Keine erfolgreiche Digitalwirtschaft ohne Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer. Unter diesem Motto kamen bei einem internationalen Verbraucherschutzgipfel gestern in Berlin über 200 Vertreterinnen und Vertreter von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammen. Bei einer Pressekonferenz präsentierten Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, und Amanda Long, Vorsitzende der weltweiten Dachorganisation Consumers International zehn Empfehlungen [PDF], die in die Abschlusserklärung des G20-Treffens Anfang Juli in Hamburg einfließen sollen.
Erstmals auf die Agenda setzte das Thema im vergangenen Jahr die chinesische G20-Präsidentschaft. In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der Gruppe und laut Pressekonferenz ambitionierte Pläne: „Unser Ziel ist es, dem G20-Gipfel in Hamburg einen deutlichen Verbraucherschutz-Stempel aufzudrücken“, so Müller. Es wäre ihm zufolge das erste Mal, dass die G20-Staaten sich gemeinsam zu Verbraucherrechten in der digitalen Welt bekennen.
Update-Garantie für digitale Technik
Auch für die Bundesregierung habe das Thema Priorität, betonte bei der Pressekonferenz Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Es könne nicht sein, wenn Nutzer sich selbst darum kümmern müssten, an Sicherheitsupdates zu kommen. Er sieht die Unternehmen in der Verantwortung, zügig sicherheitsrelevante Updates auszuspielen, nahm Billen insbesondere Smartphone-Hersteller in die Pflicht.
Insgesamt brauche es dem Staatssekretär zufolge in der digitalen Welt ein neues Verständnis von Produktverantwortung. Sicherheit hänge bei vernetzten Geräten nicht mehr nur von der Hard-, sondern auch von der Software ab. In den Empfehlungen der Verbraucherschutzorganisationen heißt es dazu unter anderem:
Es sollten internationale Standards erarbeitet werden, die Unternehmen über einen festgelegten und angemessenen Zeitraum dazu bringen, für digitale Produkte auch nach dem Verkauf nötige Sicherheitsupdates anzubieten. Durch klar geregelte Haftungsbestimmungen sollte gewährleistet werden, dass Verbraucher im Falle einer Beeinträchtigung infolge von Sicherheitsproblemen im vollen Umfang entschädigt werden.
Datenschutz zentral
Weitere Forderungen der Verbraucherschützer beziehen sich etwa auf transparente und faire Vertragsbedingungen, Zugangsgerechtigkeit und Inklusion, den Schutz vor Betrug und Missbrauch sowie die effektive Durchsetzung von Rechten.
Auch das Thema Datenschutz spielt eine zentrale Rolle. Es gebe derzeit eine Schieflage, in der Unternehmen alles über Verbraucher wissen, diese aber umgekehrt wenig über die Unternehmen wüssten, so vzbv-Vorstand Müller.
Die Empfehlungen an die G20-Gruppe enthalten deshalb auch Punkte zu informationeller Selbstbestimmung und Privacy by Design. Ein Abschnitt widmet sich dem Thema algorithmischer Entscheidungen:
Es sollte deutlich gemacht werden, wie durch Algorithmen, die die Qualität oder den Preis beeinflussen oder Zugang zu einem Dienst ermöglichen, Entscheidungen über sie getroffen werden. Behörden sollten dafür sorgen, dass die Verwendung von Algorithmen im Rahmen der Gesetze erfolgt. Es darf keine Diskriminierung stattfinden, etwa indem auf der Grundlage sensibler Informationen zu ethnischer Herkunft, Geschlecht oder Religion nachteilige Entscheidungen getroffen werden. Es sollten entsprechende Regelwerke gelten, die gegebenenfalls Rechte zur Anfechtung automatisierter Entscheidungen beinhalten.
Internationale Umfrage: Drei Viertel der Menschen sorgen sich um ihre Daten
Wie wichtig es wäre, Verbraucherrechte im Rahmen der G20 zu stärken, demonstrierten die Verbraucherschützer unter anderem anhand einer repräsentativen Umfrage [PDF], die in Argentinien, China, Deutschland, Frankreich, Südafrika und den USA durchgeführt wurde. 72 Prozent der Menschen machen sich nach Angaben der Verbraucherschützer Sorgen, dass Unternehmen ihre Daten sammeln. 59 % glauben nicht, dass neue digitale Technologien sicher sind.
Ein zentrales Argument der Verbraucherschützer ist dabei immer wieder, wie wichtig das Vertrauen der Menschen in die digitale Welt sei, damit sie neue Produkte und Dienstleistungen überhaupt erst nutzen. 39 Prozent der Befragten hätten aus einem Gefühl der Unsicherheit online bereits bewusst falsche biographische Angaben über sich gemacht. Fast ein Viertel der Befragten (23 Prozent) sagte, aus Sicherheitsbedenken online weniger Finanztransaktionen vorzunehmen und ein gutes Viertel (21 Prozent), online weniger einzukaufen. Jede*r 10. gab an, das Internet deshalb seltener zu benutzen (11 Prozent). In Anbetracht der Internationalität der Umfrage durchaus beachtliche Werte.
Hoffentlich mehr als Sonntagsreden
Auch Staatssekretär Billen verwies darauf, dass man bei der internationalen Verhandlung über die Themen Daten- und Verbraucherschutz durchaus auf unterschiedliche Kulturen treffe. „Was bei uns ein Grundrecht ist, ist in anderen Staaten Handelsware“, so Billen in Hinblick auf Daten.
Am 7. April wird es ein Treffen der G20-Digitalminister in Düsseldorf geben, auf dem die Empfehlungen eingebracht werden sollen. Für Deutschland nimmt Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, an dem Treffen teil. Ziel ist es, diese Empfehlungen dann im Juli in die Abschlusserklärung des Treffens in Hamburg einfließen zu lassen. Auch Argentinien, das 2018 den Vorsitz der G20 übernimmt, habe bereits Bereitschaft signalisiert, das Thema weiter voranzubringen.
Damit es nicht bei Sonntagsreden bleibe, so Klaus Müller, strebe man darüber hinaus die Entwicklung einer Verbraucherschutz-Toolbox mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an. Sie soll konkrete Indikatoren und Praxisbeispiele für guten Verbraucherschutz in der digitalen Welt enthalten.
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