Svenja Hahn gilt gemeinhin als geduldige Person, doch jetzt ist sie hörbar verärgert. Eine „Bedrohung für die Bürgerrechte“ sei das, was der Rat der EU zur biometrischen Identifikation vorgelegt habe. Es geht um nicht weniger als einen zentralen Streitpunkt der geplanten KI-Verordnung der EU: Dürfen Sicherheitsbehörden in Zukunft Menschen im öffentlichen Raum aus der Ferne identifizieren und massenhaft überwachen? Die Mitgliedstaaten wollen genau dieses Recht, die Abgeordneten des Europaparlaments, unter ihnen die Liberale Hahn, wollten das hingegen unbedingt verhindern. Eine Viertelmillion EU-Bürger:innen hatte ebenfalls ein Verbot gefordert.
37 Stunden dauerte der Verhandlungsmarathon zum Gesetz im vergangenen Dezember. Eine Tour-de-Force, die vor allem auf das Konto der spanischen Ratspräsidentschaft ging, die mit allen Mitteln eine Einigung herbeiführen wollte. Der Druck war enorm. Doch das Ergebnis, das die Verhandler:innen des Parlaments dachten erreicht zu haben, sollte sich schon eine Woche später als ein „Missverständnis“ herausstellen.
Da nämlich schickte die spanische Ratspräsidentschaft, die die Verhandlungen leitete, ihre schriftliche Version dessen, was sie als Resultat der mündlichen Einigung sah. Und die Abgeordneten fielen aus allen Wolken. „Wir wurden über den Tisch gezogen“, heißt es aus dem Umfeld der Verhandlungsdelegation.
Kompromiss zur biometrischen Überwachung war schon vorher faul
Schon der ursprüngliche Kompromiss, auf den sich die Verhandler:innen nach zähen Stunden mitten in der Nacht geeinigt hatten, war aus Sicht von Bürgerrechtler:innen eine Niederlage. In der Frage der „biometrischen Fernüberwachung“ konnten sich die Mitgliedstaaten mit ihren Forderungen weitgehend durchsetzen. Die Echtzeitüberwachung sollte demnach nicht kategorisch verboten werden, wie es das Parlament ursprünglich gefordert hatte. Stattdessen bleibt sie in Ausnahmefällen erlaubt, etwa bei der Suche nach vermissten Personen oder bei der „vorhersehbaren Gefahr eines Terroranschlags“.
Die Technologie, bei der Behörden Bilder aus ihren Datenbanken direkt mit Aufnahmen aus Überwachungskameras abgleichen, gilt als besonders gefährlich, weil sie faktisch einer Massenüberwachung des öffentlichen Raums gleichkommt.
Darüber hinaus hatte der Rat auch die Regeln für die nachträgliche biometrische Fernüberwachung aufgeweicht. Bei dieser Form dürfen Behörden gespeicherte Aufnahmen aus Überwachungskameras im Nachhinein durchsuchen, um darauf eine Person zu identifizieren. Auch diesen Einsatz wollte das Parlament ursprünglich auf die Liste der verbotenen Praktiken setzen. Durchsetzen konnten sich die Parlamentarier:innen damit nicht.
In der nun kursierenden Textfassung der Ratspräsidentschaft vom 22. Dezember ist von den Einschränkungen nicht mehr viel übrig. Sicherheitsbehörden hätten demnach weitgehend freie Fahrt bei der nachträglichen biometrischen Identifikation. Eine Liste mit besonders schweren Straftatbeständen, die den Einsatz eingeschränkt hätte, ist aus dem Entwurfsdokument verschwunden. Stattdessen steht dort nur noch, dass ein solches System nicht eingesetzt werden darf, „ohne dass ein Zusammenhang mit einer Straftat, einem Strafverfahren oder der Verhütung einer tatsächlichen und gegenwärtigen oder tatsächlichen und vorhersehbaren Gefahr einer Straftat“ besteht.
„Vorhersehbare Gefahr einer Straftat“ reicht aus, um Aufnahmen nachträglich zu durchsuchen
Eine solche schwammige Formulierung kann katastrophale Auswirkungen haben, warnt Ella Jakubowskas von der Bürgerrechtsorganisation EDRi. Etwa für Frauen, die in den EU-Staaten Malta oder Polen eine Schwangerschaft beenden wollen. Sollte die Formulierung in der jetzigen Fassung Gesetz werden, wäre bereits die Möglichkeit einer Abtreibung, also beispielsweise die Existenz einer Klinik, ausreichend, um die nachträgliche Fernüberwachung zu rechtfertigen.
Auch in Deutschland hätte das konkrete Auswirkungen. Nach dem G20-Gipfel im Jahr 2017 nutzte die Hamburger Polizei eine Gesichtserkennungssoftware, um Teilnehmer:innen der Demonstration nachträglich auf Bildern und Videos ausfindig zu machen. Seit vier Jahren läuft dazu ein Rechtsstreit zwischen Polizei und der Hamburger Datenschutzbehörde. Mit der jetzigen Fassung der Verordnung wäre diese Praxis legal, warnt Jakubowska.
„Natürlich gibt es immer noch das bestehende Datenschutzgesetz, wonach die polizeiliche Verarbeitung biometrischer Daten erforderlich sein muss“, sagt Jakubowska. „Unsere Befürchtung ist jedoch, dass der AI Act, der besagt, dass die nachträgliche biometrische Fernidentifizierung für jedes Verbrechen verwendet werden kann, die Interpretation dessen, was genau als ’notwendig‘ gilt, aufweichen könnte.“
Generell könnten Behörden mit diesem Text die nachträgliche biometrische Überwachung von Demonstrationen rechtfertigen – wenn dort Straftaten verübt wurden oder auch nur „vorhersehbar“ und damit zu erwarten seien. Selbst ein banaler Ladendiebstahl oder die illegale Übernachtung in Park würde die Maßnahme bereits rechtfertigen. „Alles in allem ist die Einigung eine Menschenrechtskatastrophe in Bezug auf die biometrische Überwachung“, so Jakubowska.
Zur „Erstidentifikation“ braucht es nicht mal eine Genehmigung
Der Text sieht noch weitere Ausnahmen vor, etwa bei der Genehmigung des Einsatzes von biometrischer Videoüberwachung. Im Zweifel können Behörden mit der Überwachung beginnen und sich dafür noch bis zu 48 Stunden danach eine Erlaubnis holen. Dient die Überwachung lediglich zur „ersten Identifizierung eines potenziellen Straftäters“, bedarf es gar keiner Genehmigung. Was „erste Identifikation“ in diesem Zusammenhang bedeuten soll, ist unklar.
Svenja Hahn, die als Schattenberichterstatterin für die liberale Fraktion Renew an den Verhandlungen beteiligt war, fürchtet außerdem, dass mit dem Text der Ratspräsidentschaft nun noch weitere Türen zur Echtzeitüberwachung geöffnet werden. Denn wie lange muss eine Behörde warten, damit die Auswertung als nachträglich gilt? Reichen dafür schon wenige Minuten? Es sei im jetzigen Entwurf völlig unklar, „ab wann eine biometrische Identifizierung nicht mehr als ‚Echtzeit‘, sondern als ’nachgelagert‘ gilt“.
In einer Nachricht an ihre Fraktion nach dem Verhandlungsmarathon Anfang Dezember hatten Hahn und der Berichterstatter Dragoș Tudorache, ebenfalls Renew, die Einigung noch als Erfolg gefeiert. Man habe es geschafft, das Schlimmste zu verhindern.
Beobachter:innen aus der Zivilgesellschaft waren damals schon wesentlich verhaltener. So schrieb etwa Sarah Chander, Senior Policy Advisor bei EDRi, es gelte nun den finalen Text zu prüfen. „Wir werden sehen, inwieweit die Kompromisse in der Praxis wirklich funktionieren, um den Schaden von diskriminierender und massenhafter Überwachung zu verhindern und abzuschwächen.“
Ella Jakubowska wird nun noch deutlicher: Die Einigung würde das Bekenntnis des Parlaments zum Verbot der biometrischen Massenüberwachung „verraten“. „Stattdessen wird nun eine Reihe von schwachen Regeln und Schutzmaßnahmen wahrscheinlich den Einsatz biometrischer Überwachungssysteme in der EU fördern.“ Das würde indirekt auch autoritären Regimen auf der ganzen Welt einen Freibrief ausstellen.
Ausnahmen für die „nationale Sicherheit“
Noch finden weitere Treffen auf technischer Ebene statt. Die sogenannten Erwägungsgründe zu einzelnen Artikeln werden erst in den nächsten Tagen ausformuliert. Doch dass sich an der Formulierung der Artikel selbst, auf die es im Zweifelsfall ankommt, noch etwas drehen lässt, halten Eingeweihte für sehr unwahrscheinlich. Bereits vor Ende des Monats soll der finale Text stehen, er könnte dann bereit im Februar im EU-Parlament abgestimmt werden.
Schlupflöcher weist der Text auch noch an vielen anderen Stellen auf, etwa in der Frage der „nationalen Sicherheit“. Hier hatte vor allem die französische Regierung umfassende Ausnahmeregelungen gefordert. Würden sie kommen, könnten EU-Staaten mit Verweis auf die „nationale Sicherheit“ gefährliche KI-Systeme einsetzen – auch eigentlich verbotene Praktiken wie biometrische Massenüberwachung und Social Scoring. Auch hier gilt: Welche Lücken am Ende bestehen, wird erst der finale Text zeigen.
Der geänderte Artikel 29 in Volltext:
Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL LAYING DOWN HARMONISED RULES ON ARTIFICIAL INTELLIGENCE (ARTIFICIAL INTELLIGENCE ACT) AND AMENDING CERTAIN UNION LEGISLATIVE ACTS
2021/0106(COD)
DRAFT [Outcome of 22 December]
Article 29
6a. Without prejudice to Directive (EU) 2016/680, in the framework of an investigation for the targeted search of a person convicted or suspected of having committed a criminal offence, the deployer of an AI system for post-remote biometric identification shall request an authorisation, prior, or without undue delay and no later than 48hours, by a judicial authority or an administrative authority whose decision is binding and subject to judicial review, for the use of the system, except when the system is used for the initial identification of a potential suspect based on objective and verifiable facts directly linked to the offence. Each use shall be limited to what is strictly necessary for the investigation of a specific criminal offence.
If the requested authorisation provided for in the first subparagraph of this paragraph is rejected, the use of the post remote biometric identification system linked to that authorisation shall be stopped with immediate effect and the personal data linked to the use of the system for which the authorisation was requested shall be deleted.
In any case, such AI system for post remote biometric identification shall not be used for law enforcement purposes in an untargeted way, without any link to a criminal offence, a criminal proceeding, a genuine and present or genuine and foreseeable threat of a criminal offence or the search for a specific missing person.
It shall be ensured that no decision that produces an adverse legal effect on a person may be taken by the law enforcement authorities solely based on the output of these post remote biometric identification systems.
This paragraph is without prejudice to the provisions of Article 10 of the Directive (EU) 2016/680 and Article 9 of the GDPR for the processing of biometric data.
Regardless of the purpose or deployer, each use of these systems shall be documented in the relevant police file and shall be made available to the relevant market surveillance authority and the national data protection authority upon request, excluding the disclosure of sensitive operational data related to law enforcement. This subparagraph shall be without prejudice to the powers conferred by the Directive 2016/680 to supervisory authorities.
Deployers shall, in addition, submit annual reports to the relevant market surveillance and national data protection authorities on the uses of post-remote biometric identification systems, excluding the disclosure of sensitive operational data related to law enforcement. The reports can be aggregated to cover several deployments in one operation.
Member States may introduce, in accordance with Union law, more restrictive laws on the use of post remote biometric identification systems.
6a Recitals:
(XX) Each supervisory authority [under Art. 63(5)] should have effective investigative and corrective powers, including at least the power to obtain access to all personal data that are being processed and to all information necessary for the performance of its tasks. The supervisory authorities should be able to exercise their powers by acting with complete independence. Any limitations of their access to sensitive operational data under this Regulation should be without prejudice to the powers conferred to them by Directive 2016/680. No exclusion on disclosing data to national data protection authorities under this Regulation should affect the current or future powers of those authorities beyond the scope of this Regulation.
(XY) Any processing of biometric data involved in the use of AI systems for biometric identification for the purpose of law enforcement needs to comply with Article 10 of Directive (EU) 2016/680, that allows such processing only where strictly necessary, subject to appropriate safeguards for the rights and freedoms of the data subject, and where authorised by Union or Member State law. Such use, when authorized, also needs to respect the principles laid down in Article 4 paragraph 1 of Directive (EU) 2016/680 including lawfulness, fairness and transparency, purpose limitation, accuracy and storage limitation
(YY) Without prejudice to applicable Union law, notably the GDPR and Directive (EU) 2016/680 (the Law Enforcement Directive), considering the intrusive nature of post remote biometric identification systems, the use of post remote biometric identification systems shall be subject to safeguards. Post biometric identification systems should always be used in a way that is proportionate, legitimate and strictly necessary, and thus targeted, in terms of the individuals to be identified, the location, temporal scope and based on a closed dataset of legally acquired video footage. In any case, post remote biometric identification systems should not be used in the framework of law enforcement to amount to indiscriminate surveillance. The conditions for post remote biometric identification should in any case not provide a basis to circumvent the conditions of the prohibition and strict exceptions for real time remote biometric identification.
Zur „ersten Identifizierung eines potenziellen Straftäters“: Damit ist die Situation gemeint, dass man einen Kameramitschnitt einer Straftat hat (z.B. Raub einer Tankstelle, wo der Täter zu erkennen ist), und dann das Bild des Täters mit Bildern von bekannten Straftätern in Polizeidatenbanken abgleicht. Das ist bisher schon möglich, auch ohne Voraussetzungen. Mit der Revision des „Prüm“-Systems, die so gut wie abgeschlossen ist, geht das dann sogar grenzüberschreitend und komplett außerhalb der KI-Verordnung.
Was mit der KI-Verordnung neu dazu kommt, ist das Suchen nach solchen bekannten (oder begründet vermutetet) Straftätern im öffentlichen Raum, entweder in Echtzeit oder retrograd. Hier setzt die KI-VO lediglich Grenzen, es braucht immer noch eine Rechtsgrundlage im nationalen Recht, das auch noch strenger gefasst sein kann. Ob die Grenzen gut genug sind, ist natürlich zu diskutieren. Aber dass, nachdem ihr Parteifreund Volker Wissing es nicht geschafft hat, die KI-VO zu stoppen, weil ihm die Regeln für general-purpose AI zu strikt sind, jetzt plötzlich Svenja Hahn um die Ecke kommt und sich über einen Text aufregt, der ihr seit dem 22.12. bekannt ist, hat schon ein wenig Geschmäckle.
Ralf, wir haben in den letzten zwei Jahren als Grüne und Liberale hunderte Stunden zusammen den AI Act verhandelt. Bei den Bürgerrechtsthemen haben wir dabei meist für dieselben Ziele gekämpft. Deshalb wundert mich der parteipolitische Angriff schon etwas. Denn was Svenja Hahn zu diesem Thema sagt, ist völlig konsistent und ihre öffentlich bekannte Position von Beginn an. Von den ersten Änderungsanträgen über die Durchsetzung der Verbote biometrischer Identifizierung im Text des Europäischen Parlaments (gemeinsam mit den Grünen) bis zur letzten Minute des Trilogs hat sich ihre Position gegenüber biometrischer Überwachung nicht geändert. Das hat sie auch öffentlich immer wieder klar gemacht, so etwa in diesem Gastbeitrag mit Sergey Lagodinsky von vergangenen Oktober: https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/ein-ueberwachungsstaat-ist-nicht-unser-gesellschaftsmodell
Es kann also keinesfalls von „plötzlich um die Ecke kommen“ die Rede sein. Sollten die Grünen Abgeordneten entscheiden, diese Regelungen entgegen vorheriger Positionierung nun durchzuwinken, ist das ihre eigene Entscheidung, die sie vor sich und ihren Anhängern vertreten müssen. Das eignet sich jedoch nicht, um gegen andere auszuteilen, die bis zuletzt an ihrer Position gegen biometrische Identifizierung von Personen im öffentlichen Raum festhalten.
Gleiches gilt für die Bemerkung gegenüber Volker Wissing. Die Positionen von Wissing, Habeck und dem Kanzleramt haben sich bezüglich der Regelungen zu Basismodellen in den letzten Monaten quasi nicht unterschieden. Auch hier gibt es also keinen Grund für parteipolitische Angriffe, auch wenn man das inhaltlich aus Perspektive des Europäischen Parlaments anders sehen kann. Zudem bedeutet Kritik an Teilen des Texts bei weitem noch nicht, die „KI-VO zu stoppen“.
„Stattdessen steht dort nur noch, dass ein solches System nicht eingesetzt werden darf, „ohne dass ein Zusammenhang mit einer Straftat, einem Strafverfahren oder der Verhütung einer tatsächlichen und gegenwärtigen oder tatsächlichen und vorhersehbaren Gefahr einer Straftat“ besteht.“
Da nahezu alle Politiker heutzutage gefühlt jeden, außer ihresgleichen und Leute von Strafverfolgungsbehörden als potenzielle Terroristen oder Pädophile usw ansehen, kommt dieser „Kompromiss“ einem Freifahrtschein für eine 24/7 Überwachung gleich.
Social Scoring ist dann wohl auch nur eine Frage der Zeit.
Und dann immer dieses Gespräch der Ausnahmen für „nationale Sicherheit“.
Wenn ich solche Berichte lese, bekomme ich den Eindruck, dass es immer mehr darauf hinausläuft, dass die Leute, die uns eigentlich schützen sollen (Polizisten, Politiker usw) zu einer weitaus größeren Bedrohung für uns werden, als die Leute VOR DENEN wir eigentlich geschützt werden sollen.
Sollte der Text so durchkommen, sind die EU-Politiker ihrem Traum einer totalitären Überwachungsdiktatur einen riesen Schritt näher gekommen.
Staaten, die jetzt schon autoritär sind, reiben sich vermutlich jetzt schon die Hände…
Das Gerichtsverfahren zu Videmo 360 vom OVG Hamburg wurde eingestellt:
https://datenschutz-hamburg.de/news/gerichtsverfahren-zu-videmo-360-eingestellt
„Niemand hat die Absicht, einen Polizeistaat zu errichten“
Eine EU, die selbst das weichgespülte und einzige, wenigstens minimal, demokratisch berechtigte Parlament zu übergehen versucht und nationale Lobbies, die Parlamentarier offen zu erpressen versuchen, eine EU die sich sehr deutlich zur Aufgabe gemacht einen Massenüberwachungsmultistaat aufzubauen, deren Repressionsapparat weitestgehend im Nebel arbeitet und offenbar geheimdienstliche Aufgaben erfüllt, eine EU die nach wie vor enorm klimaschädliche Politk macht, eine EU, die faschistische und ultrakorrupte Regierungen stützt (Niederlande/Ungarn/Italien/Polen) anstatt sie zumindest zeitweise auszuschließen, eine EU die enorm schädliche Handelsabkommen schließt, eine EU, die permanent ihre Expert_innen ignoriert, wollen wir die wirklich behalten? Entweder sie wird demokratisch vollständig reformiert und der Rat als Institution abgeschafft, das Parlament gestärkt oder sie wird endgültig als absoluter Fehlversuch beerdigt. Hätte gut sein können, war es aber nur extra selten. Ich würde derzeit sehr gern für einen Austritt stimmen.
Eigentlich ultralinksgrün und pro Eu muss ich Ihnen da voll zustimmen. Wahnsinn wie die Axt an die demokratischen Grundlagen gelegt wird.
Hmm… wenn solche Vorhaben durch demokratische Institutionen gehen: mit welchem Argument soll man da die Zweifler bei drohender Wahl von Antidemokraten überzeugen, dass Demokratie das bessere Prinzip ist? Dass es besser ist, sich von Demokraten überwachen zu lassen als von Diktatoren? An diese Logik glaubt man wohl nur in Brüssel.
Ich werde demnächst wohl einen tiefen Blick in die Überwachungskameras im öffentlichen Raum werfen müssen, um heraus zu finden, ob es sich um die Augen von Demokraten oder die Augen von Diktatoren handelt, in die ich da blicke.
Wenn der Unterschied dabei so klar zu Tage tritt, dass ich erkennen werde: ja es sind demokratische Augen, dann werde ich Demokraten wählen. Wenn er sich aber nicht so klar erkennen lässt, ja dann werde ich annehmen: das was oben in feinstem Gesetzessprech ausbuchstabiert steht, war wohl immer das Ziel der Demokraten …und dann kann es ja keinen so großen Unterschied mehr machen, was ich wähle, oder?
Kopfschüttelnd den Blick von Brüssel abwendend ein politischer Rat ans Parlament: wenn ihr dem spanischen Ratsvorsitz DAS durchgehen lasst…, es durchgehen lasst, dass sie sich mit Eurer Hilfe die Waffen besorgen, die sie sich für ihren Kampf gegen die „Separatisten“ so gerne unter Umgehung der eigenen Opposition aneignen würden …und ihr dabei wissentlich europ. Grundrechte _verratet_ und sowohl große Teile spanischer Bürger als auch den Rest der EU-Bürger gefährdet, dann kürt ihr Euch selbst zu den größten Hornochsen auf dem Planeten und dann müsst ihr euch nicht wundern, wenn daraus für die EU kein Happy End wird, sondern der Spanier eurer Institution die Art von Stößen versetzt, die er Hornochsen für gewöhnlich auf großer Bühne versetzt.
Das deutsche Veto gegen die Chatkontrolle war ausnahmsweise einmal im Sinne der Bürger. Hoffentlich war das keine Eintagsfliege!
Ich hab auch in die Kameras geschaut. Die Augen sind kalt und herzlos. Demokraten erkenne ich in ihnen nicht. Deutschland gibt seinen Wiederstand auf und möchte im Rat der EU Mitgliedsstaaten zustimmen. Die „Demokraten“ beerdigen just im gleichen Moment in dem die Bürger in Massen auf die Straßen gehen und „Nie wieder“ und „Wehret den Anfängen“ schreien in Brüssel die Freiheit sich ohne Angst vor biometrischer Totalüberwachung im öffentlichen Raum bewegen zu können. Die FDP verrammscht Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhard Baum, die Grünen stimmen zu, weil Biometrie „Bio“ enthält und die SPD ist schon umgefallen ehe der kalte Wind dieser Entwicklung auch nur angefangen hat zu wehen. Bitter, absolut bitter. Ich flüchte mich in Gedanken, denke an diese kalten Augen und…. „Hol den Vorschlaghammer!
Sie haben uns ein Denkmal gebaut
Und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut
Ich werd’ die schlechtesten Sprayer dieser Stadt engagier’n
Die soll’n nachts noch die Trümmer mit Parolen beschmier’n“
aus dem Song „Denkmal“ von „Wir sind Helden“.
> die Grünen stimmen zu, weil Biometrie „Bio“ enthält
Darf man fragen, welches politische Lager solche intellektuellen Höchstleistungen produziert?
Fragen dürfen Sie. Die Frage ist immerhin geistreich.
Dürfen behörden bedeutet zunächst, dass nationales Gesetz das durchaus verbieten kann, oder?
Immerhin „sollten“ da sein
– Safeguards.
– Unabhängige Kontrolle (also nicht abhängig von EU).
Und sollten nicht
– indiscriminate surveillance.
Soll jetzt das Wort „sollen“ gestärkt werden, oder ist das Wischiwaschi?
Ist das ein Freischein oder einfach offengelassen?
(Hier kann man sagen, dass anlasslose Massenüberwachung immer noch vor dem EUGH scheitern sollte, wenn ich das als Nichtanwalt trotzdem richtig lese. Ein Verbot ist es natürlich auch nicht.)
Es ist erschreckend, wie auf der einen Seite immer von „unseren Werten“ gefaselt wird und andererseits munter an der Aushöhlung der Bürgerrechte gearbeitet wird.
Die EU war schon immer ein Lobby dominierter Laden, was sich aber in den letzten Jahren hier abspielt ist einfach unerträglich. Da sich die Berichterstattung über das was auf EU Ebene passiert auch eher in Grenzen hält, weiß die breite Masse von nichts und schreit erst auf, wenn es schon zu spät ist.
Junkers damalige Worte „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ hätten eigentlich Warnung genug sein müssen.
Aus meiner Sicht ist die EU in diesem Zustand auch nicht mehr reformierbar. Zu tief sitzt der Filz.
In Zukunft kann man dann wohl nur noch mit Guy Fawkes Maske vor die Tür. Zumindest auf Demonstrationen sollte man sich dann besser nicht mehr mit Gesicht blicken lassen. Sonst landet man am Ende in der Gesichtsdatenbank „Systemkritiker“. Aber ist sicher alles nur eine Verschwörungstheorie. Und überhaupt ist es ja alles nur zu unserem Besten und wenn damit auch nur eine Straftat verhindert werden konnte….ach lassen wir das.
Einfach nur traurig was hier und in der EU zur Zeit passiert.
Genau deswegen gilt auf Demos ein Vermummungsverbot.
> Es ist erschreckend, wie auf der einen Seite immer von „unseren Werten“ gefaselt wird
Die Frage ist immer, wer spricht denn da und mit welcher Absicht. Will da jemand seine Werte als allgemein verbindliche Werte proklamieren, sei es auch nur im Augenblick des Sprechakts, oder gar missionieren?
Wenn meine Werte sich von deinen Werten unterscheiden, was könnten dann Überschneidungen sein, die unsere Werte sein sollen und eingefordert werden dürfen?
Artikel 2 EUV (2009) gibt Orientierung und Verpflichtung:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Es bleibt ja i.d.R. unspezifiziert, was für Werte gemeint sind. Eigentlich sind das immer PR-Nebelkerzen, wenn jemand Vorhaben mit Werten bewirbt.
Auch das beste aller Vorbilder, die USA, haben da z.T. einen zynischen Ansatz, hätten gerne, dass alle mal auf Freiheit und Demokratie machen, verhindern es aber im Zweifel dann, wenn es um ihre „Interessen“ geht. Das sind eben Realisten.
Das andere sind Konservative, die sich auf „Werte“ berufen, und kaum vor fünf Minuten damit noch meinten, die Frau solle die Kinder machen. Von der Werteunion brauchen wir nicht erst anfangen.
Das ist schon schwierig, wenn sich auf Werte berufen wird, in Kontexten, in denen man z.B. anderen gar keine Rechte zueignet, oder in denen es keinen Konsenz (mehr?) darüber gibt, wie die Werte zu interpretieren sind (z.B. monetär, mit Schwellwert). Oder es machen z.B. Politiker, die als nächstes komplett anders handeln, als es irgendwelche Werte eigentlich vorgeben müssten, dann ist das Berufen darauf eigentlich eher schädlich.