Empfehlungen aus dem Weißen Haus für mehr Aufsicht über die NSA? Neee, zu viel Arbeit.

Entgegen unserer Befürchtungen aufgrund des Government Shutdown und der Zusammensetzung der Gruppe hat die von Obama eingesetzte ‚Review Group in Intelligence and Communications Technologies‘ am 13. Dezember doch noch ihren Abschlussbericht vorgelegt. Das Gremium wurde berufen, um zu untersuchen, inwieweit die Überwachungsmaßnahmen der NSA mit Bürger- und Menschenrechten vereinbar sind und welche Maßnahmen eventuell getroffen werden müssen, um die ausufernde Überwachung in den Griff zu bekommen.

Der Bericht enthielt 46 Forderungen zur Reformierung der Geheimdiensttaktiken – zwar weniger radikal als von vielen NGOs gewünscht, dennoch erfreulicherweise deutlicher als von den meisten befürchtet. So wurde die Beendigung der verdachtslosen, massenhaften Sammlung von Informationen gefordert, ebenso bessere und wirkungsvollere Aufsichtsmechanismen für konkrete Einzelfälle, in denen eine Überwachung als notwendig zur Wahrung der nationalen Sicherheit empfunden wird.

Die Kernessenz, die erfreulicherweise im Bericht zusammengefasst wird, ist diese (S. 155):

Der wichtigste ist dennoch vielleicht einfachste Punkt ist die Sache, Privatsphäre und Menschenwürde zu respektieren – egal wo Menschen sich aufhalten. Das Recht auf Privatsphäre wurde als Menschenrecht anerkannt, das alle Nationen repektieren sollten.

Selbstverständlich sind die Empfehlungen des Gremiums nicht bindend. Obama kündigte in einer Pressemitteilung des Weißen Hauses an, das Dokument zusammen mit einem Team begutachten zu wollen und bis zu seiner jährlichen Ansprache zur Lage der Nation am 28. Januar entscheiden zu wollen, welche der Punkte umgesetzt werden sollen. Eine offizielle Erklärung von ihm wurde mittlerweile für diesen Freitag angekündigt.

Gestern wurde durch Dianne Feinstein – wir erinnern uns: die Vorsitzende des Senate Intelligence Committee, die einen Gesetzesänderungsantrag einreichte, der die Befugnisse der NSA noch vergrößert hätte – eine Stellungnahme von aktuellen und früheren Richtern des Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) veröffentlicht, der mit Entscheidungen über die Auslandsgeheimdienstüberwachung betraut ist.

Der Kommentar wurde von John D. Bates verfasst, der früher Oberrichter des FISC war. Bates fing sich bereits einige Kritik ein, nachdem er 2010 zwar selbst die anlasslose Massenüberwachung verurteilte, sie dann aber weiter autorisierte. Damit prägte er den Begriff ‚Bates Stamp‘ um. Der ist eigentlich ein Nummerierstempel, wurde aber im Zusammenhang mit den bedingungslosen Verlängerungen der NSA-Überwachungsberechtigungen oftmals synonym für eine Blankounterschrift der FISC-Richter benutzt.

Die Botschaft des Kommentars lässt sich traurigerweise einfach zusammenfassen:

Alles unnötig und zu aufwändig.

Besonders zurückgewiesen wird die Forderung nach einer unabhängigen Datenschutzaufsicht. Denn oftmals seien neben der Zielperson nur wenige andere Personen beteiligt und der Aufseher könne seiner Aufgabe sowieso nicht nachkommen, da er nicht unabhängig mit der Zielperson kommunizieren könne. Deshalb würde er nur die Arbeit des FISA-Gerichts behindern.

Auch anderen auswärtigen Rechtsanwälten steht man skeptisch gegenüber:

Ein Anwalt, der von den Gerichten unter sich bestimmt wurde, ist vermutlich hilfreich, aber ein Anwalt von unabhängiger Stelle wäre letztlich kontraproduktiv.

Unter sich wollen die Mitglieder des geheimen Gerichts auch bei der Auswahl der eigenen Richter bleiben, solche Kompetenz obliege nur dem Oberrichter und bedürfe keiner öffentlichen Aufsicht. Ebenso müsse die Öffentlichkeit auch nichts über die Gerichtsentscheidungen selbst erfahren, denn sie könne damit gar nichts anfangen und es würde zu „Verwirrung und Missverständnissen kommen.

Ein Wechsel von einer Pauschalerlaubnis von jeglicher Überwachung hin zu einer Einzelfallprüfung wird mit dem Argument der zu knappen Ressourcen abgelehnt.

Aber das beste Argument kommt zum Schluss:

Man muss aufpassen, dass man das Gericht nicht in eine ‚Aufsichtsrolle‘ bringt, die über seine verfassungsmäßige Verantwortung hinausgeht, über Gerichtsfälle und -streitigkeiten zu entscheiden.

Das heißt im Klartext: Man will keine qualifizierten Urteile fällen, bei denen konkrete Fakten und Notwendigkeiten geprüft wurden, sondern weiter mit der Routine fortfahren, Stempel und Unterschriften zu leisten. Und damit keiner merkt, dass man das tut, soll alles geheim bleiben wie immer.

Am Freitag wird Obama vermutlich bekanntgeben, welche Forderungen er umsetzen will. Bis dahin warten wir ab und – hoffen?

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Eine Ergänzung

  1. Ich weiß nicht, weshalb wir uns jetzt darüber freuen sollten. Das alles sind offensichtlich eh nur wahrscheinliche PR-Lügen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.