Das Videoportal Youtube hat die Verbreitung eines Videos eingeschränkt, das Gewalthandlungen gegen das Künstlerkollektiv Zentrum für politische Schönheit (ZPS) zeigt. Das Video ist in Deutschland, weiten Teilen von Europa und in französischen Überseeterritorien nicht mehr verfügbar. Für Nutzer aus anderen Ländern wird ein Warnhinweis gezeigt, gleichzeitig sind Kommentare, Teilen und das „Mag ich“-Symbol deaktiviert. (Update: Das Video ist jetzt wieder normal verfügbar.)
Die Künstler hatten vor knapp zwei Wochen dem rechtsradikalen AfD-Politiker Björn Höcke ein kleines Holocaust-Mahnmal neben sein Wohnhaus gestellt und behauptet, dass sie ihn zehn Monate überwacht hätten. Neben einer kontroversen medialen Debatte, kam es vor Ort zu Angriffen auf Journalisten und Künstler, Drohanrufen sowie Vandalismus am Kunstwerk selbst. Am vergangenen Wochenende zerstachen Unbekannte die Autoreifen von Mitgliedern des Kollektivs. Diese Gewalt zeigt das Video in einem Zusammenschnitt.
Die Begründung für die jetzige Einschränkung bleibt sehr vage. In der Nachricht von Youtube an das ZPS, die netzpolitik.org vorliegt, heißt es: „Strikt verboten sind auf YouTube jedoch Hassreden oder Inhalte, die zu Gewalt auffordern oder diese verherrlichen. Gemeldete Videos, die nicht eindeutig gegen die Community-Richtlinien verstoßen, aber potenziell kontroverse oder beleidigende Inhalte zeigen, bleiben in einigen Fällen verfügbar, einige Funktionen werden jedoch deaktiviert.“
Das Video ist lediglich ein Zusammenschnitt von Aufnahmen des MDR, von Spiegel TV, einem Livestream der rechtsradikalen Compact-Konferenz und von den Webcams, die am Mahnmal in Bornhagen installiert sind. Letztere Aufnahmen zeigen Versuche der Zerstörung eben dieser Kamera und einer der aufgestellten Stelen. Kritisch am Video des Zentrums könnte Youtube einzig die namentliche Nennung von Björn Höckes Webmaster bewertet haben. Dieser ist als Teil eines rechten Mobs auf dem Video zu sehen, der die anwesenden Journalisten bedrängt und beschimpft. Doch die Begründungen des Unternehmens sind so allgemein, dass die Urheber gar nicht wissen können, was sie denn falsch gemacht haben und wie sie die Einschränkung wieder loswerden können.
Maßnahmen gegen Künstler von Youtube, Facebook und Vimeo
Die jetzige Einschränkung ist nicht das erste Vorgehen von sozialen Netzwerken gegen die Aktionskünstler. Zuletzt sperrte Youtube vorübergehend deren gesamten Account, hob aber die Sperre nach Berichterstattung kurzfristig wieder auf. Dann belegte Facebook nach Angaben des Zentrums für politische Schönheit dessen künstlerischen Leiter Philipp Ruch kurzfristig mit einer Sperre. Auch diese wurde nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Facebook entschuldigte sich später gegenüber Ruch für die „versehentliche Löschung“ eines Posts.
Auch die Videoplattform Vimeo hat ein Video zur Aktion gelöscht. Auf diese Plattform waren die Künstler ausgewichen, als Youtube ihren Kanal zeitweilig dichtmachte. Vimeo begründete das Herunternehmen damit, dass das Video die Privatsphäre eines Dritten verletze.
Wenn Konzerne anfangen, Kunst zu drosseln
Bei allen Interpretationsmöglichkeiten wirft das Vorgehen der sozialen Netzwerke zum wiederholten Male die Frage auf: Wer darf kontrollieren, was in der Öffentlichkeit sichtbar sein soll? Welche Mechanismen bestimmen die Moderationsentscheidungen marktdominanter Datenkonzerne? Können gut organisierte Netzwerke durch massenhaftes Melden den Lösch- oder Sperrprozess beschleunigen? Ist es legitim, dass Youtube & Co die Verbreitung von umstrittener Kunst drosseln? Und was heißt das für die Zukunft der Kunst?
Bei politischen Videos hingegen, etwa wenn der Präsident der Vereinigten Staaten brachiale Gewaltvideos herumreicht, dann hat das Neuigkeitswert, dann bleibt auch stehen, was glasklar gegen die Community-Richtlinien verstößt. Die fehlende Transparenz der Plattformen wird hier mit doppelten Standards fortgeführt.
Für Aktionskünstler und Aktivisten zeigt das Beispiel der inhaltlichen Eingriffe, dass die sozialen Netzwerke mittlerweile Inhalte sehr schnell herunternehmen, auch wenn diese nicht zweifelsfrei als strafrechtlich relevant einzuschätzen sind. Nur wer sich wie das ZPS lautstark und medienwirksam wehrt, kann auf die Wiederherstellung seiner Inhalte drängen.
Update, 5.12.
Youtube hat das Video in der Nacht auf den 5.12. wieder auf normal verfügbar geschaltet.
Hier könnte der Hinweis auf den Tor-Browser dienlich sein, damit man sich das Video weiterhin ansehen und sich eine Meinung bilden kann.
Reicht nicht das VPN in Opera.
Z.B. auf USA stellen…
Ist auch schneller
Kann man denn Opera wirklich vertrauen, dass sie keine Logs anlegen und ggf. weitergeben? VPN über einen US-Server fiele mir jedenfalls im Traum nicht ein. Da kann ich ja gleich zur NSA tunneln.
Bei Zensurmaßnahmen reagiert der Bürger empfindlich. Es würde erreichen, auf das gelöschte Video zu verlinken. Shit-Stürme regeln das vollautomatisch.
„Für Aktionskünstler und Aktivisten zeigt das Beispiel der inhaltlichen Eingriffe, dass die sozialen Netzwerke mittlerweile Inhalte sehr schnell herunternehmen, auch wenn diese nicht zweifelsfrei als strafrechtlich relevant einzuschätzen sind. “
mE dürften die Videos zweifelsfrei strafrechtlich relevant sein (§ 33 KUG). Ausnahmen nach § 23 KUG sind nicht einschlägig, insbesondere nicht § 23 Abs.1 Nr.3 KUG, da diese Vorschrift nicht das Herausheben einzelner Personen erlaubt (was das Video aber tut).
Klar, die Erlaubnis muss erst dreischlägig vom Ordnungsamt geholt werden, eingescannt und bei Youtubes „Schwarzes Loch für Deine Rechte“ hochgeladen werden. Wie gerne hätte ich auch eine 1st amendment!
War das jetzt ein Gegenargument?
Leider hat Satire kein Gewicht als Argument gegen die Gesetze ;-( Ich finde es nur schade, dass das Recht am eigenen Bild gegen das Recht der Meinungsfreiheit ausgespielt werden könnte, vor allem da es im Video nicht primär um die Privatperson des Webadmin geht (wie aus dem Text zu schließen). Da privatisierte Zensur aber inzwischen schon so weit verbreitet ist, kann wohl ein Rechtsstreit ausgeschlossen werden, zumal der Schaden ja schon geschehen ist (Video gesperrt). Deshalb mein Wunsch nach stärkerer Meinungsfreiheit in Europa und vor allem Deutschland, doch dafür müsste erstmal vom Glauben abgerückt werden, in jedem Fitzelchen Eigentum sehen zu müssen.
„Leider hat Satire kein Gewicht als Argument gegen die Gesetze“
Das sollte in einem Rechtsstaat auch so sein, finden Sie nicht?
„Ich finde es nur schade, dass das Recht am eigenen Bild gegen das Recht der Meinungsfreiheit ausgespielt werden könnte“
Die beiden Rechte werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern unsere Rechtsordnung versucht, sie in Einklang zu bringen (praktische Konkordanz)
„vor allem da es im Video nicht primär um die Privatperson des Webadmin geht“
Rechtlich ausreichend ist, dass einzelne Personen hervorgehoben werden, auch wenn dies nicht der Schwerpunkt des Videos sein mag.
„Da privatisierte Zensur aber inzwischen schon so weit verbreitet ist, kann wohl ein Rechtsstreit ausgeschlossen werden, zumal der Schaden ja schon geschehen ist “
Da gebe ich Ihnen Recht, privatisierte Zensur ist ein großes Problem. Allerdings meine ich, dass hiergegen im gegenwärtigen gesetzlichen Rahmen schon einiges getan werden könnte. Mit sozialen Netzwerken hat man ein vertragliches Verhältnis, und damit grundsätzlich einen vertraglichen Anspruch darauf, dass Inhalte nicht gelöscht werden. Diesbezügliche Vertragsbedingungen wären im Lichte der GG/GrChr-Grundrechte auszulegen (mittelbare Drittwirkung), kartellrechtliche Erwägungen könnten jedenfalls bei Facebook und Youtube auch eine Rolle spielen. M.W. sind bereits zivilrechtliche Gerichtsverfahren in Gange, in denen gegen die Löschung von Beiträgen/Accounts geklagt wurde. Was hierbei rauskommt, bleibt abzuwarten, aber aussichtslos sind entsprechende Klagebegehren wohl nicht.
„doch dafür müsste erstmal vom Glauben abgerückt werden, in jedem Fitzelchen Eigentum sehen zu müssen.“
Kommt drauf an, was sie mit Eigentum meinen. Beim Urheberrecht z.B. bin ich völlig einer Meinung mit Ihnen; erfreulich ist, dass Entscheidungen wie BVerfG „Metall auf Metall“ da in die richtige Richtung gehen. Beim Persönlichkeitsrecht bin ich anderer Meinung, gerade wenn wie beim ZPS unter dem Vorwand der Kunstfreiheit durch politischen Aktivismus in die persönliche-soziale Sphäre empfindlich eingegriffen wird und auch vor Straftaten nicht zurückgeschreckt wird.
Bei Prominenten oder Personen die in der Öffentlichkeit stehen ist das nicht erforderlich.
Und dazu könnte man sogar den Webmaster zählen, wenn der sich da beteiligt…
Video is bei youtube wieder online, bei vimeo anscheinend ganz gelöscht, mh
Aber wichtiger scheint mir sowieso auch mal dieses Video zu pushen, vor allem vonwegen der „Überwachung“
Danke für den Hinweis, Artikel hat jetzt ein Update.
Übrigens wollte ich dann noch auf dieses Video am Ende verlinken, aber wohl Link vergessen :)
https://www.youtube.com/watch?v=kCatPwK42EI
Sehr gut! Das sind/das ist kein/e Künstler, das ist Vandalismus. Ich begrüße ausdrücklich diese Haltung von youtube.
Welche Haltung? Es gibt keine moralischen Gründe für Youtube Videos zu entfernen oder auf der Plattform zu behalten. Dahinter stehen rein wirtschaftliche Interessen. Solange mit Videos Geld verdient werden kann – also Werbekunden gebunden werden – und es nicht gegen geltendes Recht verstößt (wobei ich hier nicht so sicher wäre) ist aus Unternehmenssicht alles Peng.
Können wir an dieser Stelle einfach mal festhalten, dass es kein Recht darauf gibt, Inhalte auf Plattformen wie YouTube oder Vimeo verbreiten zu dürfen?
YouTube ist KEIN öffentlicher Raum! Ich kann zwar eine Demo auf dem Marktplatz abhalten, aber nicht vor der Rolltreppe im Karstadt, ohne ein Hausverbot zu riskieren. Wenn ich mich im nächsten Starbucks auf einen Tisch stelle und mein kapitalismuskritisches Gedicht herausschreie, werde ich auch dort rausfliegen. Ist doch auch jedem klar, oder?
Dann hostet man das Video halt selbst, fertig.
Nur weil youtube kapitalistisch ist, heißt das ja nicht, dass es kein öffentlicher Raum ist.
Öffentliche Räume in der Stadt werdenschließelich auch immer mehr vom Kapitalismus durchzogen.
Und wenn mal nur auf die Gesellschaft geschaut wird, dann hat youtube einfach eine faktische Öffentlichkeitswirkung.
Artikel über Youtube-KI bei der Zeit: „Das maschinelle Lernen helfe menschlichen Prüfern, fast fünf Mal mehr Videos zu entfernen. Seit Juni seien 150.000 Videos wegen gewalttätigem Extremismus gelöscht worden. Inzwischen würden 98 Prozent davon von den selbstlernenden Maschinen aufgespürt.“
> „Wer darf kontrollieren, was in der Öffentlichkeit sichtbar sein soll?“
Das sind dann wohl diejenigen, die für Geldeingang sorgen: „YouTube wurde von Werbekunden unter Druck gesetzt […]“ – es sind halt rein wirtschaftliche Interessen.
http://www.zeit.de/digital/internet/2017-12/youtube-extremismus-gewalt-personal-kuenstliche-intelligenz
Also mal wieder Quantität vor Qualität. Entspricht ja dem Zeitgeist.
Man kann ZPS nur gratulieren für das gelungene Gesamtkunstwerk.
Die realisierte Effektivität dieser Kunst-Aktion ist überragend.
Sogar die KI-Algos von Youtube werden entlarvt. Das ist einfach nur großartig und unübertroffen.
Ich schlage vor, dem Youtube CEO einen kunstvollen Nasenring zu verleihen, um ihn noch schöner durch die digitale Manege ziehen zu können. Oder aber ein künstliches Gehirn, inklusive Youtube-Video in eigener Sache.
Habe ich mich verhört, oder faselt der besorgte Bürger während der Kamerademontage tatsächlich etwas von „Höcke’s Totenkopfstandarte“? Würde ja passen:
„Die SS-Totenkopfverbände wurden damit in der Zeit des Nationalsozialismus eine der zentralen staatlichen Exekutivinstitutionen zur Unterdrückung Andersdenkender oder aus ideologischen Gründen der NSDAP unerwünschter Personen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/SS-Totenkopfstandarte
Die Bezeichnung „Künstler“ finde ich ziemlich daneben: Die Übergriffe richteten sich schließlich auch gegen Höckes Familie und da hört die Kunst auf. Es handelt sich schlicht um Stalker, die Höcke auch noch politisch nutzen: Wer auch den Übergriff auf Menschen, deren einzige „Tat“ darin bestanden hat, mit Höcke verheiratet oder auch nur verwandt zu sein gut findet, hat die Positionen der AfD ohnehin immer schon aufs Schärfste abgelehnt. AfD-Anhänger wiederum werden sich bestätigt sehen. Diejenigen aber, die noch schwanken, dürften durch diese Aktion eher abgeschreckt werden. „Nazis müssen mit Nazimethoden bekämpft werden!“, sagt der Anführer des ZPS, aber die Methode der Sippenhaft richtet sich eben nicht gegen Rechte allein. Diese „Kunst“ führt dazu, dass jene überzeugten AfD-Gegner, die nicht mehr abwägen dem ZPS zujubeln, während Höcke still grinsend die Stimmen erntet, ohne irgendein politisches Programm dafür anbieten zu müssen oder sich auch nur im Geringsten zurückhalten zu müssen. Schließlich besorgen ja Leute, denen „Fame“ wichtiger ist als politischer Landgewinn die Arbeit für ihn.
@Thorben Meyer
Löblich wie Sie als Musterbürger Herrn Höcke nebst Familie und Anhang beistehen .Wie Sie wissen sollten ist Stalking ein Straftatbestand.
Sicherlich haben Sie auch gerichtsfeste Beweise gegen Mitglieder der ZPS für diese Behauptung,ansonsten sollten Sie sich mit solchen Aussagen die verleumderisch ausgelegt werden könnten zurückhalten ,auch wenn Sie zur Ünterstützung von Höcke und Co. gerne den Hobbyjuristen mimen und nach Ihrer Vorstellung auch noch das alleinige Urteilsrecht besitzen, was als Kunst zu definieren ist und was nicht.
@wesendlich: Auch wenn Sie glauben Ihre polemische Antwort wäre von sachlicher Richtigkeit, so sehen es auch andere ganz ähnlich wie Herr Meyer http://www.fr.de/kultur/kunst/mahnmal-vor-hoeckes-haus-symbolpolitisches-stalking-a-1393975
Und Sie haben Recht Stalking ist ein Strafbestand. Höcke hat daher zwei Möglichkeiten, entweder dem ZPS noch mehr mediale Aufmerksamkeit zu schenken oder es einfach dabei zu belassen und die Bevölkerung entscheiden zu lassen. Und dann passiert genau das, was „Hobbyjurist“ Herr Meyer geschrieben hat (falls Sie in ihrer Aufgeregtheit überhaupt mehr als den 1. Satz gelesen haben), die Höcke vorher neutral wahrgenommen haben, könnten Sympathien für ihn entwickeln.
Das Hauptproblem der AFD ist meiner Ansicht das sie viel zu viel öffentlich gehypt wird. Und genau solche Aktionen helfen denen dabei. Denn eigentlich haben die nicht viel zu bieten, werden aber trotzdem immer wieder mit grossen Tamtam öffentlich zelebriert.
@struppi
Zu Ihrem Artikel gibt es auch andere Sichtweisen.
z.B.
“ Geràrd • vor 16 Tagen
Ja, Herr Nutt, mit Ihrem Beitrag schaffen Sie es tatsächlich, die Dinge auf den Kopf zu stellen, wenn Sie von der Verrohung der politischen Sitten durch das ZfpS sprechen und die Persönlichkeitsrechte eines ausgemachten Nazis diskutieren wollen, der sich bei politischen Gegnern bei seinen Hetzreden um selbige noch nie geschert hat.
Glüchwunsch zu Ihrem journalistischen Affentheater.“