BND hat NSA geholfen, schweizerischen Provider Swisscom abzuschnorcheln

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Der österreichische Grünen-Politiker Peter Pilz hat heute Papiere veröffentlicht, die zeigen, dass der BND der NSA dabei geholfen hat, Leitungen des schweizerischen Telekommunikationsproviders Swisscom abzuschnorcheln. Watson.ch hat die heutige Pressekonferenz mit Pilz und seinen ParteikollegInnen Balthasar Glättli, den wir von seinem Überwachungsselbstexperiment kennen, und Regula Ritz begleitet.

Pilz macht klar:

Der deutsche Bundesnachrichtendienst hat der NSA eine Liste von Leitungen gegeben, die er überwacht. Die NSA hat auf dieser Liste gelb markiert, welche Leitungen sie vollständig überwacht haben will.

Das wissen wir schon aus diversen Quellen wie dem NSA-Untersuchungsausschuss. Pilz legt als zusätzlichen Beweis jedoch noch eine Mail des Telekom-Mitarbeiters Harald Helfrich vor, in der dieser über die „Umschaltaktion“ redet. Dazu veröffentlicht Pilz einen Auszug aus der Prioritätenliste der NSA aus dem Jahr 2005, in der sich 255 Transitleitungen befinden, wovon neun einen Endpunkt in der Schweiz haben (die Mail und Tabelle im Originaltext, sowie weitere Hinweise, in einem Beidokument zur Pressekonferenz, das wir hier veröffentlichen):

Schweiz

LSZ Endstelle A Carrier Endstelle B Carrier
750 Geneve Swisscom Prag Czech Telecom
750 Prag Czech Telecom Zürich Swisscom
750 Sydney Reach GNL Zürich Swisscom
750 Tokyo Japan Telecom Zürich Swisscom
750 Seoul KT Korea Zürich Swisscom
750 Luxemburg P&T Zürich Swisscom

Luxemburg

LSZ Endstelle A Carrier Endstelle B Carrier
750 Geneve Swisscom Tokyo Japan Telecom
750 Warszawa Telecom Polska Zürich Swisscom
750 Moscow Rostelekom Zürich Swisscom

Ob die lokalen Telekommunikationsprovider von den Abhörmaßnahmen wussten, kann auch Pilz nicht beurteilen. Er hält es für möglich, dass alles komplett hinter deren Rücken verlief, kann aber auch eine Mittäterschaft nicht ausschließen.

Die von Pilz veröffentlichten Mails zeigen, welche Leitungen (mindestens) abgehört werden. Aber Pilz will noch mehr wissen:

Wir wissen jetzt, welche Leitungen angezapft werden, zumindest kennen wir einen Teil davon. Was uns fehlt sind die sogenannten Selektoren. Das sind die Suchbegriffe, mit denen diese Daten ausgewertet werden. Das können Namen, Telefonnumern, Kreditkartennummern, Vielfliegernummern sein.

[…]

Der deutsche Nachrichtendienst (BND) hat eine Liste von 8,7 Millionen Selektoren. Der BND behauptet, es handelt sich dabei nur um ausländische Ziele. Das darf aber bezweifelt werden. Wir müssen davon ausgehen, dass mindestens eine Million Ziele in Europa sind. Darunter bestimmt auch Österreicher und Schweizer. Es ist unmöglich, dass es sich dabei nur um Terrorverdächtige handelt.

Er fragt auch, welche deutschen Stellen informiert waren und ob die Rechtmäßgikeit der Abhörung geprüft wurde. Und zuletzt:

Wird die deutsche Bundeskanzlerin ihr Bedauern über das Ausspähen ihrer Freunde zum Ausdruck bringen?

Die Antwort kennen wir ja.

Pilz will die einzelnen Nationen dazu bringen, sich gegen die Überwachung durch NSA und BND zu wehren. Letzte Woche hat auf Grundlage der Mails bereits Luxemburg und Österreich Anzeige erstattet, bald wird Pilz die Niederlande besuchen.

Wir sind gespannt, was durch die folgenden Dokumente noch ans Licht kommen wird.

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5 Ergänzungen

  1. Zitat Pilz:
    „Was uns fehlt sind die sogenannten Selektoren. Das sind die Suchbegriffe, mit denen diese Daten ausgewertet werden. Das können Namen, Telefonnumern, Kreditkartennummern, Vielfliegernummern sein.“

    Ich hätte einen Vorschlag für einen Selektor, nach dem der NSAUA mal suchen sollte „FIFA“, vielleicht findet sich unter „Kategorie“ dort ein Hinweis „Kompromat für Ablenkungsmanöver sammeln“ ;-)

    1. Das fällt schon ziemlich auf mit der FIFA, gerade die Newsstreams der öffentlich „rechtlichen“ sind mind. mal die erste Seite damit vollgespammt, danach kommt meist irgend ein Promi Artikel und darunter dann der erste Artikel zum Thema „Der Satz von Merkel bleibt gültig“. Auf der anderen Seite der Titel eines FIFA Artikels: „Sie haben den Fußball korrumpiert“ die Wortwahl sagt schon einges..

      Zum Thema Vorratsdatenspeicherung hörte ich heute morgen im öffentlich rechtlichen Radio einen kurzen Beitrag. Zusammengefasst war die Info etwa: Voratsdatenspeicherung nach neuem Union Gesetz nicht mehr 6 Monate sondern „nur noch 10 Tage“. Wobei „nur noch 10 Tage“ O-Ton ist. Kein Wort vom fehlenden Richtervorbehalt o.Ä. oder das die aktuelle Voratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Als Hörer ohne Kentnisse des Themas, ist die Message: Die Union baut Überwachung ab indem sie ein bestehendes Gesetz von 6 Monate Speicherfirst auf 10 Tage ändert. Ich finde so eine Manipulation schon ziemlich pervers.
      Man muss nicht gegen die Voratsdatenspeicherung sein, aber man sollte dann zumindest trozdem neutral darüber berichten und nicht mit voller Absicht (und das unterstelle ich hier) wichtige Dinge verschweiden und Nebenschauplätze ohen praktische Relevanz als zentralen Punkt darstellen.

  2. Fuer den BND sind Oestereich und Schweiz natuerlich „Ausland“. Das macht die Beteuerung des BNS nicht glaubhafter, aber sie ist einfach nicht wirklich relevant…

  3. Bitte mehr von der Sorte, und schön langsam. Der Druck unserer europäischen Nachbarn auf Fr. Dr. Teflon und ihre verlogene Gang muss Stück für Stück wachsen und so groß werden, dass selbst die nicht mehr so weitermachen können.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.