US-Geheimdienste dürfen weiterhin das Internet großflächig überwachen. Mit breiter Mehrheit hat der US-Senat am frühen Samstagmorgen den „Reforming Intelligence and Securing America Act“ (RISAA) beschlossen. Das Repräsentantenhaus hatte bereits eine Woche zuvor zugestimmt, US-Präsident Joe Biden setzte am Wochenende seine Unterschrift darunter.
Das Gesetz verlängert die umstrittene Section 702 des „Foreign Intelligence Surveillance Act“ (FISA) um zwei Jahre. Diese Bestimmung erlaubt US-Diensten wie der National Security Agency (NSA), die elektronische Kommunikation außerhalb der USA praktisch ohne Einschränkungen zu überwachen.
Für heftige Debatten sorgte in den Vereinigten Staaten jedoch vor allem die Tatsache, dass dabei auch Daten von US-Bürger:innen im Inland in den Datenbanken landen – wenn sie beispielsweise mit ausländischen Nutzer:innen kommunizieren oder ihre Daten sonstwie die Landesgrenze überschreiten. Diese Daten dürfen Behörden wie das FBI etwa für strafrechtliche Ermittlungen nutzen, ohne zuvor einen von unabhängigen Richter:innen genehmigten Durchsuchungsbefehl einzuholen.
Massenhaft illegale Abfragen
Im Vorjahr hatte ein Bericht der zuständigen Aufsichtsbehörde enthüllt, dass sich das FBI großzügig an den Datenbergen bedient hatte. Über Jahre hinweg kam es millionenfach zu missbräuchlichen Abfragen der Datenbank, das belegen auch Gerichtsdokumente. Ins Visier gerieten unter anderem Black-Lives-Matter-Demonstrant:innen, Spender:innen politischer Kandidat:innen oder auch Protestierende, die im Jahr 2020 am Sturm des Kapitolgebäudes teilgenommen hatten.
Trotz aller Rufe nach Reformen, die unter anderem vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Senat, dem einflussreichen Demokraten Dick Durbin, unterstützt worden waren, fehlten dafür letztlich ausreichend viele Stimmen. Dass das FBI inzwischen interne Prozesse geändert hat und stärker als zuvor kontrolliert wird, stimmte Durbin nicht zufrieden. „Wenn die Regierung meine private Kommunikation oder die von US-Bürger:innen überwachen will, dann sollte es für sie notwendig sein, sich das von einem Richter genehmigen zu lassen“, sagte Durbin.
Ausweitung auf mehr Anbieter
Abgesegnet wurde zudem eine weitere umstrittene Bestimmung. Zuvor hatte das Gesetz lediglich Betreiber von elektronischen Kommunikationsdiensten („electronic communication service provider“) verpflichtet, gegebenenfalls Daten an US-Behörden weiterzugeben. Jedoch wurde dies sehr weit ausgelegt und etwa auch auf Betreiber von Rechenzentren angewandt. Diese Praxis schränkte ein Gericht im Jahr 2022 ein.
Nun weitet das Gesetz die Klausel auf beliebige andere Betreiber aus („any other service provider“), die daran beteiligt sind, elektronische Kommunikation zu übermitteln oder zu speichern. Während Befürworter:innen davon sprechen, damit eine Regelungslücke geschlossen zu haben, halten sich zivilgesellschaftliche Gruppen mit ihrer Kritik nicht zurück. „Diese Bestimmung erlaubt es der Regierung, fast jedes Unternehmen in diesem Land dazu zu zwingen, bei der Erhebung gemäß Abschnitt 702 zu helfen, indem sie der NSA Zugriff auf ihre Telefone, Computer und WLAN-Router gewährt“, warnt etwa Elizabeth Goitein vom Brennan Center for Justice.
Kommerzielle Überwachungsdaten
Nicht ins überarbeitete Gesetz hat es hingegen ein Vorstoß geschafft, der US-Behörden verbieten sollte, weiter ohne Einschränkungen Daten bei sogenannten Databrokern einzukaufen und sie für ihre Arbeit zu nutzen. Dabei geht es um Daten, die üblicherweise für kommerzielle Zwecke gesammelt, verkauft und verwertet werden. Doch hat die Praxis, aus Smartphone-Apps oder sonstigem Online-Verhalten gewonnene Daten in staatliche Überwachungssysteme einfließen zu lassen, in den USA zuletzt stark zugenommen, ohne begleitend reguliert zu werden.
Schon seit längerem zirkuliert der „Fourth Amendment Is Not For Sale Act“ im US-Kongress, vergangene Woche wurde ein Entwurf im Repräsentantenhaus beschlossen. Demnach sollen US-Behörden solche Daten nicht einkaufen dürfen, wenn sie dafür sonst einen Durchsuchungsbefehl brauchen würden. „Die parteiübergreifende Verabschiedung des Gesetzentwurfs ist ein Alarmsignal für die Regierung, dass sie einen Durchsuchungsbefehl braucht, wenn sie unsere Daten will“, sagte Kia Hamadanchy von der Grundrechteorganisation American Civil Liberties Union (ACLU).
Was heißt das für die EU und beispielsweise Microsoft oder auch die Cloud-Anbieter wie GPC oder AWS?
Bedeutet das nicht zwangsweise, dass gar keine Daten mehr in die USA abfließen dürfen?
Und was heisst das für die Sovereignity Cloud der Anbieter, die versprechen, dass die Daten in der EU bleiben?
…, den Verfall.
Was kann da schon schiefgehen, wenn man den estimierten Verfall im Geiste schon mal gründlichst vorwegnimmt?
Weil ich dazu neige, Informationsfreiheit (Offenlegung von Fakten durch Whistleblower) mit Meinungsfreiheit zu verwechseln, war ich baff, dass Ronen Steinke im Buch „Verfassungsschutz“ schreibt, der USA würde es nicht in den Sinn kommen, die eigene Bevölkerung nach politischen Kriterien zu scannen, weil das ein „infringement upon the freedom of speech“ wäre. In den USA bekämpfe man „illiberale“ Kandidaten in der Demokratie (Leute wie Orban) eher mit solider Brandmauer (Isolation der Extremisten) und mit dem Versuch, Wähler duch Überzeugungskraft zurückzuholen zu liberaler Demokratie.
=> Die Demokratie muss in der Bevölkerung sein, sonst kann sie nicht überleben?
=> Man kann nicht ein endlich in der Geschichte erreichtes gutes System [die um fairplay bemühte, freiheitliche Demokratie] damit verteidigen, dass man die eigene VERFASSUNG NICHT ABWÄHLBAR macht ( = Verfassungsgegner nicht mitspielen lässt ) ?
Wenn das stimmt, dann haben wir wohl schon verloren, denn inzwischen wissen doch alle, wofür die AfD steht, und immer noch scheint also ein Viertel (?) unserer Mitbürger rechtsradikal zu sein, ohne sich durch existentiell-überzeugende Argumente davon abbringen zu lassen.
Zum einen kann jede Verfassung abgewaehlt werden, halt nicht unbedingt im ersten Schritt an der Wahlurne.
Zum anderen will die GOP die US-Verfassung ja nicht abwaehlen, sondern im Originalwillen von 1783 interpretieren. Damit sind dann white christian supremacy und minority rule genauso wenig ein Problem wie Sklaverei.
Und „Leute wie Orban“ sind im US-Spektrum bereits seit Jahren „Mitte“.
Daten von US-Bürger:innen, die von Auslandsgeheimdiensten mitgespeichert wurden, dürfen Behörden wie das FBI etwa für strafrechtliche Ermittlungen nutzen, ohne – das ist der Streitpunkt: – zuvor einen von unabhängigen Richter:innen genehmigten Durchsuchungsbefehl einzuholen.
=> Ich beneide die USA um die Klarheit, die darin liegt, die eigenen Bürger nur zu strafrechtlichen Ermittlungen, und eben eigentlich auch nur unter Richtervorbehalt, ausspähen zu dürfen – also nur Polizei, kein Geheimdienst!
Es gibt dort keinen Inlandsgeheimdienst mit Ziel „Verfassungsschutz“ so wie bei uns.
Zu Hans-Georg Maaßens Zeit hätte ich sowieso für die Abschaffung des Dienstes plädiert.
Seit Thomas Haldenwang hat mich die bittere Erkenntnis, dass bei uns nicht nur Rechtsextreme wie Maaßen „Verfassungsschutz“-Chef werden können, sondern auch Leute wie Höcke Lehrer (!) , und Leute wie Malsack-Winkemann Richterin (!) – dazu verführt zu glauben, dass wir wohl doch irgendeine transparente Prüfung gegen Verfassungsfeinde brauchen werden, – wegen unserer besonderen Geschichte. Und das unabhängige Richtergremium, welches die Arbeit des BND schon kontrolliert, hätte ja eine Art „Compliance“ werden können (die Richter dürfen überall hinschauen beim Geheimdienst, und sie haben Sanktionsbefugnis – können Unrecht stoppen, … Verfassung schützen).
Aber der verdammte Fallstrick bei uns bleibt natürlich: wer bestimmt, wo „verfassungswidrig“ beginnt/endet ???
Irgend jemandem muss ich dafür vorab vertrauen, wenn ich nicht warten will, bis es bei uns zu spät ist …
(Da hat es das FBI mit strafrechtlich : ja oder nein eben einfach leichter, die rote Linie zu erkennen! Die brauchten nur den Richtervorbehalt, dann hätten sie’s.)
Das FBI ist Strafverfolgungsbehörde und Inlandsgeheimdienst der US-Bundesregierung.
Das FBI ist nicht mit der bundesdeutschen Polizei vergleichbar.
> Das FBI ist nicht mit der bundesdeutschen Polizei vergleichbar.
Der Unterschied ist das historisch begründete Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst. Eine deutsche Besonderheit, die ich für sinnvoll erachte, die aber immer wieder von interessierten Kreisen infrage gestellt wird.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/polizei-geheimdienst-nachrichtendienst-trennungsgebot-fdp-fraktion-bundestag-sicherheit/
Zum Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
Ausprägung im Bereich der Cyberabwehr
https://www.bundestag.de/resource/blob/970038/7389146a57fbd73593ea7e9af9a10b73/WD-3-071-23-pdf-data.pdf
Ihnen ist anscheinend nicht bekannt, dass das FBI ein Geheimdienst mit Polizeibefugnissen ist, und damit so ziemlich das Gegenteil von „nur Polizei“?