Netzpolitischer Wochenrückblick KW 08: Wie immer gilt: Nicht aufgeben!

Die Woche im Überblick: Die Vorratsdatenspeicherung wird weiter geplant, die Bundesregierung beschließt Handy-Durchsuchungen bei Geflüchteten und die Ideen der Großen Koalition zur Plattformregulierung hätten massive Einschränkungen von Pseudonymität und Meinungsfreiheit im Netz zur Folge.

Wie immer gilt: Nicht aufgeben.

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Union und SPD wollen gegenüber Plattformen einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsverletzungen einführen. Dies könnte das Ende der Pseudonymität im Internet einläuten und die Meinungsfreiheit einschränken. Und das ohne Not, denn es gibt bereits Maßnahmen, die deutlich effektiver sind.

Leider keine Überraschung mehr: Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat seit den 1990er-Jahren dutzende ausländische Journalisten überwacht, darunter Autoren von BBC und New York Times. Nach drei Jahren Geheimdienst-Untersuchungsausschuss hat Andre Meister ein Fazit nach 66 Sitzungen mit 613 Stunden Lebenszeit, sowie sechs Millionen Zeichen Live-Blogs formuliert: Der Ausschuss ist angetreten, die Snowden-Enthüllungen aufzuklären. Das hat er nicht geschafft. Stattdessen hat er herausgefunden, dass auch der BND Recht und Gesetz bricht. Doch die Konsequenz ist nicht das Ende der Massenüberwachung, sondern eine massive Aufrüstung. Die Aufklärung bleibt Wunschdenken, die Überwachung geht weiter.

In der aktuellen Ausgabe der Zeit (09/17) gibt es auf drei Seiten eine Zusammenfassung der Landesverrats-Ermittlungen gegen uns. Der Text beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Perspektive des Generalbundesanwaltes und des Verfassungsschutzes, wir wurden leider nicht nach unserer Sichtweise gefragt. Der Tenor ist dementsprechend: Schade, dass wir nicht verklagt worden sind. Neues gibt es dafür nichts. Zu allen strittigen Punkten hatten wir aber bereits im Oktober Stellung genommen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist wahrscheinlich illegal. Egal, lasst uns sie ausbauen!

Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages erfüllt die deutsche Vorratsdatenspeicherung die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes nicht. Nun liegt die Einschätzung der Juristen im Volltext vor. Und die Antwort unserer Bundesregierung: De Maizière arbeitet weiter an Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Messenger.

Funkzellenabfragen haben sich seit dem Jahr 2012 in Sachsen verdreifacht. Dabei wird für ein bestimmtes Gebiet und einen bestimmten Zeitpunkt erfasst, welche Handys – und damit Personen – sich darin aufhalten. Dass es keine umfassenden Statistiken darüber gibt, nennt die Opposition „unwürdig für einen Rechtsstaat“. Als eine „Technik ohne Zukunft“ sieht die oberste Berliner Datenschützerin Maja Smoltczyk unterdessen den Einsatz von Videokameras mit Gesichtserkennung. Schnelles Handeln ist angesagt, denn schon bald will die Deutsche Bahn „intelligente Videoüberwachung“ in Berlin einsetzen.

Das Bundeskabinett hat den „Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ und damit die massenhafte Durchsuchung von Flüchtlingshandys beschlossen. Dieser wird nicht nur zur massenhaften Durchsuchung von Datenträgern von Geflüchteten führen, sondern deren Rechte generell weiter einschränken. Unser Kommentar: De Maiziere macht den Trump. Das Innenministerium will von den Handys von Geflüchteten privateste Daten massenhaft und ohne Verdacht abfragen. Die Pläne verletzen elementare Grundrechte und machen Asylbewerber rechtlich zu Menschen zweiter Klasse.

Bitte nicht zu viel Transparenz!

Darf die Öffentlichkeit erfahren, welche Personen hinter Briefkastenfirmen stehen? Wolfgang Schäubles Finanzministerium wehrt sich gegen die Veröffentlichung der Namen von wirtschaftlichen Eigentümern. Unterstützung kommt von Wirtschafts-Lobbyverbänden. Mit der Petition „Publikationsfreiheit“ versuchen Verlage mit Alarmismus und Halbwahrheiten ihre Autoren vor den eigenen Lobby-Karren zu spannen. Auf diese Weise sollen selbst noch so zaghafte Modernisierungsversuche im Bereich des Urheberrechts hintertrieben werden. Die Artikel-29-Datenschutzgruppe der Europäischen Kommission erinnert Nutzer von Microsofts Windows 10 an die besorgniserregenden Privatsphäre-Einstellungen des Betriebssystems. Das Gremium fordert Microsoft auf, klar auszuweisen, welche personenbezogenen Daten an den Konzern übermittelt werden. Wir empfehlen Tools, um die eigene Privatsphäre unter Windows 10 besser zu schützen.

Der Netzpionier Armin Medosch ist gestorben. Felix Stalder blickt in einem Nachruf bei uns auf das Schaffenswerk von Medosch zurück.

In einem Manifest stellt Mark Zuckerberg die Frage, welche Rolle Facebook bei der Gestaltung einer globalen Gesellschaft spielen soll. Der Aufschlag kommt zur rechten Zeit, im Angesicht von Trump und Brexit sind dringend neuartige Lösungen zur Kommunikation in der Gesellschaft gefordert. Doch seine Rezepte werden den Problemen nicht gerecht und drohen lediglich, das globale Babel zu zementieren.

Gute Nachrichten für Weltraumfreunde: Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat angekündigt, eigenes Bild- und Videomaterial unter eine freie Creative Commons-Lizenz zu stellen.

Bei einem CoderDojo kommen Kinder und Mentoren zusammen, um Web-Entwicklung oder den Bau von kleinen Robotern zu probieren. Wir haben in einem Interview Lucas Dohmen, der selbst CoderDojos in Köln organisiert, gefragt: Für welche Software- und Hardware-Projekte interessieren sich Kinder?

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2 Ergänzungen

  1. Das Folgende ist thematisch zwar off-topic, aber durchaus erwähnenswert in der Filterblase der Netzpolitiker:

    Der Baukonzern Hochtief könnte sich um den Auftrag zum Bau einer Grenzmauer der USA zu Mexiko bewerben. Derzeit sei noch unklar, was die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump plane, sagte Konzernchef Marcelino Fernandez Verdes am Dienstag in Düsseldorf. Hochtief sei aber offen für alle Aufträge in den USA.

    Es ist schon eine Geschmacklosigkeit der besonderen Art, wenn ein deutscher Baukonzern sich einem autokratischen Regime anbiedert, eine symbol(nieder)trächtige Mauer zu bauen.

    Das schreit geradezu nach Protesten vor der Kozenzentrale von Hochtief.

  2. „In der aktuellen Ausgabe der Zeit (09/17) gibt es auf drei Seiten eine Zusammenfassung der Landesverrats-Ermittlungen gegen uns“

    Ich habe den Text gelesen.
    Die SPD irritiert mich. Heiko Maas hat also wirklich unsere Informationsfreiheit verteidigt.

    Yannik Haan vom Berliner SPD Forum Netzpolitik ist sogar Mitglied bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, ringt also gerade vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, die Überwachungsgesetze dort wieder zurückzudrehen, wo diese gegen das Grundgesetz verstoßen.
    Aber:
    Christian Flisek (SPD) ist Ursache für das fehlende Zeugenschutzangebot an Edward Snowden.
    => Wer ist denn die SPD nun ?
    Verfassungsverteidiger UND Verfassungsbrecher?

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