos oder unzureichend ist. (2) 1 Einsätze nach Abs. 1 bedürfen der Zustimmung des Landespolizeipräsidenten….
2 Explosivmittel dürfen bei Gefahr im Verzug auch ohne vorhergehende Zustimmung eingesetzt werden; das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ist unverzüglich zu unterrichten. (3) 1Maschinengewehre und Explosivmittel dürfen nicht gebraucht werden, 1. um fluchtunfähig zu machen oder 2. gegen Personen in einer Menschenmenge. 2 Andere Sprengmittel dürfen nicht gegen Personen angewendet werden.“
Vielleicht meint Max Hualo, daß es besonders schlau wäre LKWs, die durch Menschenmengen fahren, noch Handgranaten hinterherzuwerfen, um die Opferzahlen nach oben zu korrigieren.
Staatsgewalt kann auch tödlich sein. Verwundert mich jetzt etwas, dass einige davon ausgehen, dass dies nicht geregelt sein sollte. Vielleicht mal diesen Artikel überfliegen: https://de.wikipedia.org/wiki/Unmittelbarer_Zwang
Die Qualität des Artikels würde ich am besten mit „Gering“ beschreiben.
@ Hans
Etwas zu regeln kann vieles bedeuten: Man kann es erlauben oder verbieten. Natürlich kann Staatsgewalt tödlich sein und muss daher geregelt werden. Aber das kann auch beinhalten, dass man tödliche Staatsgewalt stark einschränkt. Der Idealfall ist, dass die Zwangsmittel des Staates eben nicht tödlich sind. Der Einsatz potenziell tödlicher Zwangsmittel sollte so selten wie möglich erfolgen und auch nur dann, wenn es wirklich nicht mehr anders geht.
Was im Artikel beschrieben wird, ist die Ausweitung des Einsatzes solcher Mittel. Das ist wiederum nicht einfach das Regeln einer sowieso vorhandenen Praxis, sondern das Verändern bereits geltender Regeln (hier wohl eher: Das Aufweichen). Wenn der Gesetzgeber das nicht offen zugibt, muss man sich schon fragen, was er da verbergen möchte. Sodann darf man eben auch nach der Verhältnismäßigkeit fragen. Dem Staat kritisch auf die Finger zu schauen, sollte eigentlich in einer Demokratie eine Tugend sein, ist aber offenbar aus der Mode gekommen, aus dem Glauben heraus, Gummiknüppel und Staatstrojaner beträfen ja eh nur die „Bösen“ und nicht „uns Unbescholtene“.
Hi Hans, in den Gutachten der sachverständigen Juristen wird beispielsweise auf die Gefahr für unbeteiligte Personen eingegangen.
Der Sachverständige Kurt Graulich, ehemals Richter am Bundesverwaltungsgericht schreibt, dass durch die neue Regelung „die Möglichkeit, Explosivmittel sogar gegen Menschenmengen einsetzen zu können (…), nicht ausdrücklich ausgeschlossen, was größten Bedenken begegnet“. Außerdem „erscheint es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bedenklich, den Einsatz von Explosivmitteln pauschal an die gleichen Voraussetzungen zu knüpfen wie den Einsatz von Schusswaffen“.
Auch der Sachverständige Markus Löffelmann, Richter am Oberlandesgericht München hält den Einsatz von Sprengmittel gegen Personen für „in hohem Maße verfassungsrechtlich problematisch“, da Sprengmittel stets eine Gefahr für unbeteiligte Personen darstellen.
Liebe Marie Bröckling,
vielen Dank für Ihre Recherchen und Ihr Engagement.
Vielen Dank für die gute Arbeit von Netzpolitik.org.
Bayern braucht Hilfe.
handgranaten, explosivmittel – ich glaub es hackt.
ja nee klar dass der bayer. demagoge per projektion berechtigte nachfrage als demagogie bezeichnet – politisches gaslighting a la DT.
das ist doch toll, so funktioniert abschreckung der bevölkerung !
und zwar aller, die auf eine demo gehen oder gehen wollen.
ich kann’s nicht mehr hören, deutschland sei eine sozial-demokratie.
das ist (für mich) de facto vorbei.
vgl. auch PAGs BaWü, Hessen, Sachsen …
outrage fatigue vs. „empört euch !“
Von 8 im Dienst durch Schußwaffen ums Leben gekommene Polizisten wurden 5 von Kollegen erwischt.
Das Problem liegt eher in der Ausbildung, als in der Bewaffnung.
Wen stören schon Fakten, wenn er Wahlkampf machen will.
https://taz.atavist.com/polizeitote
hallo,
..nach „Sender Gleiwitz“- Part 2 (NY), jetzt „Weimar“- Part2..;;
Bei der Armee it’s schon mal in der Ausbildung vorgekommen, dass Handgranaten ( ohne Sprengmittel) senkrecht , unzwar nach oben , geworfen wurden…
Soll das der Polizei auch passieren?
Quel bordell !
Der alghorithmus „denkt“( tut so) , wie er soll. Nicht wie man spricht.
KI hängt eben von der Intelligenz – versus Unintelligenz der Implementation ab.
Habe ich oder die Autorin etwas falsch verstanden?
Im Artkel schreibt die Autorin selbst, dass der Einsatz von Handgranaten gegen Personen schon bisher erlaubt war. Das bedeutet, dass sich hinsichtlich der Handgranaten auch nichts geändert hat und somit auch die Aussage von Minister Hermann richtig ist.
Was sich geändert hat ist doch, dass man noch weitere Mittel einsetzen könnte, die aufgrund der Formulierung „Explosivstoffe“ unklar definiert sind.
Ich denke, dass man auch bei kritischer Haltung bei den Fakten bleiben sollte.
Äh. Ja – das habe ich auch nicht verstanden. Was soll sich jetzt genau beim Einsatz von Handgranaten ändern?
Was sich noch geändert hat: Es wurden neue Szenarien für den Einsatz von Explosivmitteln berücksichtigt. Im Gesetzentwurf schreibt die CSU, es gebe damit eine „moderate Absenkung der Einschreitschwelle“.
Hallo,Neues Polizeigesetz in Bayern,Also das gibst schon Lange,viele wissen das nicht,die Polizei in ganz Deutschland darf ohne konkreta Verdacht und Beweise,die braucht nur zu meinen das dieser Person Straftaten begeht und dann kann Sie sein Handy abhören seine Daten ausspioniren,und was noch schlimmer und kriminell ist,Sie kann seine Daten Fälschen um ihn was anzuhängen,wenn Sie was gegen dieser Person Hat um ihn ins Gefängnis zu sticken.Sie darf eine Hausdurchsuchung machen ohne das Gefahr im verzug ist,Sie darf Personen ohne konkrete Verdacht ohne Beweise bis 6 Monate im Gefängnis sticken.Sie darf das alles ohne Richterliche Genehmigung machen.Adio Rechtsstaat;von wegen Menschenrechte,und Deutschland zeigt immer mit dem Finger auf andere Länder.Eine Schande für Deutschland.