Abgeordnetenhauswahl: CDU, AfD und SPD wollen mehrheitlich Ausbau der Videoüberwachung in Berlin

Eine Umfrage unter den DirektkandidatInnen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus zeigt: Eine große Mehrheit ist gegen den Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Dafür sind fast ausschließlich PolitikerInnen von AfD, CDU und SPD.

Foto: Wikipedia, Lizenz: CC BY 3.0

Für den „Kandidaten-Check“ von abgeordnetenwatch.de wurden alle DirektkandidatInnen zur Wahl des Abgeordnetenhauses (AGH) am 18. September in Berlin nach ihrer Einstellung zu 20 politischen Thesen befragt. Insgesamt haben 414 (65 Prozent) der antretenden 634 PolitikerInnen geantwortet. Eine der Thesen lautete: „Zur Aufklärung von Straßenkriminalität und zur Abschreckung braucht es mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum.“ 237 (57 Prozent) der antwortenden PolitikerInnen lehnten diese Aussage ab, 135 KandidatInnen (33 Prozent) sprachen sich für den Ausbau der Videoüberwachung in Berlin aus, 44 (11 Prozent) verhielten sich dazu neutral.

Gerade im Lichte des gescheiterten Versuchs des Berliner Innensenators und CDU-Spitzenkandidaten, Frank Henkel, kurz vor der Sommerpause noch eine drastische Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum durchzudrücken, ist das Thema durchaus brisant. Was nun auf den ersten Blick wie ein deutliches Signal gegen Überwachung und für Grundrechte aussieht, stellt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als gar nicht mal so beruhigend heraus.

Ergebnis der KandidatInnen-Umfrage zu mehr Videoüberwachung in Berlin. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von abgeordnetenwatch.de
Ergebnis der KandidatInnen-Umfrage zu mehr Videoüberwachung in Berlin.
Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von abgeordnetenwatch.de

Parteien der Überwachungsbefürworter kommen vermutlich auf über 50 Prozent der Stimmen

Die große Mehrheit gegen den Ausbau der Videoüberwachung kommt nämlich vor allem deshalb zustande, weil an der Abgeordnetenwatch-Befragung auch viele KandidatInnen teilgenommen haben, die die sich laut aktuellen Wahlprognosen keine großen Hoffnungen auf einen Sitz im Berliner Parlament machen dürfen. So haben nicht nur PolitikerInnen der Grünen (87 Prozent dagegen, 13 Prozent neutral) und der Linken (95 Prozent dagegen, 5 Prozent neutral) deutlich gegen mehr Videoüberwachung votiert, sondern auch 46 der 47 teilnehmenden Piraten-KandidatInnen. Die Piraten liegen unterschiedlichen Umfragen zufolge derzeit jedoch bei maximal 3 Prozent. Weitere 44 Stimmen gegen Überwachung kamen von der FDP, deren Einzug in das AGH mit derzeit prognostizierten 4-6 Prozent ebenfalls nicht sicher ist.

Die Antworten der KandidatInnen im Detail. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von abgeordnetenwatch.de
Die Antworten der KandidatInnen im Detail. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von abgeordnetenwatch.de

Die Parteien hingegen, deren DirektkandidatInnen mehrheitlich für einen Ausbau der Videoüberwachung in Berlin sind, können bei der Wahl laut der Prognosen mit insgesamt über 50 Prozent der Stimmen rechnen. Neben 98 Prozent der CDU-KandidatInnen und 84 Prozent der AfD-KandidatInnen, die an der Befragung teilnahmen, haben sich nämlich auch 61 Prozent der SPD-KandidatInnen für mehr Videoüberwachung ausgesprochen.

In Anbetracht der politischen Verhältnisse in Berlin ist eine Koalition der Videoüberwachungsfreunde zwar nicht wahrscheinlich; vieles spricht für eine rot-grüne oder rot-rot-grüne Regierung unter Führung der SPD. Dass sich in der Befragung aber nur elf sozialdemokratische DirektkandidatInnen (17 Prozent) klar gegen einen Ausbau der Videoüberwachung ausgesprochen haben, sollte man trotz derzeitiger Distanzierung der SPD von der CDU nicht vergessen.

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14 Ergänzungen

  1. Auch die SPD wird, wie bei der Vorratsdatenspeicherung, umfallen und für die Wunderwaffe Videoüberwachung sich einsetzen. Viele sagen sowieso, sie haben damit kein Problem. Wenn ich aber solche Personen frage, ob sie auch ihre Haustüre offen stehen lassen und den Staat alles sehen lassen, werden sie aggressiv. Ich habe mir mal den Spaß gemacht und Polizisten gefilmt. Danach wurde ich einer Personenkontrolle unterzogen und wurde gefragt was das soll. Ich habe dann am Bahnhof auf die Kameras gezeigt und gesagt, sie machen es doch auch und ob etwas dagegen spricht. Da lachten sie und meinten, das verstoße gegen ihr Persönlichkeitsrecht und ich könnte ja versuchen mit diesen Aufnahmen ihre private Umgebung zu ermitteln um sie anschließend zu bedrohen. So ist dies in unserem Rechtsstaat. Es ist wie mit dem Pfefferspray. Die Polizei warnt die Bürger davor, Pefferspray gegen Personen einzusetzen. Es bestehe dabei die Gefahr, dass die Person dabei ums Leben kommen kann. Aber selbst das Zeug kiloweise auf Demos einsetzen. Da besteht keine Gefahr und ist alles rechtmäßig und von der Machtelite und den Richtern gedeckt. Es wird immer mehr Überwachung geben, da es unter der Bevölkerung immer mehr rumort.

    1. Du schreibst es doch selbst!
      Es rumort immer im Volk!
      … und die Volksvertreter müssen sich gegen die Aggressionen ihnen gegenüber (Volksvertreter) rüsten!
      … die Gefahr geht vom Volke aus!

  2. „[…] deren Einzug in das AGH […]“
    Wirklich? Schreibfaulheit? So viel Mühe hätte es doch sicher nicht gemacht, das Wort ‚Abgeordnetenhaus‘ an der Stelle auszuschreiben.

    1. Ca. 20 Zeilen über Deinem Zitat hättest Du das lesen können:

      zur Wahl des Abgeordnetenhauses (AGH) am 18. September in Berlin

      Möglicherweise liegt es aber auch an einem schwachen Lese-Kurzzeitspeicher. Eigene Merkfähigkeit kann man in unserer Zeit einfach nicht mehr bei jedem voraussetzen. Da hat das eigene Hirn nur noch Cache-Funktion.

      Oder es ist die schiere Lust am Nörgeln, ein Merkmal von Zeitgenossen, die sonst mit nichts Erfolg haben.

  3. Mein Kind kocht auf kleiner Flamme, mit seinem eigenen Wasser, sein eigenes Süppchen!
    Unsere Politiker hingegen, nehmen nicht ihr eigenes Wasser für die Suppe, die sie uns Einbrocken!
    Auch gehen sie davon aus, das diese Suppe allen schmeckt, obwohl sie nicht einmal davon gekostet haben!
    … aber dennoch erwarten sie (Politiker), das wir diese Suppe mit Genuss und einem wohlwollenden Lächeln auslöffeln!
    … obwohl sehr viele Bürger schon in den Topf geguckt und somit an der Suppe gerochen haben!
    Mit dem Ergebnis, das diese Suppe definitiv nicht Genießbar ist, ja sogar schädlich für das Wohlbefinden der Gesellschaft!
    Trotz des offenen Protests (siehe Wahlergebnisse), halten unsere Politiker krampfhaft an diesem Rezept fest … so als ob ihr Leben davon abhinge!

    Klar ist das Verlockend, den Gegner beobachten zu können, passende politische Entscheidungen noch vor der Opposition präsentieren zu können … am Puls des Volkes zu spüren, was politisch dem Volk gefällt bzw. ab wann es gewisse Praktiken nicht mehr mit trägt!
    Früher hat das die PR Abteilung trefflich geschafft … nun soll es die Überwachung richten!
    Mit einem Bonus … die Dunklen Machenschaften eines Jeden Gegners aufzudecken, ja auch des politischen Gegners!
    Man kann auch mit solch einem Wissen, z.B. einen Abgeordneten der Opposition dazu bringen, für eine Gute Sache zu stimmen, wie z.B. der VDS oder einer anderen Form der Massenüberwachung!
    Der Bürger … mit seiner Wahlstimme und der Möglichkeit, seine Meinung mit sehr vielen Menschen, auch außerhalb seines heimatlichen Stammtisches, teilen zu können, ist eine Folge des unkontrollierten Ausbaus der Kommunikationsmöglichkeit via Internet!
    Der Bürger muss wieder in seine lokale Stammtischrolle zurückgedrängt werden!
    Die Intersozialen Kontaktmöglichkeiten mit anderen nicht persönlich bekannten Menschen, ist ein Gefahrenpotential, das auch die AFD erkannt hat!
    Wie soll sie (AFD) denn auch später ihre eigenen Wähler unter Kontrolle halten?
    Überwachung ist also wichtig und notwendig!

    Wählen Sie jetzt die richtige Partei!

    1. Wird schwierig. Die Grünen gehen gar nicht mehr, obwohl sie einen NSA Untersuchungsausschuß leiten, macht ein Herr Kretschmann genau das Gegenteil davon in BW. Da hört und liest man nichts davon, dass die Überwachungsinfrastruktur abgebaut wird, nein sie wird erweitert. Als Regierung könnten sie ihrem Geschwätz Taten folgen lassen. Die Grünen in BW sind genauso Politganoven wie die im Bundestag. Sie hängen an den Honigtöpfen und wollen diese nicht mehr loslassen. Hat so sein Vorteile gegenüber dem Fußvolk. Die Linke ist die einzige Partei, die ich mir vorstellen könnte. Ist aber die Nachfolgepartei aus einem Überwachungsstaat. Da weiß man nicht, ob diese versteckte Krankheit nicht doch plötzlich ausbricht. Aber eine Chance zum Mistbauen haben sie allemal verdient. Die Altparteien haben so ziemlich alles durch, was man so falsch machen kann.

      1. Jupp, diese Welt ist echt wahnsinnig geworden!
        Nur mal so, eine Art Szenario …

        Was würde passieren, würde „Die Linke“ gewählt und sie entscheiden sich, wie Kretschmann (Grüne) um?
        Genau … nix!
        Union, SPD, AFD und Grüne, hätten die Überwachung eh‘ eingeführt!

        Was würde passieren, würde „Die Linke“ gewählt und die Überwachung wird nicht bzw. nicht in der Tiefe bzw. im Sinne von Union, SPD, AFD und Grüne eingeführt?
        Ich kann es mir denken!
        Dann lassen Verfassungsschutz und BND ihre Rechten Höllenhunde los!

        1. Glaubst du, dass unser Verfassungsschutz und BND zu einer „False Flag Operation“ fähig ist. Unserem Innenminister traue ich das zu. Bei dem jetzigen Chef des Verfassungsschutze kann ich es mir auch gut vorstellen. Ist ein treuer Diener seines Herrn. Ich frage mich immer wieder, welche Verfassung die schützen. Die Deutsche kann es nicht sein.
          Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland!!!!
          (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
          (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
          (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
          (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

          Also 1,2,3 können wir eigentlich streichen. Besonders Punkt 2 haben unsere Politiker schon längst umdefiniert. Alle Macht geht von der Partei, Verfassungsschutz und Polizei aus. Der Bundeswehr steht in des Startlöschern.

          1. Irgendwelche (Hobby- oder Profi-)Verfassungsrechtler hier, die den Sinn von (4) mal ein für alle Mal erklären könnten? Wie stellt man fest, ob andere Abhilfe unmöglich ist? Weder unzählige Runden vorm Verfassungsgericht noch sonst irgendetwas, das in endlicher Zeit Erleichterung schaffen könnte, scheint an den sorgsam gepflegten und durch politische Seilschaften tief verankerten Mängeln unserer neoliberalen Scheindemokratie zu kratzen.

            Der qualvolle Tod der Demokratie ist vorprogrammiert. Ein System ertragen und mittragen, das schleichend die Selbstbestimmung des Menschen aushöhlt, die besten Teile den Märkten zum Fraß vorwirft und den Rest selbst verschlingt? Wohl nicht.

            In einer Demokratie wäre die Neo-Stasi dichtgemacht worden und das Wachstum entschleunigt, nicht zuletzt durch die Trockenlegung des fruchtbaren Sumpfgebiets zwischen Sicherheits- und Bevormundungsstaat und Wirtschaftslobbies, die sich im derzeitigen System absatzsteigernde Zwangsgesetze selber schreiben dürfen:

            – mal für unnötigen elektronischen Schnickschnack in Wohnungen,
            – mal für gigantische Datensilos inklusive Biometrie
            – mal für Fotobrücken über Straßen,
            – mal für den angeblich von allen ersehnten Bargeldersatz
            – mal für die Privatisierung von Versorgungssystemen,
            – bald auch für Pig-Data-Versicherungen

            und mal eben so Grundrechte im Namen angeblicher, erlogener und irrelevanter „Sicherheit“ beiseitewischen.

            Wie könnte es noch schlimmer kommen? Durch Deutsche, die das Recht zum Widerstand missverstehen …

            Zwickmühle, die (ugs.): Mißliche Lage.

          2. Leider ist das so, reader …
            Eine „False Flag Operation“ sollten unsere Dienste lieber unseren französischen Freunden überlassen!
            1. die haben mehr Erfahrung …
            2. nur wenige Mitwisser …
            3. keine Skrupel …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.