Entscheidender Sommer für die europäische Netzneutralität. Erster Halt: Wien

In wenigen Tagen beginnt die öffentliche Konsultation der europäischen Regeln zur Netzneutralität. Mitmachen ist entscheidend, um echte Netzneutralität zu gewährleisten.

Wien, Stadt der Diplomatie und Geburtsort von unzähligen internationalen Abkommen, wird schon bald Gastgeber von entscheidenden Verhandlungen bezüglich der Zukunft des offenen Internets sein. Nächste Woche treffen sich hier die europäischen Telekommunikationsregulierer, um über die Implementation der EU-Regeln zur Netzneutralität zu beraten. Nach den Massenmobilisierungen in Indien und den USA sind die Erwartungen an sie hoch, echte Netzneutralität zu liefern.

Dies ist ein Gastbeitrag von Paddy Leerssen, der für AKVorrat an der SaveTheInternet.eu-Kampagne arbeitet. Der Artikel ist zudem im englischen Original bei EDRi.org erschienen. Danke an Ben Siegler für die Übersetzung.

Netzneutralität bezeichnet das Prinzip, welches Netzbetreiber wie Vodafone oder O2 dazu verpflichtet, jeglichen Internetverkehr gleichwertig zu behandeln. Es verbietet Netzbetreibern das Blockieren oder Verlangsamen von bestimmten Daten sowie die Aufteilung des Internets in Überholspuren und Kriechspuren. Eine gesetzliche Regelung der Netzneutralität ist entscheidend, um faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Onlineanbieteren zu gewährleisten, um Innovationen und Entscheidungsmöglichkeiten für Verbraucher zu schützen und letztendlich auch für den Schutz der freien Meinungsäußerung und der Medienvielfalt.

Im vergangenen Oktober verabschiedete die EU eine Verordnung zur Netzneutralität, die zwar angibt, dieses Prinzip aufrechtzuerhalten, jedoch leider mit unklaren Formulierungen und Schlupflöchern durchzogen ist. Nun liegt es an BEREC, dem Verbund der europäischen Telekommunikationsregulierer, Leitlinien zur Sicherstellung einer einheitlichen Regulierung zu erarbeiten. Abhängig davon, wie die Regulierer die Unklarheiten des Gesetzestexts auslegen, wird es eine “alles oder nichts”-Entscheidung für die Netzneutralität in Europa.

Die Verordnung enthält vor allem bei drei Punkten Schwachstellen:

  • Verkehrsmanagement: Maßnahmen zur Handhabung von Netzwerküberlastungen und der Effizienzoptimierung.
  • Zero-Rating: Die ungleiche Behandlung von Datenpaketen, basierend auf Preisdiskriminierung anstatt auf Verlangsamung oder Blockieren.
  • Spezialdienste: Eine vage und unspezifizierte Kategorie von Kommunikationsdiensten außerhalb des regulären Internets, welche von den Netzneutralitätsregeln ausgenommen sind und die die Gefahr bergen, dass sie von großen Onlinediensten für bezahlte Überholspuren ausgenutzt werden.

Für jeden dieser Aspekte könnte eine übermäßig lockere Interpretation durch die Regulierer dazu führen, dass das Netzneutralitätsprinzip ausgehöhlt und damit die eigentliche Absicht der Verordnung verfehlt wird.

Die EU-Gesetzgeber haben BEREC dazu verpflichtet, ihre Leitlinien auf Basis einer öffentlichen Konsultation zu entwerfen. Jedem, von multinationalen Konzernen bis hin zu einzelnen Bürgern, wird es ermöglicht, sich in diese Konsultation vom 6. Juni bis zum 18. Juli einzubringen. Mit dem Beginn der Konsultation wird auch der Entwurf der Leitlinien veröffentlicht werden. Um diesen vorläufigen Text zu finalisieren, wird BEREC am 2. und 3. Juni Plenarsitzungen in Wien einberufen.

Mitmachen, einfach gemacht

Die Europäischen Regulierer können sich auf einen herzlichen Empfang in der österreichischen Hauptstadt einstellen. SaveTheInternet.eu, ein internationales Bündnis aus 23 zivilgesellschaftlichen Organisationen, einschließlich EDRi, AccessNow und FightForTheFuture, hat bereits eine öffentliche Demonstration in Wien während der Plenarsitzungen angekündigt. Es ist nicht häufig zu beobachten, dass grundsätzliche Fragen der Telekommunikationspolitik eine derart starke öffentliche Reaktion hervorrufen, ganz abgesehen von Demonstrationen in der Offline-Welt. Durch diese Demonstration fordern die Aktivisten von SaveTheInternet.eu die in BEREC zusammengeschlossenen Regulierer dazu auf, eine starke und unmissverständliche Interpretation der Netzneutralitätsverordnung umzusetzen.

SaveTheInternet.eu bietet zudem ein Tool für alle EU-BürgerInnen an, um den Konsultationsprozess einfacher zugänglich zu machen. Die Webseite bietet außerdem einfach verständliche Erklärungen zu den oben genannten Aspekten: Verkehrsmanagement, Zero-Rating und Spezialdiensten. Die Aktivisten möchten die vorangegangenen Erfolge in Indien, Brasilien und den USA wiederholen, wo die massive Beteiligung der Öffentlichkeit einen entscheidenen Einfluss auf die Ausgestaltung der Netzneutralitätsregeln hatte. Eine ähnlich hohe Beteiligung durch EU-BürgerInnen und Unternehmen wird es BEREC erschweren, zu ignorieren, wofür Vertreter von Zivilgesellschaft und Start-ups seit Jahren eintreten: Starke Netzneutralitätsregeln sind essenziell, um einen fairen, gleichen und offenen Zugang zum Internet zu garantieren.

Netzneutralitätsverodnung der EU (26.11.2015): http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2120&from=DE

SaveTheInternet.eu Informationsseite und Beteiligungs-Tool: www.savetheinternet.eu

Offener Brief der Zivilgesellschaft an BEREC (02.05.2016): https://edri.org/gl02obal-letter-berec-2016/

EDRi Dokumentsammlung zu Netzneutralität (15.04.2015): https://edri.org/net-neutrality-document-pool-2/

EDRi Pressemitteilung: SaveTheInternet – Endgültige Konsultation zur Rettung des offenen Internets in Europa (31.03.2016): https://edri.org/press-release-save-the-internet-final-consultation-to-save-the-open-internet-in-europe/

EDRi-Gram-Artikel zu Zero-Rating: https://edri.org/holland-india-prohibit-zero-rating-first-many/

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